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Aus dem Wiener Künstlerhause.
Aufsehen erregt hat, bekundet auch durch das kleine
Genrcbild im Künstlerhause seine große Begabung.
Nichts als einer jener erblindetcu alleu Geigcr, welche
in eiuigen Pariser Passagen wortlos bcttclnd hernm-
stehen; aber ciuc ganze trübe Lcidensgcschichte erzählt
uns der trotz allcr Aermlichkeit auständig ansseheude
Greis, an dessen Geigc die Saiten gesprungen sind, so
daß sie uur mchr als Aushäugeschild für das trostlose
Gewcrbe des Alten zu dieneu vermag. Wilhelm von
Leopoldski, den man, obgleich cr an der Wicner Aka-
demie studirt hat, doch nicht zur Wicuer Schnle zählen
kann, ist plvtzlich wieder hervorgetreteu uud hat die Er-
wartungeu, die er vor zwei Jahren rege gemacht, in
erfrculicher Weise erfüllt. Seiu Bilduiß eines Prälaten
ist ganz mcisterlich gcmalt in energischer Charaktcristik
und breitcm, fettcm Kolorit. Auch sciu Historicubild
aus der polnischen Rcformationszeit, welchcs der Katalog
mit dcm zum Vcrständnissc nicht nothwcndigeu Kom-
mcntar begleitct, daß da cin freisinuiger Schriflstcller
uuter dcn Händen der Jesuitcn seincu Geist aushaucht,
vcrdient alle Ancrkeiinung; nur glauben wir, daß die
großen Dimensionen dem Eindrucke der bloß aus zwci
Figuren Lestehenden Kompositiou Eintrag thuu, und daß
das feine psychologische Detail bci intimcrer Anlagc des
Bildes sicherlich mehr zur Geltuug gekommen wäre.
Jn dcr Haltung und im Kolorit geht der Künstler
seinen eigenen guten Weg; möge er ihn, ohne Origi-
nalitätshascherei, in ruhigcr Entwickelung vcrfolgeu!
Schließlich sei eine Pietä von Bouguereau erwähnt,
bei welcher dieser Akademiker seiner süßlichsten, gelecktesten
Manier freien Lauf gelassen hat. Ohne die zahlreichen
Vorzüge zu verkennen, welche der korrckten sein geführten
Zcichnuug und dem gut gcstimmtcn anmuthigen Kolorit
imicwohiieu, möchten wir doch uicht, daß diese Schulc
bei uns Boden fasse; solch' eine raffinirte und zum Theil
höchst vcrfehltc Hciligcumalerei — der Frauzose trägt
beispielsweise den Heiligenschein über den Häuptern der
Madouua uud des Leichnauis Christi ganz realistisch iu
wirklichcm gleißendem Gold aufl — überlassen wir
neidlos dcu Frauzoscu, wclche übrigens Bouguereau
nicht zu ihreu ersten Größen zählen, obschon er im
vorigen Jahre eincu Sitz in der Akademie erruugen.
Jn der Landschaft treten die zu Gast geladencn
Franzosen doniiuirend auf. Von Daubignh ist eine
1876 gemalte, sehr flott und stimmuugsvoll behandelte
Landschaft zu sehen; der feine silbcrgraue Ton der Luft
und die Kraft, welche der Künstler seinem Grün zu
geben wciß, erweckcn allerhand Neminiscenzen an die
altcn Niederländer. Geradezu an Jakob Ruhsdael reicht
cin Landschaftsbildchen von Duprs heran, das wir
trotz seiner geringen Dimeusioncn den besten Arbeitcu
dcs Küustlers beizählen. Noch zwei Meister dcs
iutims habeu sich eingestellt: Diaz mit ciner winzigen,
23k
uud
c ivenijp'
überaus si>-
dics
aus kleinen Farbcnflcckcn bestehcnden aber wundei°°
wirkenden Skizze, welche den großcn Virtuosen der Sti»>
mung vou seiner interessautestcn Seite zeigt "
mit eiueni grvßercn Bilde, das 'im Vordergrunvc
anspricht, im Hintergrundc abcr zu ciner
muthigeu, poesicvollen Stimnmng sich erhebt, w>c
bei diesem Mcister, und auch bei Rousscau, s° h» ^
dcr Fall ist. Frouientiii ist durch eiue FarbeiiskM
„Araber zu Pferd" vertrcten, an der man dic schwb
Zcichnung uicht mindcr bewundcrt, wie den koloriltisäh»
Effekt. Freilich, weuu mau die Zeichnuuge» diesc
