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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Ostini, Fritz von: Verborgene Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0256

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200

verborgene Kunstpfleac

Die Influenza befällt Mitglieder der Gesellschaft während einer Weihnachtskneipe. Von L. von Nagel

Schwierigkeiten der Begleitung zu überwinden. Beifall und Rührung zeigen die Mynheers, jeder auf
seine Art.

Seite 199 und 193 sind den Erinnerungen an gemeinsame Abendessen, auf „Niederländisch" auch
„Schlämplyn" genannt, gewidmet. Ersteres erklärt sich wohl selbst, letzteres könnt' aber ohne Kommentar
leicht zu Mißdeutungen führen und die „Mynheers" in den Verdacht der Tierquälerei bringen. Das war
aber anders. An jenem Abend gab's Ochsenschweif mit Knödel und die Zeichnung beweist nur, daß van Oos
von der Zubereirung des Ochsenschweifs oder richtiger von dessen Gewinnung falsche Meinung hatte. Er
stellt darin dar, wie lebendigen Ochsen von einem Mitgliede des Schlämplyn-Komitees die Schwänze abge-
schnitten werden, während ein anderes Mitglied desselben ein Riesenquautum italienischen Salats macht. Eine
Knödelköchin, selbst schon ganz verknödelt, fertigt die Zukost. Im Vordergründe tafeln die „Niederländer" und
van Oos selbst freut sich einer Dedikation, die dem „Krug" eben zu teil geworden.

Hier oben sehen wir, wie die böse Influenza unter die „Niederländer" fährt. Drastischer ist die neue
Gottesgeisel wohl noch kaum dargestellt worden. Der Pferdkundige wird auch in ihrem Roß die Krankheit
kaum minder deutlich zum Ausdruck gebracht finden. Im Hintergründe sieht man den Auktionator der Christ-
baumversteigerung jenes Abends, der vergeblich seine Lunge und seinen Witz anstrengt, die „Mynheers" zum
Steigern anzufeuern.

In dem besonders feinen Blättlein nebenan schließlich ist entschieden der Einfluß Böcklins zu erkennen.
Der Zeichner stellt die „Mynheers" auf einmal als Centauern dar — eine Anspielung auf die Pferdenatur,
die das Ausharren im derzeitigen Lokal erfordert — und hat es wiederum ganz merkwürdig fertig gebracht,
das Wesen der Einzelnen in Roß und Mann auszndrücken. Man betrachte nur den Pferdekörper des von
erschöpfender Reise zurückgekehrten koeta Imursatus, wie er struppiert und erholungsbedürftig dasteht, den
kräftigen, wohlgenährten Ban des dem Beschauer den Rücken zukehrenden van Oos selbst, oder den wohl-
trainierten, feurigen Centauern zur Linken, oder die ponnyartige feiste Struktur des mit erhobenem Krug heran-
lrabenden Centauern zur rechten Seite.

Soviel über unsere Bilder! Daß „froh Gemüt und geschickte Hand" walten, wo sich solche Blätter
in einer Chronik finden, braucht nach dem wohl keiner Versicherung mehr.

Glückselig der Mann, der, den Mühen seines Berufes fern, eine grüne Insel weiß, wo er alles ver-
gessen kann, was ihm tagüber den Kopf warm machte; und doppelt glückselig jener, der dort so reiche Anregung
findet zu dem, was froh und schön ist in der Welt.
 
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