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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 13.1878

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Woltmann, Alfred: Die Todesbilder in Chur, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5787#0147

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283

Die Todesbilder in Chur.

der Maler die lateinische von 1542 bcnutzt, denn nur
diese hat die von ihm zu drei EinleitungSbildcrn repro-
ducirten Ueberschriften: orss-tio, pseoutuin, mslsäistio,
sowie die von der Ausgabe des Jahres 1538 im Wort-
laut abweichende Bibelstelle zum Schiffer. Aus Platz-
mangel sind die Ueberschriften der Wandbilder öfter
gekürzt; sonst kommen nur kleine orthographische Ab-
weichungen und ein paar Versehen vor. Mitunter hat
auch das Citat nach der Bibelstclle, um den Raum
gleichmäßiger zu füllen, eine andere Abkürzung: Miuo.
statt 11m., Loolssi. statt Lools., und nach der Zahl ist
einigemal Oux. hinzugefügt. Man wird dem Malcr
zutrauen, daß er diese sechs Buchstabcn aus Eigencm
geschöpft. Bögelin freilich sindet hierin cinen Anhalt,
um darzuthuu, des Malers Quelle könne keine der be-
kannten Ausgaben der Todesbilder, sondern nur eine
unbekannte, schon früher existirende Sammlung von
biblischen Sprüchcn gewescn sein.

Bei den Bildcrn selbst wurde der Maler in der
Trcuc der Wiedergabe durch den Raum bcschränkt. Das
Fachwerk über der Wand nöthigte ihn, allc Scenen, die
siebente über der Thüre ausgcnommen, paarwcise zu
kombiniren; die drei ersten Felder gaben sogar je zwei
vereinigte Scenen als zusammenhängende Komposition.
Meist ergab diese Paarung sich bequem aus dcr Bilder-
folge, einnial aber, bei Herzogin und Krämer, fiel sie
dem Gegcnstande nach uugeschickt aus. Nicht für alle
Kompositionen aus der Holzschuittfolge reichtc die Wand-
fläche hin, es fehlen der Kardinal, dann der Arzt und
der Sternenseher, die gerade den Naum der zweiten
Thüre gcfüllt haben würdeu, dcr auf andere Weise er-
setzte Graf, das Jüngste Gericht und das Todeswappen.
Letzteres aber könnte sich einst, statt am Ende, am An-
fang, in dem jetzt lcercn Felde übcr der erstcn Thüre
befunden haben. Jmmerhin hat der Maler so wenig
wie möglich ausgelassen, die Kompositionen: Gebeine aller
Menschen, Schiffer, Alter Mann hat er verkleinert im
Hintergrunde anderer Bilder angebracht, und zwar an
der Stellc, die sic in der gedruckten Reihenfolge ein-
nehmen. Alle Bilder sind von derselben Seite wie die
Holzschnitte, mit Ausnahme des I I., des Bischofs, aber
dics Bild ist auch 'sonst stark vcrändert und auf ein
sehr schmales Format rcducirt, so daß auch die Hirten
im Hintergrunde weniger an Zahl und abweichend in
ihren Stcllungen geworden.

Waren diese Modifikationcn bloß aus räumlichcn
Gründen erfolgt, so wurden aber anch schr einschneidcndc
Aenderungen, die den Geist des Werkes selbst betrafen,
vorgenommcn. Aus der Stimmung der Ncforniation
und des Bauernkriegs sind Holbcin's Todesbilder her-
vorgegangen, das goß ihnen deu schärferen satirischen
Geist cin und gab ihrcr großartigen Jronie cine ge-
stcigerte Wirkung. Jm Hause des Bischofs konnte man

281

Krche

esen Hohn gegen den Klerus nnd die römische
' brauchen, nnd der Maler hatte die Aufgabe, «uw
^"^^c zu tilgen. Bei deni Papst fehlen Z»-
Teufel, der, welcher auf ihn laucrt,
oer schwebcnde mit dem Ablaßbrief. Den Kardimih
rcr beim Ablaßwucher dargestellt ist, ließ der Malcr
nnn uberhaupt fort. Bci dcni Bischof ist der weg-
austi, e Mönch nntcr den Hirten weggeblieben. Bci»>
erm^-nd wenigstens Jnful und Hirtenstab, »üt denc»
^ c,,"" ^"-lzschnitt sich grottesk ausgestattet, untcu

Stelle der Nonne, die am Altar lnict
sich dabei gegen ihren Buhlen umwendet, der n»t
dette sitzt, ist ein Mädchcn wclt-
i,„ 6esetzt, ""d damit ist das Motiv sei»eS

wi sten Kcrns beraubt, was noch anderc Abschwäch»»'
fehlt, durch andere Mch"-»b
rvpfc, d,e Beziehung des Blickes zwischen bcidcn
^iliebten, dann das Auslöschen dcr Altarkerze durch
ti, Ebenso war nun auck die kühne P»-

^ deu Tagen des Bauerukriegs: dcr

sckü der gegen dcn Grafen das Wappc»-

fwt-s/ sunz unzeitgemäß. Daher ward diesc-

b^i-??^ der Maler, der hier nicht H»l-

n nachbilden konnte, reproducirte Dürer's allbekanntc-

kürist!, ""^ Teufel", das hier ziemlich

auck s,„n'^r!"^ llebrigens entlehnte der Mal"
, / ^ V benützte, wie aus Bögelin's Darstcllunb
Z folgcrn -st, siir die Landschaft zuu, Abt den Hi»----

Geora m " Kupferstich „Virgil im Korbe" »»»
G °rg Prnez 87). Vögelin freilich zieht v°r,

dani/ über Chur reisen zu lassen, w° "

d - n ans den Wandbildern jenen Hmtergruud k°P"-
sir siinen Stich „gedankenlos entlehnt" habe-
n.„- d-e vorkommen, sind

sckrä^t '"^.dccduktwnen, wie die räumlich gcbotenc Ms
chranknng ,n der Breite sie „stt sich bringt. Dab--
°u den Originalen manches aufzuopfern, wurde °"»
' ^ leichter, als er die feineren Intentionc»

Nachweisi

dcs Künstlers nicht immer verstand. Zum - .

müssen wir uns hier an die Proben haltcn, die->°»
in Lithographien mittheilt. Daß wir dics dürfen,
aus seinem im „Freien Nhätier" gegcbcuen Hinwc's
diese Publikation hervor, „welche die bedeutendstcn
für die Entschcidung der Originalitätsfrage iiiaßgc°c
Bilder iu einer mit höchstem tünstlerischem Berstä--''-
gefcrligtcn Nachbildung zur allgemeinen Kenntniß b»"»
wird

diest

sammt dem Adam, der die Erde baut. Die Zusai»-»

Tafel I zeigt die Vertreibung aus dem P-"'"

fügung ist keine sonderlich geschickte, der erstc -lb'^
rennt dem zweiteu gerade auf den Leib. Dic ^

sind schwammig, die Gesichtcr skrophulös gedunscn,
drei vordcren Figuren haben einen abscheulichen F"'
 
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