Künstlers keunt, welche Burth kürzlich iu ausgezei
neteu Facjimilc-stiadiruugeu von Moutcfiore Heiai»
gegebeu hat und wenu uiau eiumal ciuigc Farbenstm»'
dcs verstorbeucu Küustlers gesehcu, dauu begreift i»°"
seine iu gcwijsem Sinue kaum zu überbietcndc Meiikc»
schaft. Nebcn dicscn Werken kaun sich nicht behauptc»-
was sonst an Landschafteu ausgestcllt ist; doch vcrdu'»
das hübsch empfuudene und feingestimmte Bildchcw
„Am Ufer der Tougue" von Otto von Thorc»
wähnuug. Der Künstler, cin Schülcr dcr Wiener W-
demie, lebt bekanntlich seit mehrercu Zahrcn >» P»''^
und ist iu Stoff und Behandlung seiuer Bilder g»»'
Franzosc geworden. An der guten Marinc von l'-
Nielscn, eincm Schüler Gude's, der jetzt in Wü'ch»»
lebt, dürfen wir auch nicht vorübergehen; sic stekkh
noidische Strandgegend bei heranziehcudcm Stnrnic
uud fesselt durch die gutc Behandlung des Wassü
und die iutcrcssaute, der Natur trcfflich abgelanschte b'
leuchtuug.
In neuestcr Zeit hat die Lcitung des Künstlerha»^
mit Recht auch die gegenwärligcu Lcistungcn dcr giap»
schen Küuste in den Bercich dcr Ausstellnng
uud wiederholt modernc Blätter, die sich im Pv'»»^
besitze befindeu, dem Wicuer Publiküm vorgcführt, wUch»
au diesem Zwcige der Kunst bishcr uoch lange n'ch
jencn Antheil niuiuit, dcsscn derselbe sich iu Pariö
langer Zeit und seit elwa cinem Jahrzehnt anch
London crfreut. Zwar hat Wien geradc in dcn lctz»»
Jahren hervorragende Lcistungcu auf Liesem Gebietc
Wcge gebracht — wir eriuneru nur an die leider »»-
in den Handel gekoiumenen Publikalioncn deS kais.Ol'°»h
kämmerers Grafcn Crcnucville, die Publikationcli
„Gescllschaft für vervielfältigcnde Kuust", an das g»»l»
Belvcdere-Werk, wclches iu Radirungeu vou Ungc»
Tcxt von Lützow bei Miethkc erscheint, dami an die h»/'
schen Blätter des Kaeser'schen Verlages — alleiu es -st
offencs Geheimniß, daß diese Publikationen ihr Publik'»'
zum allergrößten Theile im Auslande, iu Dcutschl»'»'
Englaud und iu den Vcreinigtcn Staatcn habetn
dieser Hinsicht einc Aenderung zum Bcsscren herbcii'»
führen, ist Aufgabe der Wicner Kunstinstitute, nnd »'»
diesem Grunde wünschcn wir, daß das Künstlevh»""
Aus dem Wiener Künstlerhause.
Aufsehen erregt hat, bekundet auch durch das kleine
Genrcbild im Künstlerhause seine große Begabung.
Nichts als einer jener erblindetcu alleu Geigcr, welche
in eiuigen Pariser Passagen wortlos bcttclnd hernm-
stehen; aber ciuc ganze trübe Lcidensgcschichte erzählt
uns der trotz allcr Aermlichkeit auständig ansseheude
Greis, an dessen Geigc die Saiten gesprungen sind, so
daß sie uur mchr als Aushäugeschild für das trostlose
Gewcrbe des Alten zu dieneu vermag. Wilhelm von
Leopoldski, den man, obgleich cr an der Wicner Aka-
demie studirt hat, doch nicht zur Wicuer Schnle zählen
kann, ist plvtzlich wieder hervorgetreteu uud hat die Er-
wartungeu, die er vor zwei Jahren rege gemacht, in
erfrculicher Weise erfüllt. Seiu Bilduiß eines Prälaten
ist ganz mcisterlich gcmalt in energischer Charaktcristik
und breitcm, fettcm Kolorit. Auch sciu Historicubild
aus der polnischen Rcformationszeit, welchcs der Katalog
mit dcm zum Vcrständnissc nicht nothwcndigeu Kom-
mcntar begleitct, daß da cin freisinuiger Schriflstcller
uuter dcn Händen der Jesuitcn seincu Geist aushaucht,
vcrdient alle Ancrkeiinung; nur glauben wir, daß die
großen Dimensionen dem Eindrucke der bloß aus zwci
Figuren Lestehenden Kompositiou Eintrag thuu, und daß
das feine psychologische Detail bci intimcrer Anlagc des
Bildes sicherlich mehr zur Geltuug gekommen wäre.
