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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Pecht, Friedrich: Die Münchener internationale Ausstellung von 1892, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0387

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30S

Die Münchener internationale Ausstellung von tSY2

Diesmal hat uns übrigens Herr Bisschop nicht seine gewöhnliche Bürgersfrau, sondern im Gegenteil
das Bildnis Ihrer Majestät der allerliebsten Wilhelmine, Königin der Niederlande, in Lebensgröße bescheert,
deren fröhlicher Mädchenkopf gar drollig aus dem steifen Brokat herausschaut, in den sie der Maler gesteckt und
ihr sogar das Bildnis ihres großen Ahnen „des Schweigers", dessen Beispiel sie kaum nachahmen dürfte, in
einem aufgeschlagenen Bilderbuch als warnendes Beispiel zur Seite gestellt hat. Noch interessanter als dies
Bild, ist rein künstlerisch genommen das Bildnis von des Künstlers eigener Frau, in welcher man unschwer
das Original so vieler seiner Jouffrouwen erkennt und die außerdem so klug und resolut behaglich aussieht, als man
dies einer Malersgattin nur wünschen kann. Dabei ist das Bild so sonnig und reich in der die größten
Gegensätze vereinigenden Farbenkomposition, daß es auch von dieser Seite her sehr wertvoll genannt werden
muß. — Neben dieser Dame fesselt uns eine zweite am meisten durch ihre Geschöpfe, da sie Hunde und Katzen
in Frieden und Freundschaft zu vereinigen gewußt. Dies Musterproblem der Erziehungskunst hat Frau Hen-
riette Ronner so glänzend gelöst, daß sie damit eine ganze Wand im holländischen Saal belebt und Julius
Adam beinahe erreicht. Therese Schwartze gibt dann noch ein Bildnis der Spiritistin Fay und ihrer
eigenen Mutter mit bemerkenswerter Feinheit, Donders-Hubrecht das Bildnis eines überaus behaglichen
Herrn Verhulst, Mertens hält gar eine Musikprobe mit uns ab und Th ölen — ein ungewöhnlich feiner
Kolorist — läßt uns über die schneebedeckten Dächer einer großen Stadt wegblicken, wie Louis Apol
über einen gefrorenen Kanal. Rip gibt dann einen Sommermorgen am Zuidersee mit so dicker grauer
Luft, als es in dem amphibischen Holland üblich — die übrigen hat man, wie gesagt, fast alle schon ebensogut oder
besser gesehen, bis auf die Rosen der Frau Roosenboom hinab. — Zwei Kabinette mit Aquarellen zeigen dann
dieselbe ruhige Meisterschaft in der Behandlung, aber es sind doch offenbar alles schon so oft gesungene Bravour-
arien, daß man dies augenblicklich fühlt wie die Verwandtschaft mit den großen Ahnen, die eben eigentlich doch nie
erreicht werden, da die heutige holländische, das nationale Phlegma unverhüllt zeigende Malerei auf allen Reiz
des Details verzichtet und nur auf die Wirkung in der Ferne hinarbeitet, was leicht ermüdet, wenn nicht ein-
mal ein so eminentes koloristisches Talent, wie der verstorbene Mauve der Sache eine neue Wendung gibt.

Ungleich farbiger, lebendiger und mannigfaltiger aber auch unruhiger und zerfahrener wirken die
belgischen Säle; in dieser Beziehung hat sich im Verhältnis der beiden stammverwandten Völker seit dem sechs-
zehnten Jahrhundert kaum etwas geändert, die Holländer sind immer plebejisch, die Belgier ritterlich geblieben,
ohne es doch je zu eigentlicher Vornehmheit bringen zu können, wie ihre Vorbilder, die großen Italiener.
Das sieht man am besten an den acht Bildern für die Dekoration des Rathauses in Brügge, wo sich der
jetzige Direktor der Antwerpener Akademie De Vriendt mit ausgesprochenem Archaismus genau an Memling
gehalten hat, der ja seine Landsleute in ihrer stolzesten Periode schilderte. Da zeigen sie denn auch ganz den
Charakter einer städtischen Geschlechterherrschaft, stattlich und tapfer ohne eigentliche Vornehmheit. Jedenfalls
hat sich aber De Vriendt sehr gut in diese Periode hineingefunden und noch besser in Memlings Art. Viel
eleganter aber auch süßer wirkt dann Karl Ooms, der Rubens in seinen letzten Tagen im Atelier zeigt
und ihn wie die Seinigen glaubwürdig wenn auch etwas zu elegant parfümiert schildert, ziemlich genau wie
es vor fünfzig Jahren schon De Keyser unter ungeheurem Beifall that. Tiefer in die Charakteristik eingehend
erscheint des Geets Predigt der Anna Ayscough (siehe dieses Heft), ein Bild, das auch viel Studium der
Erscheinung zeigt. Ganz die modernste Eleganz atmet daun Rösters „Menuett", eine Ballszene voll süßen
Parfüms, die uns aber absolut nichts weiter erzählt, als daß man da tanzt. Humor zeigt Portieljes
„Erbtante", Van Hove bringt dann eine kleine liebliche Madonna (s. Heft 19) und ein gutes Porträt eines
Geistlichen, Brunin ein virtuos gemaltes „Bildhauer-Atelier" und Havermann ein gutes Porträt, Struys
eine Krankenszene (s. S. 292). Merkwürdige Wahrheit des Tons zeigt van Leemputtens „Heimkehr eines
Bauern vom Felde", und van Courten entzückt uns wieder durch eine seiner goldgelben Herbstlandschaften mit
einer Schafherde. Seeldrayers gibt sogar eine Pferdeklinik sehr wahr (s. S. 314). Das sind alles virtuose
noch mehr als künstlerisch interessante Leistungen, denn Belgien geht zwar längst nicht mehr voran wie in seiner
glänzendsten Zeit von 1830—1848, es hält sich aber doch immer auf einer achtbaren Höhe.

Indem wir nun zu den romanischen Nationen übergehen, beginnen wir einstweilen mit der alten
Mutter der Künste, mit Italien, das auch diesmal sehr reich ausgestellt hat. Freilich kann man dabei nicht
verkennen, daß die italienische Kunst mangels staatlicher Pflege und ausreichender Unterstützung durch die wohl-
habenden Klassen in Italien selber, zu sehr auf den Verkauf und zwar an die Fremden angewiesen ist, sich
also auch mehr oder weniger deren Forderungen und Liebhabereien anbequemen muß. Von einer idealen Welt,
von Religion, Geschichte u. dgl. ist darum kaum mehr die Rede, es konzentriert sich alles auf die Schilderung
des malerischen Volkslebens und der schönen Natur. In beiden haben aber die Italiener eine höchst achtbare
Selbständigkeit errungen und sind weit entfernt wie die Deutschen alles Fremde, auch das Abgeschmackteste
nachzuäffen. Dafür bringen sie freilich auch wenig Neues, ihre Ausstellung ist vor allem ein Markt, den man
mit den gangbarsten Artikeln versah. — Besonders reich ist diesmal die venezianische Schule vertreten, wo
denn auch Nono das beste Bild von allen, eine Mutter mit ihrem Kind voll Seelenangst vor der Madonnen-
 
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