Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Das Museum Cà d'Oro in Venedig
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
eins, in dem jeder Gegenstand ein Kunstwerk ist.
Unter keinem Bild, an keinem Postament einer
Statue oder eines Kopfes findet man einen Zettel
oder auch nur eine Nummer. Absichtlich wurde
jede Erinnerung an Museum und Wissenschaft
vermieden. Ein illustrierter Führer und die Aus-
künfte der sehr gut unterrichteten und taktvoll
auftretenden Aufseher genügen dem Bedürfnis der
Besucher durchaus. So wurde Franchettis Gedanke,
ein Privatmuseum zu schaffen, durchgeführt. Er
wollte ein Haus seiner Ahnen hinstellen, und zei-
gen, was diese kunstfreundlichen Ahnen im Laufe
der Generationen zum Schmuck ihres Daseins in
ihren Räumen hatten, angefangen von den vene-
zianischen Malern aus dem Anfang des fünfzehnten
Jahrhunderts, als sie noch halbdeutsche Muranesen
kauften, bis in die letzten Tage der Republik, wo
man Veduten von Antonio Canale und Guardi
und Genrebilder von Longhi als modernste Kunst
aufhängte.

Die Räume sind nicht voll, unser an zu vielen
Möbeln und Dingen zerstoßener Geschmack würde
sie am Ende gar kahl und dürftig finden. Aber
wenn auf einer Wand vor einem Türkenteppich
auf einer noch vergoldeten gotischen Bank nichts
weiter ist als ein sienesisches Rundbild und zwei
Fronzestatuetten von Riccio daneben, darüber, unter
einem Gobelinstreifen, ein Polyptichon von An-
tonio Vivarini mit Passionsszenen, und an der Wand
sonst weiter nichts als ein paar Bronzereliefs von
Vittore Camelio und je eine Madonna von Cariani
und ein Frauenporträt von Licinio, dann ist dies
nicht nur stilgerechte „Einrichtung", sondern jedes
Stück kommt als Kunstwerk so zur Geltung, daß
man es einzeln genießen kann; alles steht zusam-
men in einer sehr empfundenen und musikalisch
ausgewogenen Farbenharmonie.

Unter den Kunstschätzen des Museums stehen
natürlich die Werke der Venezianer in erster Reihe,
sowohl in der Malerei wie in der Plastik. Außer
den Bildern der Muranesen und des Lorenzo Ve-
neziano, der Vivarini und ihrer Schulen vor allem
die Meister vom ausgehenden fünfzehnten Jahr-
hundert. Giovanni Bellinis „Madonna mit den
schönen Augen" stammt aus der mittleren Zeit des
Künstlers, Carianis schöne Komposition und eine
dem Cariani mit einigem Rechte zugeschriebene
andere Madonna vertreten die reife Epoche dieses
Stils, eine früher auf Boccacino getaufte, jetzt dem

Vicentiner Bartolommeo Montagna zugewiesene
Halbfigur einer Madonna zeigen sowohl die Aus-
strahlung des Stils über die Terraferma hin, als
auch seine Herkunft von dem Mittelpunkt der da-
maligen oberitalienischen Malerei, von Padua, von
Andrea Mantegna, her. Ein großes Altargemälde
von Andrea Mantegna bildet eines der Haupt-
stücke der Sammlung der heilige Sebastian. Es
steht in der Palastkapelle, die ganz aus Marmor
ist, unter einem marmornen Tonnengewölbe und
die weiter nichts enthält als dieses eine Bild. Es
ist ein Spätwerk des Meisters, um 1506 entstanden,
damals, als Albrecht Dürer in Venedig war, das
letzte seiner Sebastianbilder. Mantegna hat ja seine
Anschauung vom menschlichen Körper auf allen
Stufen seiner Entwicklung immer wieder an die-
sem Thema erprobt, dem einzigen Thema, das die
kirchliche Kunst für den männlichen Akt als Einzel-
figur erlaubte. Dieser Sebastian ist gewaltsam und
pathetisch, weniger seelisch tief, als äußerlich auf-
regend und quälend, aber sehr großartig im Kör-
perlichen und von heidnisch-antiker Plastikfülle vor
dem schwarzen Grund. Das Gemälde, über zwei
Meter hoch, befand sich früher in der Sammlung
des venezianischen Kardinals Bembo, der im Santo
zu Padua begraben liegt. Bei ihm hat es schon
der Anonimo des Morelli, Marcantonio Michiel,
gesehen. Gemalt ist es für den Markgrafen Fran-
cesco von Mantua, mit dessen Gattin Isabella der
Kardinal eng befreundet war, ward aber offenbar
nicht abgeliefert. Bembo übernahm dann den Nach-
laß des im Jahre 1506 gestorbenen Künstlers. Später
war es in den Sammlungen Gradenigo und, seit
1810, bei Antonio Scarpa.

Auch der venezianische Quattrocentist Vittore
Carpaccio ist mit Werken vertreten, die schon dem
sechzehnten Jahrhundert angehören, mit einem
Marientod und einer 1504 datierten Verkündigung.

Der Besitz eines Tizian war für Franchetti
jahrelang die große Sehnsucht. Es gibt ja in ganz
Venedig heute keine zwanzig Bilder des Groß-
meisters mehr und Ca d'Oro mußte seinen Tizian
haben. Die große Halbfigur der Venus wird nicht
in allen Teilen eigenhändig sein. Eine Atelier-
variante eines berühmten, oft wiederholten Bildes,
von dem das Urbild bei Marcel von Nemes ist,
aus der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm,
und von dem das Petersburger Exemplar, als Ori-
ginal, den meisten Repliken vorgelegen hat. Als

146
 
Annotationen