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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Buß, Georg: Die Galerie Pumps, [3]: ein Zeitbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0305

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Die Galerie Pumps, von Georg Buß

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sogar, als ob das bisher leere Knopfloch des edlen Bürgers
durch das blau-grüne Bändchen des Ordens von der goldenen
Löwenklaue seitens des Landesherrn geziert werden solle.

In all diese Wonne, welche den biederen Liqueur-
fabrikanten beseligte, griff aber endlich Freund Heim mit
rauher Hand ein. Die eigentliche Schuld trug ein neuer
gelber Liqueur, den Pumps gebraut. Er schmeckte so
vorzüglich, daß der eigene Erzeuger dieses Getränkes der
Hauptnehmer desselben wurde. Eines Tages, nachdem
Pumps wieder und wieder geprobt hatte, wurde er im
Antlitz feuerrot, er wankte und fiel um — der Schlag
hatte ihn getroffen, als er gerade sinnend vor dem
Bilde seiner Großmutter geweilt.

Über Jammern und Klagen, über Begräbnis und
Leidtragende zu berichten ist nicht angenehm. Ein Licht-
blick in all' der Trübsal waren die zahlreichen Nekrologe,
von welchen besonders der von Nalhan verfaßte am
schwungvollsten und empfindungsvollsten war. So man-
ches feine Frühstück und Diner in Verbindung mit den besten
Liqueursorten und den edelsten Havannas waren dem Ver-
fasser beim Schreiben ins Gedächtnis gekommen, so daß ihm
schließlich Augen und Mund wässerig geworden und all die
Begeisterung in die Feder geströmt war. Pumps ward
mit Musik beerdigt und schlummerte nun im Erbbegräbnis.

Von England war inzwischen Johann Jakob Pumps
jun., der Sohn des Verstorbenen, herüber gekommen, um
die Hinterlassenschaft zu ordnen. Zwischen Vater und
Sohn hatte stets ein gespanntes Verhältnis bestanden,
weil dieser die Kunstpflege seines Erzeugers nicht zu
würdigen wußte. Pumps jun. war ein praktischer Mann,
ein echter Kaufmann, eine Natur, welcher nichts über
blanke Markstücke ging. Ahnen und alle ähnlichen Dinge
galten bei ihm keinen Pfifferling. So gab sich denn auch
seine Kritik über des Vaters Sammeleifer stets lapidarisch
in dem inhaltsvollen Satze kund: „Der Alte ist verrückt!"

Beim Durchforschen des väterlichen Schreibtisches
stellte der Sohn fest, daß der Verstorbene ein Testament
nicht hinterlaffen hatte. Der Oberbürgermeister, welcher
davon erfuhr, wütete im Stillen, denn er war um den
Grundstock für das erträumte Museum gekommen. Tie
schöne Gelegenheit, sich durch Gründung eines solchen
Instituts im Gemeinwesen unsterblich zu machen, war
ihm benommen. — Schade, Jammerschade! Pumps jun.
rückte nichts heraus — im Gegenteil, er verfuhr im Ein-
verständnis mit seiner Mutter, welche nach dem Tode des
Gatten den „Gemälde-Rummel" satt bekommen hatte, sehr
praktisch: er beschloß, die Galerie samt allen Ahnen
unter den Hammer zu bringen.

Der Erbe wußte, wie die Geschichte gemacht wurde,
und handelte danach Alle die Rubens und Rembrandts
wurden fein säuberlich eingepackt und nach der Residenz
zu einem bekannten Knnstauktionator gesandt, um von
diesem versteigert zu werden. Auf Grund des Nathan-
schen Kataloges wurde ein sogenannter Auktionskatalog
mit einem Vorwort verfaßt und in alle Welt gesandt.
Auf dem Umschlag desselben war mitgeteilt, daß die An-
gaben über den Meister und die Herkunft eines jeden
Bildes nach den hinterlassenen Aufzeichnungen des ver-
storbenen Besitzers gemacht seien, eine Verantwortung für
die Richtigkeit derselben der Auktionator aber nicht über-
nehmen könne. Diese vielsagende Bemerkung fiel, weil sie in
Diamantschrift gedruckt war, kaum ins Auge, um so mehr
aber die groß und fett gedruckten Mitteilungen über die

