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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 13.1878

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Abrest, Paul d': Der Salon, [1]
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635

Der Salon.

636

Rahmen, innerhalb dessen er gewohnt ist, seinen Pinsel
spazicren zu fiihren!

Die Apotheose des iin letzten September verstor-
benen Präsidentcn der französischen Rcpnblik ist jeden-
salls gnt entwvrfen, wenn auch die Auösührnng selbst
nianches Vvn der herben Kritik verdient, die das Bild
erfährt. Thiers, auf dessen geistvolleni, hier nicht ganz
treu wiedergegebenem Antlitz die fahle Verklärung deS
Todes sich gelagert hat, ruht in der Mitte des Bildes
auf ciner Art antik gefvrmtem Rnhebctt. Ein weißes
Gewaud deckt den Körper biS an den Hals. Unten
fieht man ein schwarzes Crnzifix und eine Menge
bunter Ordenssterne. Die goldenc Kette des Vließes
schimmcrt um den Hals des Verstvrbencn. An dieser
cigenthümlichen Bahre steht Vvrne ein Gcnius mit
herzlich schlecht gemalten Flügeln und zeigt mit cincr
Geberde, dic mehr Burschikoses als Feierliches an sich
hat, gen Himmel. Blickt man empor, so entdeckt das
Auge in den Wolkcn allerhand dahinjagende Gestalteu,
wie im chritten Akt der Walküre. Es sind in matten
Umrissen gczcichnete Grenadiere der RevolntivnS-Armee
und Reitcrschwadronen des kaiserlichen Heeres: eine An-
spielung anf dcn Geschichtsschreibcr der beiden denk-
würdigen Perioden. Zu rechter Hand der Bahre steht
das trauernde Frankreich mit dem Gesichte gegen die
Leiche gewendct. Der schwarze Flor, welcher die Ge-
stalt nmhüllt, hindert nicht, den üppigcn wohlgerundetcn
Körperbau zu würdigen; die fleischigen Arme drängen
sich unter dcm Trauergewande hervor und das schwache
schwarzseidene Gewebe läßt den Ton der Fleischfarbe
wie durch das Gewand einer Tänzerin durchschimmern.
Die Tranernde ist gesund und robust; ihre Trauer mag
aufrichtig scin, aber sie wird dem Schmerze nicht unter-
licgen. Dic Gestalt senkt in dcr rechten Hand eine ge-
waltige Tricolvre, dcrcn dreifarbiges Tuch den unteren
Thcil des Körpers bedeckt, deren Zipfel den Boden
strcifen. Neben der Bahre sind riesige Kränze anfge-
speichert.

Zu beiden Seiten der Hanptfignr hat der Maler
zwci Episvden angebracht, die viel schärfer bctont werdcn
müßten, um den gewünschten Kvntrast zu bewirken. Auf
der einen Seite liegt, in ticfes Dunkel gchüllt, das
flammende Paris des Bürgerkrieges, rings herum die
Forts und Basteien, deren Feuer allein die Scenerie ge-
heimnißvoll und spärlich belenchtet. Jm Vordergrund
beinahe zn Füßen des Genius liegt dahingestreckt ein
ebcn getödtcteS Weib mit klaffender Wunde, aus welchcr
noch das Blut rinnt, und neben ihr cine halb crloschene
Fackel: dic Commune. Auf der anderen Seite das
Paris des Friedcns in der Abendröthe eines Sommcr-
tages. Die auf dem ersten Bilde flammenden Monu-
niente stchen hier unversehrt oder neu aufgebaut da.
Ein Tranerzug mit militärischer Bedcckung und von

'iinn, >iaiken Mcnschentrvß begleitct, schreitet langsam
l^iv Straße; cS ijt die letzte Thiers dargebrachtc
7" ^7'^! deideu Seitengrnppen sind selbjtvcr-
ain n; owl klciner auSgeführt alS die Hanptgruppc:
>an onnte sie »ls Traumgebilde betrachtcn, wclchc
vcrgangenhcit und Zukunft vorsteklen, während die
Aki 7 ^nippe die mvincntane Wirklichkeit bcdcntet.
r.sind nicht richtig beobachtct. Da
niig^ ^ikert z. B. zu den Miniatnr-Forts, dic in die
^vizjchachtel eines Kindes hincinpassen würdeu, einc
6;^^/ welche ungefähr die nämliche

^-.^7 ^'ie der ^eichnam vou Thiers, die traucrndc

O.atl.ia der Genius, d. h. Lebensgrvße. Und der
rnzigc ^.vdteuwagen, die lächerlich kleincn Pferde auf
iim anieienFlügel! Es blcibt daher stattdes gcwünsch-
"bi ünibjichtigten Kvntrastes wcitcr uichts als der
e nndruck ciuer mangclhaftcn Disposition des Gc-
ma ics. Vibert ist offenbar ängstlich zu Wcrk gegan-
8 », denn, wcnn er scinem Naturell die ZÜgel schicßeu

leicht dcn Karrikaturistcu,

- -... <r>ie

ließe, so würde nian ihni .

77" svlches Wcrk gar nicht paßt, ansehcn. Dic

vlüichtung, daß ihn xin Vorwnrf tresfen köiiutc,
örachte dcn Maler dahin, das Kind mit dem Bade aus-
Znschnttcn. Er bcraubte sich sclber eincs jeden Ncrvs,
nni es mangelt bei allcr Ncichhaltigkcit der Concep-
ii n i im Bilde an jenem Schwunge, wclcher Gemäldc
ie,er Art vvn dcn, Banne des Gewvhnlichcn und
ig n)en cilösen mnß. Wie anderS nimnit sich da dic
icre, ,„i Format viel redncirtcrc Apothcose Thiers
m leni Bilde dcS H. Garnier ans! Diesc Apotheose
ciue Allcgorie, svndern der regierungsfähigen pa>-
amen aiische,, Wirklichkeit entnonimen. Da gicbt cs
em cktom Ucbcrirdisches, und doch hat Garnier, der eiuc
--! irffi ie S:on„e gcmalt hat, fnr die Vcrhcrrtichung des

-Ltaatsmannes „,chr geleistet als Vibcrt mit sci-wn
») -vlogischcn Anwandlnngen. Ein Satz iu kräftigc»'
wrretter Prvsa richtet mehr'ans, als cin Bündcl scick'tcr
Begcbeuheit, dercn sich Garnicr für dci'
i vurf eineS Bildes bemächtigtc, war solgcndc.
m " v Zcihres,' genau cin Zahr bcvor

i7>-77-»icderschricben, herrschte in Vcrsailtcs
g vße Ansregnng unter dcn Hclfershelfcrn dcr Bcrschwö-
>.g >-1 in i g. Biai. Fonrton kündigte dcrAbgeordneteu-

mmmer dic ihr bcvorstehende Auflösung an. Er ka-n
de. '7 "7 Bcfreinng des TcrritoriumS, auf d-c
> schc ^ccupationsariucc zu sprcchen. Wic von cincitt

au^v77 ^"^a'-ckt, wendete sich dic ganzc.

ws 363Mitgl,edcru bestchende Majorität zu ThierS hi->.
V 7 ' " 7" ^uude zeigten nach seinem Sitze, H»n-
derte von St.mmen riefen: „Das ist der Befrcicr." Es

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fvlgte eine beifpielslofe Ovation, die minntcnlang ^
danerte, zum Entsctzen und zum Aergerniß dcr N>>
nijter, welche auf thörichte Wcise diesen Auftritt p>ö
 
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