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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Buß, Georg: Die Galerie Pumps, [1]: ein Zeitbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0264

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Die Galerie Humps. Von Georg Buß

207

Urteil und der angeblich beifälligen Zustimmung vieler
Kenner.

In Wahrheit vollzogen sich die Erwerbungen insehr
einfacher Weise: seine Quellen waren die zahlreichen
Trödler in unseren süddeutschen Bädern. Wer beispiels-
weise Kissingen besucht hat, weiß, daß sich dort ein Kranz
solcher Trödelläden um den Kurgarten zieht, daß in diesen
Geschäften unzählige Bilder der berühmtesten alten
Meister auf Lager stehen, und daß diese Bilder ebenso-
wenig alle werden wie —die Dummen. Seine sommer-
liche Badereise war für Pumps zugleich eine Kunstreise.
Trank er morgens seinen Brunnen, so handelte er während
der Trinkpausen seine Meisterwerke ein. Mancher Hun-
dertmarkschein wanderte aus seiner Tasche in jene dieser
ehrbaren „Kunsthändler", welche auf Ehre schwuren, daß
alles „echt" sei. War die Badereise beendet, so reiste
er mit den erworbenen Schätzen froh der Heimat zu.

In der vorgeschilderten Weise hatte Herr Pumps
über 500 Bilder zusammengebracht. Da blitzte eines
Tages ein Gedanke in ihm auf, den er seiner Gattin
als einen großen und herrlichen bezeichnete: er wollte
auch anderen Menschen den Genuß seiner Galerie
ermöglichen und den Geschmack des Publikums bilden
helfen. Soweit ihm die Fabrikation seines Liqueurs
Zeit ließ, sann er nach, wie jene humane Absicht zu
verwirklichen sei. Endlich hatte er's gefunden: die
Presse, die erste Großmacht im öffentlichen Leben, mußte
helfen. Herr Pumps schrieb, und er schrieb an die drei
Zeitungsredaktionen, welche in der Stadt um die Abon-
nenten mit allen Künsten und Listen Krieg führten, fol-
gendes Skriptum: „Hochverehrte Redaktion! Im Ver-
trauen auf das warme Interesse und die kräftige Unter-
stützung, welche Sie allen edlen Bestrebungen auf dem
Gebiete der Kunst und Wissenschaft zu Teil werden lassen,
beehre ich mich, Sie zu der am Freitag vormittags dieser
Woche stattfindenden Vorbesichtigung meiner Gemälde-
Galerie, welche demnächst dem Publikum geöffnet werden
soll, ergebenst einzuladen. Ich schmeichle mir, daß die
Galerie reich an Meisterwerken ersten Ranges ist. Die
öffentliche Besichtigung soll am Donnerstag nächster Woche
in den Stunden von 11 bis 3 Uhr gegen ein Eintritts-
geld von einer Mark gestattet sein. Das vereinnahmte
Geld soll zu einem wohlthätigen Zweck Verwendung
finden. Mit ausgezeichneter Hochachtung Johann Fried-
rich Pumps."

Wir verlegen den Schauplatz der Handlung aus dem
Hause des Mäcenas für einen Moment in die Redaktions-
stuben der „Tagespost", des „Deutschen Telegraphen"
und der „Allerneuesten Nachrichten".

„Herr Nathan!" — rief der Chefredakteur der
„Allerneuesten" — Sind Sie endlich mit dem Artikel
über das Schweineeinfuhrverbot fertig?" „Nur noch
einen kräftigen Schlußsatz, Herr Chefredakteur" -— tönte es
zurück. Gleich darauf erhob sich Herr Nathan und
reichte mit ehrerbietiger Attitüde das fertige Produkt dem
gefürchteten Lenker des Blattes hin. - „Da ist eine Ein-

(Die Fortsetzung

ladung", Hub dieser nach einer kurzen Musterung an, „von
einem Herrn Pumps zur Besichtigung seiner Gemälde-
galerie für Freitag vormittags eingetroffen. Gehen Sie
hin und fassen Sie sich über den Zauber möglichst kurz."
„Sehr wohl" — entgegnete Nathan — „und wie viel
Spalten ungefähr?" „Was — Spalten?" brummte der
Chef, — „Sie immer mit Ihren Spalten! Nun meinet-
wegen — mehr wie zwei dürfen es nicht sein." In
Nathans Gesicht leuchtete es auf — die Spalte besaß
150 Zeilen, und für die Zeile gab es 15 Pfennige Ho-
norar, machte zusammen 2x150x15 - 45 Mark. Wie
der Blitz war die Berechnung in dem Haupte des Mit-
arbeiters der „Allerneuesten" vollendet. Der Schneider
hatte schon so lange wegen Bezahlung des neuen eleganten
Anzugs getreten, daß die Geschichte unangenehm wurde,
und nun war endlich die Gelegenheit geboten, dem „Kerl"
eine Abschlagssumme zu übersenden.

Ähnlich vollzogen sich die Aufträge in den Redak-
tionen der beiden anderen Blätter. In der „Tagespost",
dessen Verleger bei der Angabe der Abonnentenzahl stets
zwei Nullen zu viel anhängte, wurde Kunstkritiker Habicht,
der, wenn gerade nichts über Kunst zu schreiben war,
auch Theater, Musik, lokale Dinge und sonstige pikante
Räuberaffairen in den Bereich seines litterarischen Thaten-
dranges zog, mit der Mission nach Pumps betraut; in
dem „Deutschen Telegraphen" Herr Schnüffler, ebenfalls
ein sehr vielseitig gebildeter Mann, der in einem Tempo
mit großem Verständnis über Emile Zolas neuesten
Roman, über die unpraktische Einrichtung des Viehhofes,
über Polychromie in der Plastik, über den gegenwärtigen
Stand der Goethe-Forschung und über die Kippweichen der
Pferdebahnen schrieb, gerade aber wegen dieser Beweglichkeit
seines Geistes bei dem Herrn Chefredakteur besonders ge-
schätzt war und aus diesem Grunde als „Mädchen für
Alles" betrachtet wurde.

Die drei vorbezeichneten Vertreter der öffentlichen
Meinung machten sich also am Freitag vormittags nach
der Galerie der Meisterwerke auf den Weg, um auf
Grund ihrer weitverzweigten Studien ein sachgemäßes
Urteil über Rembrandt, Van Dyck und Rubens abzu-
geben. In Spannung harrte Pumps. Johann lag auf
der Lauer, um das Nahen der Herren zu verkünden.
Fast zu gleicher Zeit, zwei Minuten nach elf Uhr, langten
sie an. Dem Hausherrn fiel eine Last vom Herzen.
Mit bezaubernder Liebenswürdigkeit, gemischt mit Würde,
empfing er seine Gäste und geleitete sie hinauf zum
Speisesaal. Eine gegenseitige Vorstellung der Kritiker
war überflüssig, denn sie kannten sich zur Genüge. Im
Speisesaal stand die Frühstückstafel fein säuberlich gedeckt,
und in etlichen Karaffen waren die besten Erzeugnisse,
welche Pumps je in rotem und grünem Liqueur geleistet,
aufgefahren. Alles sah sehr appetitlich aus. Der nach-
drücklichen Einladung des gastfreundlichen Wirtes leisteten
die berufenen Herren ohne Zögern Folge und bald war
die richtige Stimmung für die kritische Würdigung der
Galerie erzielt.

im nächsten Hefte)
 
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