Auktionsbedingungen. Das Vorwort des Katalogs begann
mit den Worten: „Die Versteigerung der rühmlichst be-
kannten Galerie Pumps bildet iu der kunstsinnigen Welt
ein Ereignis. Der mit seltenen Kenntnissen und seinem
Geschmack ausgerüstete Schöpfer der Galerie hat nur das
Schönste und Vollkommenste gesammelt. Fast keiner der
bedeutenden alten Meister ist unberücksichtigt geblieben,
selbst Rembrandt, Rubens, Hals, Hondccoeter sind ver-
treten." In dieser Weise wurde die Galerie gebührend
herausgestrichen. Im Vertrauen gesagt, war Nathan der
Verfasser dieses Vorwortes — wie immer hatte er
schwungvoll und begeistert geschrieben.

An zwei Wochentagen war die öffentliche Besich-
tigung der Galeriebilder in den Räumen des Auktions-
lokals gestattet. Dann kam der Tag der Versteigerung
und Pumps' Rembrandts, Rubens u. s. w. stoben mit-
samt den Ahnen in alle Welt hinaus. So manche
Bankiersfrau, welche gern einen „echten" Niederländer
über dem Sopha wünschte, so mancher „Kunstliebhaber",
welcher gern seine „Galerie" mit etwas gutem be-
reichern wollte, bot und bot, bis von keiner Seite mehr-
geboten wurde und der Auktionator zuschlug. Die Käufer
waren glücklich und zufrieden, denn sie besaßen ein
Kunstwerk aus der rühmlichst bekannten Galerie Pumps,
deren Inhalt anerkanntermaßen nur in Meisterwerken be-
standen hatte. Auch der Auktionator war zufrieden, denn
er strich zwölf Prozent von dem erlösten Gelde als Ge-
bühren ein. Am zufriedensten aber war Pumps jun.
Aus den hinterlassenen Papieren hatte er ersehen, daß
sein Erzeuger für die 500 Bilder 14,000 Mark ver-
ausgabt hatte. Zu dieser Summe traten 3000 Mark
für Restaurationskosten hinzu. Für den ganzen „Kitt",
um den Ausdruck des praktischen Geschäftsmannes zu
wiederholen, waren also 17,000 Mark aufgewendet
worden. Die Auktion brachte hingegen 45,000 Mark
ein, ergab mithin einen Gewinn von 28,000 Mark.
Das Geschäft war nicht schlecht. Pumps jun. wurde
nachdenklich. „Der Alte ist doch klüger gewesen, wie ich
dachte" — murmelte er, und im Stillen that er ihm
Abbitte, daß er ihn so oft verspottet und verunglimpft hatte.

Wie gesagt, Pumps jun. wurde nachdenklich, und als er
mit dem beschwerten Portefeuille von der Residenz der
fernen Provinzialhauptstadt zufuhr, stand es bei ihm fest:
ich sammle auch wie der Alte. Was er gedacht, führte
er aus: mit Unterstützung des Herrn Kunstkritikers
Nathan von den Allerneuesten entstand eine Galerie
Pumps jun., in welcher binnen einiger Jahre wieder
eine erkleckliche Anzahl Rembrandts und Rubens, Hals
und Hondecoeter, Steens und Metsus beieinander war.
Auch diese Galerie wird in kurzem unter den Hammer
kommen, denn, wie Pumps jun. durch Nathan bekannt
machen läßt, ist der Raum in seinem Hause durch Ge-
schäftsvergrößerung so beengt worden, daß er, wie schmerz-
lich es ihm auch ist, seinen mühsam gesammelten Schätzen
entsagen muß.

Anhänger der vierten Dimension, welche jüngst Rem-
brandt, Rubens und etliche große Meister heraufbe-
schworen, versichern übrigens, daß dieselben energischen
Protest eingelegt hätten gegen all den erbärmlichen Schund,
welcher ihnen von unserm modernen kunstsinnigen Ge-
schlecht zugeschrieben wird. Sie hätten sich, so sollen
die Geister versichert haben, schon zwanzigmal im Grabe
umgedreht.

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