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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Barth, Hans: Aus dem Künstlerleben Italiens
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2?8

Aus dem llünstlerleben Italiens. Von Vr. Isans Barth

Zocchi (Florenz), als Sieger hervor. Das — vom
Standpunkte eines Zuckerbäckers aus recht niedliche —
Werk, für das sich die Böotier von Trient entschieden
haben, besteht aus einem in schwindelnder Höhe stehenden
Säulenheiligen als Dante, und einem nach dem Exempel
der göttlichen Komödie in drei Zonen geteilten architek-
tonisch zwar recht eleganten, aber durch den Figuren-
schmuck nicht eben verschönerten hohen Sockel. Unten
kauert, das finstere Haupt auf die Hand gestützt, der
Totenrichter Minos und zwar sitzt der Präsident des
höllischen Reichsgerichts bezeichnender Weise auf dem
Rücken einer Flügel-Bestie, die ein Drache oder ein
sonstiger näherer Verwandter des Cerberus zu sein scheint.
Über dieser die Hölle darstellenden, ganz unvermittelt
aus der Basis herauswachsenden Gruppe, folgt das Feg-
feuer mit der Szene, da der Dichter Sordello aus
Mantua in überschwänglicher Freude vor Ovid auf die
Kniee fällt. (»Lol per Io ckolce sucm ckella sua terra

— Di bare al cittackin suo <guivi testa«, kurgatorio VII.)
Darüber endlich, als Paradies, die von einem höchst lang-
weiligen Engelschor umgebene Erscheinung der Beatrice,
der Geliebten Dantes (»Imce intelettual piena ck'ainore

— Dinare äi vero ben pien cki letiria«, karackiso
XXVIll.). Über dem Ganzen erhebt sich in theatralisch-
konventioneller Haltung die Gestalt des Dichters im
legendären Gewände, in der Linken das Buch der gött-
lichen Komödie, und die Rechte pathetisch über das
Trentino ausgestreckt. Das Ganze ist, wie gesagt, ein
Monument, dessen Wirkung, wenigstens künstlerisch, eine
sehr zweifelhafte ist, wenn auch die Einzelheiten der drei
Sockel-Gruppen mit großem Fleiße und feiner Technik
ausgearbeitet sind.

Die andern größeren Monumente, die demnächst
in Italien zur Aufstellung gelangen, sind: eine Shelley-
Statue in Viareggio (der Künstler Urbano Lucchesi hat
den englischen Dichter in aufrechter Haltung, in einem
Buche lesend, dargestellt; das einfache und geschmack-
volle Piedestal ist mit Bas-Reliefs geschmückt); ferner
Garibaldi-Denkmäler in Ravenna und Palermo, in welch
letzterer Stadt gleichzeitig auch ein Cairoli-Denkmal ent-
hüllt wird; dann ein Denkmal für den Krimkrieg in
Turin. Auch ein dieser Tage auf dem Schlachtfelde von
Calatafimi (Sizilien) eingeweihter großartiger Obelisk
mit kriegerischen Bas-Reliefs von Basile sei hier noch
kurz erwähnt. Auf dem Pincio endlich, dieser römischen
Ruhmeshalle unter freiem Himmel, werden nicht weniger
als zwanzig neue Büsten auf einmal aufgestellt werden;
darunter diejenigen von Baldassare Peruzzi, Masaccio
(Guidi), Mastro Giorgio, Luca della Robbia, Giorgio
Trivulzio Pallavicini und Massimo d'Azeglio. Hoffentlich
werden die alten Herren in ihren bevorstehenden Mensuren
mit den römischen Gassenjungen der »bigk Icke« ihre
Nasen intakter behalten, als der arme Giordano Bruno,
dieses unglückliche Opfer hyper-klerikaler »LoUegiens«.

