Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

DOI Heft:
Heft 7 (Juli 1926)
DOI Artikel:
Porth, H.: Über Raffael hinaus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0155

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
141

Mlk der Fertlgung von Sktzzen
manch Geheimnls wlr stibltzen,
manche Nutz wird aufgeknackt
und der Znyalt scharf gepackk.

Na, und die Gefühlsbelange?
Darum ist uns gar nichk bange.
An den Linien wie im Lift
unsre Seele aufwärks schifst.

Nur heran mit grotzen Geistern,
alle wollen wir euch meistern.

Mik der Anälyse Gunst
zwingen wir die hchrste Kunst.

''

3a, wlr können'L schon welt beffer,
wir modernen Bildvermeffer.

Teilt die Fläche so und so.
und ihr habk es — ein Tableau.'"

' V'" '' ^ .

BildS

'

Sextanerschuitt zum SSNmoftlm

Äber Rafsael hinaus

H. P o r t h - Gevelsberg.

„Raffael, du grotzer Maler,
biet dir hunderttausend Taler,

— nein, ich will es nicht umsunst —
lehr' mich deine hohe Kunst.

Zwanzig llahre ich mich quäle,
zu erforschen deine Seele.

Niemals fand ich deine Spur.

Gib mir ein'ge Winke nur.

Zwanzig 3ahr hab Ich gepinselt,
um der Muse Gunst gewinselt,
zwanzig Iahre Oel verkleckk,
und ich hab dich nichk entdeckt."

Der dies sprach und also flehte
Und mik Raffael bered'te
in dem Dresdner Kabinekt,
trug Barett und Samtjackett.

llnd es trak zu ihm ein andrer,
wie es schien, Berliner Wandrer.
Deukend hob der seine Hand,
wies auf die Sixkinawand:

„„Wenn Sie vor ein Kunstwerk treten,
hilfi kein Bitken und kein Beten,
hier nur, mik Verlaub und Gunst,
hilst nichks als Bermeffungskunst.

Sehn Sie, ich hab steks, mein Lieber,
Zirkel, Zollstock, Rechenschieber
in der Tasche, und damit
krieg ich jeden beim Schlafikt.

Erstens meffen wir die Höhen
von den KSpfen zu den Zehen,
dann die Breite der Figur,

«nd schon flnd wir auf der Spur.

- Rechks herüber, links hinüher,
dreimal kreuzweis noch darüber
wird gemeffen, doch genau,
nicht dlotz nach der Augenschau.

llnd den Abstand von dem Rahmen,
den die Einzelheiten nahmen,
buchen wir uns Zahl für Zahl,
wir verfahren radikal.

Vertikale sind gefunden,

Punkte wagerecht verbunden,

Schräge unker dreitzig Grad
stellen wir noch separak.

Von den Winkeln zu den Flächen.
Wir notieren Skärken, Schwächen,
und so gehn wir, Schritt für Schritt,
jeweils mit dem Künstler mit.

Seht, so bleibk uns nichk verborgen,
ob er einst sich mutzke sorgen
um 'ne „Drei" in Math'matik,
Algebra und in Phystk.

Läßt er reichlich Kurven schwingen,
wird's ln seiner Seele singen
von der weibltchen Natur.

Sehn Ste, wieder eine Spur.

Hält's der Maler mit den steifen
Linienzügen, Farbenstreifen,
fehlt die Welle seinem Äild,
hebt den Mann er auf den Schild.

Vieles, was man sonst nicht wühte,
das erhellt aus dem Gerüste,
in dem Aufbau steckk Gesetz,
manch Problem im Liniennetz.

Rhythmen und Zusammenhäng
Drei- und Vier- und andre KU
weisen wir dem Schöpfer nach.
Anders llegk die Seele brach.
 
Annotationen