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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Meyer, Kunz: Achtundzwanzigste große Kunstausstellung zu Bremen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0295

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von Kunz Meyer

23l

Aus Clara Walthers Skixzenbuch

auch nur einen Überblick zu geben, ist mir nicht möglich!
Ich muß mich darauf beschränken, das Bemerkenswerteste
hervorzuheben!

Die besten Namen sind vertreten! Knaus, Meyer-
heim, H. Hermann, Hertel, Bracht und Licbermann aus
Berlin, Vautier, die beiden Achenbach, Bochmann, Munthe,
Fagerlin und Brütt aus Düsseldorf, Claus Meyer, Baisch,
Kallmorgcn aus Karlsruhe und Defregger, Grützner,
G. Max, I. Brandt, Carl Marr, llhdc, Trübncr,
E. Zimmermann, W. Diez, Gebler, Zügel u. s. w. aus
München.

Es sind natürlich nicht immer die neuesten Werke,
die diese Künstler der nordischen Hansastadt gesandt
haben. Ein großes Bild von A. Achenbach rührt aus
den vierziger Jahren her. G. Max hat außer vielen
kleinen Köpfen den bekannten und berühmten Anatom,
sowie sein Gretchen im Kerker ausgestellt. Da diese
Gemälde für Bremen aber neu sind, können wir es nur
mit Dank anerkennen, daß sie endlich auch hier bekannt
werden! Auch außer den erwähnten Bildern sieht man
vieles, was demjenigen, der die deutschen Kunstaus-
stellungen der letzten Jahre zu besuchen pflegte, zur
Genüge bekannt ist. Da freut es den Besucher der
Knnsthalle um so mehr, wenn er in ihren Sälen hier
und da dem Bilde eines vielgenannten Künstlers be-
gegnet, das noch nirgends ausgestellt war, das mit hohem
Kunstwert auch den Reiz der Neuheit verbindet. Ein
solches Werk ist Carl Marrs „Sommernachmittag!"
Es ist das hervorragendste Gemälde der ganzen Aus-
stellung, eine der wertvollsten deutschen Kunsterscheinungen
aus den letzten Jahren! Vor dem Bilde Marrs kommt
die Bedeutung und Berechtigung des echten und wahren
Freilicht voll zur Anschauung. Ich denke hiebei selbst-
verständlich nicht an die modischen Auswüchse und Un-
geheuerlichkeiten, die sich in den Troß der ehrlichsten
Streiter einzuschleichen wissen! Während aber dem außer-
halb der Malerei stehenden Zuschauer der ganze Prozeß
des klein air noch eine Art Gährung zu sein scheint,
während wir sehr viel Most und ungenießbares Getränk
vorgesetzt erhalten, finden wir bei Marr bereits alles
vollendet und klar; er reicht uns den reinsten Wein,
herzstärkend und belebend.

In dem Schatten einer Sommerlaube befindet sich
eine Schaar von Frauen, Mädchen und Kindern so lieb-
lich und schön, wie sie nur wenige Menschen zu sehen,
nur gottbegnadete Künstler wiederzugeben vermögen!
Seine ganze Liebe hat der Künstler der jungen Mutter
zugewandt, die von dem Tische aufgestanden, sich im
Vordergründe zu ihrem kleinen Sprößling neigt, der be-
gierig mit seinen Händchen nach den Hühnern greift.
Diese Frau mit dem Kinde ist allein für sich ein voll-
endetes Meisterwerk! Das lichte Kleid der Mutter scheint
von einem leichten Sommerwind bewegt, den der Be-
schauer förmlich zu spüren glaubt. Ein eigentümlich
sommerlicher Zauber zittert über der ganzen lieblichen
Gestalt. Der Ausdruck des Kopfes ist wunderbar fesselnd.
Die ganze schrankenlose Mutterliebe spricht sich in ihm
aus und wie eine Ahnung von Schmerz und Sorge spielt
es um den Mund der glücklichen jungen Frau! Das Bild
wird hier zwar viel bewundert, doch steht ihm die volle
künstlerische Würdigung wohl erst in Wien und München
bevor.

Auch neben diesem Meisterwerke ist des Schönen
und Vortrefflichen noch genug in der Ausstellung! Be-
sonders die Kteinmalerci bietet einige ganz hervorragende
Leistungen in dem Bilde „Auf der Rast" von W. Diez,
in dem den Kabinetstückchen von Löwith, Pitzner, Th.
Schmidt, Buchbinder u. a. m. Die Münchner sind
noch durch eine ganze Anzahl schöner Gemälde vertreten.
Da sehen wir Piglheins „Stern von Betlehem",
Weigands „Raubritter Schüttensamen", die „Salome"
von Papperitz, zwei vorzügliche Bilder von I. von
Brandt, eines von Gebier und zwei Gemälde von
Hartwich. Das eine, „am Flußdamm" betitelt, zeichnet
sich ganz besonders durch eine große Feinheit und Klarheit
des Tones aus. Es scheint ein Motiv aus den Jsar-
auen zu sein, das uns die eigentümlichen Reize dieses
Erdenwinkels in schönster Weise vorzaubert.

Von den aus Berlin eingesandten Bildern über-
ragen alle anderen bei weitem die beiden Tierstücke von
P. Meyerheim. Das Löwenpaar in der Menagerie
ist eine ganz hervorragende Kunstleistung. Man beachte,
wie der schwarze Schirm, den die Löwin zerfetzt, am
richtigen Ort der rechte Fleck ist, der den übrigen Ton-
 
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