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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Preisausschreiben - Ausstellungen und Sammlungen - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0355

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Personal- und Ateliernachrichten

zu lenken, und wir können heute schon Mitteilen, daß sein für
den diesjährigen Salon bestimmtes Werk: „Eine Kreuzabnahme
Christi" gewaltiges Aufsehen erregt. — Die Szenerie ist
die des Montmartre. Rechts im Bilde aus der Höhe des
Hügels steht ein Kreuz. Der Hügel sällt links ab und dar-
unter sieht man das weite, halb in Nacht getauchte Paris.
Im Vordergründe einzelne ärmliche Häuser, deren traurige Sil-
houette sich von dem blaugrauen, unendlich melancholischen Himmel
absetzt. Nur auS einem Fenster leuchtet ein kleines Licht. Christus
ist bereits vom Kreuze abgenommen und ruht in seinem Schweiß-
tuche. Gruppen von Männern und Frauen kniecn um ihn. Die
etwas abwärts stehende Jungfrau, die sich auf den Arm des
Jünger Johannes stützt, weint bitterlich. Magdalena zu den
Füßen Christi blickt auf den Leichnam mit verzehrendem Schmerze.

Abseits von diesen Gruppen, dort, wo die „dutte" sich gegen
den Horizont absetzt, steht ein Mann mit struppigem Bart, die
Faust zornig gegen die sorglos in den Schlummer sinkende Stadt
ausgestreckt. Das Sensationelle des Bildes liegt wieder in den
Kostümen und in der Örtlichkeit des Vorganges. Die Männer
sind Pariser Arbeiter in heutiger Tracht. Der Mann mit der
drohenden Faust trägt eine blaue Blouse. Die Jungstau ist wie
eine Frau aus dem Volke in Trauer gekleidet. Der Mann,
welcher die Füße Christi hält, steckt in blauem Trikot mit der bei
den hiesigen Handwerken: üblichen roten Binde umgürtet. Die
vielleicht ein wenig theatralische Magdalena ist eine elegante
Pariserin in Hochtrauer. Über dem figurenreichen Bilde lagert
eine unbeschreibliche Melancholie, die namentlich von dem unbe-
stimmten Halblicht ausgehl. Von künstlerischem Gesichtspunkt,
auf den näher einzugehen, wir uns für die Salon-Besprechung
Vorbehalten, steht das Werk über seinem „Christus bei den Pha-
risäern". Wie es scheint, bezeichnet dieses Bild einen Wendepunkt

in der künstlerischen Bethätigung Berauds. Es gehen allerhand
Gerüchte, als ob der frische, lebensvolle Künstler mit der schlanken
elastischen Gestalt, den frohen dunklen Augen und dem liebens-
würdigen Lachen um die Lippen, sich ganz dieser mystisch-religiösen
Weise zuwenden wolle. Man erzählt, daß er sich von der Welt
zurückgezogen habe und einsam in seinem in der Rue Clement-
Marot gelegenen Atelier, welches, wenn auch keine asketische
Einfachheit, doch eine große Bescheidenheit der Ausstattung zeigt,
ausschließlich neben seiner Arbeit dem Studium der Evangelien
und der Kirchenväter lebt. Und in der That ist es mir seit
einiger Zeit ausgefallen, ihn nicht mehr in den Premieren und
bei sonstigen litterarisch-artistischen Anlässen zu sehen, ihn, der
sonst nie dergleichen versäumte und in einem ihn hochschätzenden
Freundeskreise der beliebteste Kamerad war. Vielleicht hat der
junge Meister sich zur Aufgabe gestellt, Christus
dadurch, daß er ihn in den Kreis unserer modernen
Verhältnisse rückt und ihn des archäologischen Bei-
werkes entkleidet, dem Volke menschlich näher zu
bringen und sein Herz wieder dem großen Apostel
der Liebe zu öffnen. Beraub begegnet, wie wir schon
bei der Besprechung seines Bildes im vorjährigen
Salon gesagt, sich hierin Uhde, nur ist er eben
noch einen Schritt weiter gegangen und hat die
Szenerie nicht in die Mitte der naiveren Land-
bevölkerung, sondern in die der skeptischen Weltstadt
verlegt. Schade aber wäre es doch, wenn dieser
glänzendste, beredteste und geistvollste Schildere!
Pariser Typen und namentlich der Pariserin, ganz
auf diesen Zweig seiner Kunst verzichten wollte.
Thatsache ist, daß Beraub außer dem genannten,
kein anderes Bild in den Salon geschickt hat.

tr. Düsseldorf. Das von dem kürzlich
verstorbenen Genremaler Aloys Fellmann
hinterlasseue Bild „Palmsonntag in der Schweiz"
ist gegenwärtig, zugleich mit einer Kollektion von
Studien, Köpfen, Interieurs und Landschaften in
der Kunsthalle ausgestellt. Das Bild des aus-
gezeichneten Genre- und Sittenmalers, dessen frühes
Lnnscheiden tief beklagt wird, findet lebhaftes
Interesse. Der Vorgang, welcher, wie Fellmann
dieses liebte, dem kirchlich-volkstümlichen Leben der
Schweiz, speziell dem Kanton Luzern, entnommen
ist. gehört zu dem Besten, was der zu früh dem
Leben und der Kunst entrissene Künstler geschaffen
hat. Wir hoffen, das Gemälde unfern Lesern
bald bildlich vorführen zu können. Bei Eduard
Schulte ist eine Sonderausstellung von Werken
des im vorigen Jahre verstorbenen Prof. Heinr.
Lang in München veranstaltet, aus seinem künst-
lerischen Nachlasse; dieselbe findet, namentlich die
vorzüglichen Pferdestücke des verstorbenen Meisters,
großes Interesse und viele Bewunderung. Eben-
daselbst ist eine Kollektion von Bildern eines
jungen hiesigen Künstlers, Paul Neuenborn,
ausgestellt, Porträts und Porträt-Skizzen, Genre-
bilder, Straßenszenen aus Paris, vlämische In-
terieurs, Landschaften mit Staffage und eine Reihe
von interessanten Zeichnungen. Auch diese Zu-
sammenstellung findet ein besonderes Interesse,
weil sich in den so sehr verschiedenartigen Arbeiten
ein nicht gewöhnliches Talent, eine merkwürdige,
vielseitige und für die Zukunft Gutes versprechende
malerische Begabung zeigt, vor allem eine selbständige, scharfe
Beobachtungsgabe für die Erscheinungen in Natur und Menschen-
leben. Insbesondere sind die Pariser Straßenszenen sehr
frappant und geistreich in der Auffassung und Wiedergabe; die
vlämischen Interieurs aber fein in der malerischen Behandlung
und Stimmung. Paul Neuenborn war zuerst Schüler der hie-
sigen Akademie und studierte dann weiter in München, Brüssel
und Paris.

tr. Düsseldorf. Heinrich Bulthaupt in Bremen
hat die ihm angebotene Professur für Litteratur und Ästhetik an
der hiesigen königlichen Kunst-Akademie abgelehnt, da der Senat
von Bremen ihn bewogen hat, seine bisherige Stellung als Stadt-
bibliothekar zu behalten; er erhielt den Prosessor-Titel. Das Be-
dauern, den ausgezeichneten Mann nicht an Düsseldorf haben
fesseln zu können, ist in hiesigen Künstler- und litterarischen Kreisen
allgemein. — Im Sommer d. I. wird eine große Äusstellung
von Kunstwerken geplant, die in hiesigem Privatbcsitzc sind. Die-

Golturrkrauen. von Alexander Struys
 
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