Vergessen wir unter den Ereignissen auf dem Ge-
biete der Skulptur nicht ein besonders für die nord-
italienische Malerei bedeutsames und ehrendes Ereignis:
die fünfzigjährige Gedenkfeier der Gründung der Künstler-

Genossenschaft (Locietä proinoirice cki belle arti) von
Turin. Von dem bekannten Piemontesischen Mäcen,
Grafen Cesare Benevello, im Jahre 1842 mit nur 400
Mitgliedern und unter den schwierigsten Verhältnissen
ins Leben gerufen, ist die Gesellschaft im Laufe der
Jahre zu einer nicht geringen Bedeutung gelangt, zählt
heute nahezu 2000 Mitglieder und übt auf die alte
Hauptstadt der Könige von Sardinien wie auf ganz
Piemont einen maßgebenden künstlerischen Einfluß aus,
der sich namentlich in trefflichen Jahresausstellungen
äußert. Diese Ausstellungen werden seit dem Jahre 1862,
wo die Munifizenz Viktor Emanuels II. dem Verein zu
Hilfe kam, in dem eigenen schönen Vereinshause in via
ckella 2ecc:a. abgehalten. Zur Gedächtnisfeier ihrer
Gründung hat die »Locietä promotrice« nun zwei große
Ausstellungen veranstaltet, und zwar eine solche von
Werken ihrer verstorbenen Mitglieder im Vereinshause
(mit ausgezeichneten Werken von Gamba, Gonin, Ardy,
Pastoris, Morgari, Vincenzo Vela u. a.); und eine Aus-
stellung der lebenden Vereinsgenossen im städtischen Aus-
stellungs-Palaste (Valentins), wo sich ca. 600 Werke
nord-italienischer Künstler, darunter Segantini, Morbelli,
Delleani, Belloni u., a. befinden.

Zum Schluffe unseres Briefes noch ein paar Worte
über das neueste, geradezu sensationelle künstlerische Er-
eignis in Rom, ich meine das nach dem Wunsche des
deutschen Künstler-Vereins hier zu errichtende Künstler-
oder Atelier-Haus, alias auch „Deutsche Akademie"
als Pendant zurAcademieEspagnole aufdem Janiculus
und zur Academie de France in der Villa Medici.
Der hauptsächlich von dem Vorstande des Vereins, Prof.
Meurer, entworfene, von Baurat Genick-Rom zu
Papier gebrachte Plan beabsichtigt also die Gründung
eines eigenen deutschen Künstlerheims in Rom mit je
zwölf Ateliers für Bildhauer und Maler, Ausstellungs-
und Sammlungsräumen rc. Das Gebäude soll von einem
Garten umgeben und im Terrassenstil gebaut sein, damit
den Malern das Naturstudium erleichtert werde. Im
übrigen ist nicht im geringsten beabsichtigt, eine Künstler-
Erziehungsanstalt im Sinne z. B. der Academie de
France zu gründen; im Gegenteil würde unser deutsches
Heim nur als Zentralpunkt der arbeitenden jungen
Künstlerschaft, sowie als permanente Ausstellung dienen.
Ob nun der treffliche Plan auch zu stände kommen
wird, bleibt vorderhand noch dahingestellt, sintemalen, vom
Grundstück ganz abgesehen, die Aufführung eines Künstler-
heims auf 4—600 000 Fr. zu stehen käme. Andrerseits
hat das Unternehmen mit gegnerischen Strömungen selbst
da zu rechnen, wo doch am meisten begeisterte Unter-
stützung und Entgegenkommen zu erwarten wäre. Immer-
hin scheint das Preußische Kultusministerium der Sache
günstig gestimmt, vielleicht besonders im Hinblick auf die
immer glänzenderen Leistungen, welche die Schüler der
französischen und spanischen Akademie aufzuweisen haben.
Daß übrigens unsre jungen Landsleute auch ohne eine
Akademie Tüchtiges zu schaffen vermögen, das hat der
letzte Römische Salon, und zwar besonders die Abteilung
der Skulptur gezeigt.
 
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