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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 4
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Basler, Adolphe: Völkerbund der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0180

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HENRI MATISSE, RUHENDE FRAU

MIT ERLAUBNIS DER D.D.A. (GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN)

Doch nie zwei ohne den Dritten. Warum nicht
Pascin und Modiglianio einen dritten Juden an-
reihen? Der Dritte ist Chagall. Man könnte gut
noch sieben andere rinden, um nach dem Ritus
eine Synagoge zu bilden. Man könnte sogar bis
hundert und mehr gehen, so zahlreich sind die
Juden in der Malerei unserer Zeit, — wenn ich
nicht befürchtete, ein Pogrom unter den Malern
meiner Rasse heraufzubeschwören. Aber Chagall
symbolisiert für sich durch seine Kunst wenn auch
nicht den ganzen jüdischen Geist, so doch mindestens
das, was in einem russischen Juden an Unzusammen-
hängendem, Konfusem und selbst Genialem vereint
sein kann. Das Bedrückte dieses Ghettokindes setzt
sich in eine Art ebenso ausdrucksvoller wie von ver-
rückten Ausschweifungen durchsetzter Bildnerei
um. Er läßt wie in einem üblen Traume Männer
und Frauen über seiner kleinen russischen Stadt
schweben, oder ein Bräutigam fliegt über seiner

Liebsten her, um sie in einer unwahrscheinlichen
Halsverrenkung zuküssen. Chagall wirkt oft rührend
durch seine sentimentale Kleinstädterei, er erhebt
sich sogar bis zum Tragischen im Bilde eines
Judenfriedhofes. Sehr oft charakterisiert er mit
treffender Wirklichkeit Mujiks oder typisch jüdisch,
moskowitische Schwindler; und wenn er aus dem
Delirium, in dem bei ihm alles, Wesen und Dinge,
durcheinander geht, in einen sentimentalen Taumel
gerät, gefällt er sich in einer manchmal mit über-
aus feinem Auge beobachteten Detailmalerei und
findet dann ein sehr seltenes Kolorit, das einen von
der chronischen Hysterie seiner grellen Farbzu-
sammenstellungen ausruhen läßt. Aber sobald ihn
seine „Meschuggenheit" losläßt, wird er platt, ober-
flächlich, sucht er nur den falschen Glanz und
erreicht nichts weiter, als mit leichten Effekten zu
blenden. Er hat im ganzen nichts von der Ge-
wichtigkeit eines echten Malers, er ist nichts als

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