Jn dcr Haltung und im Kolorit geht der Künstler
seinen eigenen guten Weg; möge er ihn, ohne Origi-
nalitätshascherei, in ruhigcr Entwickelung vcrfolgeu!
Schließlich sei eine Pietä von Bouguereau erwähnt,
bei welcher dieser Akademiker seiner süßlichsten, gelecktesten
Manier freien Lauf gelassen hat. Ohne die zahlreichen
Vorzüge zu verkennen, welche der korrckten sein geführten
Zcichnuug und dem gut gcstimmtcn anmuthigen Kolorit
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bei uns Boden fasse; solch' eine raffinirte und zum Theil
höchst vcrfehltc Hciligcumalerei — der Frauzose trägt
beispielsweise den Heiligenschein über den Häuptern der
Madouua uud des Leichnauis Christi ganz realistisch iu
wirklichcm gleißendem Gold aufl — überlassen wir
neidlos dcu Frauzoscu, wclche übrigens Bouguereau
nicht zu ihreu ersten Größen zählen, obschon er im
vorigen Jahre eincu Sitz in der Akademie erruugen.
Jn der Landschaft treten die zu Gast geladencn
Franzosen doniiuirend auf. Von Daubignh ist eine
1876 gemalte, sehr flott und stimmuugsvoll behandelte
Landschaft zu sehen; der feine silbcrgraue Ton der Luft
und die Kraft, welche der Künstler seinem Grün zu
geben wciß, erweckcn allerhand Neminiscenzen an die
altcn Niederländer. Geradezu an Jakob Ruhsdael reicht
cin Landschaftsbildchen von Duprs heran, das wir
trotz seiner geringen Dimeusioncn den besten Arbeitcu
dcs Küustlers beizählen. Noch zwei Meister dcs
iutims habeu sich eingestellt: Diaz mit ciner winzigen,
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muthigeu, poesicvollen Stimnmng sich erhebt, w>c
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dcr Fall ist. Frouientiii ist durch eiue FarbeiiskM
„Araber zu Pferd" vertrcten, an der man dic schwb
Zcichnung uicht mindcr bewundcrt, wie den koloriltisäh»
Effekt. Freilich, weuu mau die Zeichnuuge» diesc
Künstlers keunt, welche Burth kürzlich iu ausgezei
neteu Facjimilc-stiadiruugeu von Moutcfiore Heiai»
gegebeu hat und wenu uiau eiumal ciuigc Farbenstm»'
dcs verstorbeucu Küustlers gesehcu, dauu begreift i»°"
seine iu gcwijsem Sinue kaum zu überbietcndc Meiikc»
schaft. Nebcn dicscn Werken kaun sich nicht behauptc»-
was sonst an Landschafteu ausgestcllt ist; doch vcrdu'»
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demie, lebt bekanntlich seit mehrercu Zahrcn >» P»''^
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In neuestcr Zeit hat die Lcitung des Künstlerha»^
mit Recht auch die gegenwärligcu Lcistungcn dcr giap»
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kämmerers Grafcn Crcnucville, die Publikationcli
„Gescllschaft für vervielfältigcnde Kuust", an das g»»l»
Belvcdere-Werk, wclches iu Radirungeu vou Ungc»
Tcxt von Lützow bei Miethkc erscheint, dami an die h»/'
schen Blätter des Kaeser'schen Verlages — alleiu es -st
offencs Geheimniß, daß diese Publikationen ihr Publik'»'
zum allergrößten Theile im Auslande, iu Dcutschl»'»'
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