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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 13.1878

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Rosenberg, Adolf: Die Ausstellung der französischen Kriegsmaler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5787#0355

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699

Die Ausstellung der französischen Kriegsmaler in Paris.

700

Journale hatten schon Wochen lang vor dem Erschei-
nen des Bildes dafiir gesorgt, die Ncugier ihrer Leser
durch allerhand niysteriöse Andeutungen zu reizen.
„8ulnt uux 6168868" — so sollte das Bild heißen, das
eine Episode aus den erbitterten Käinpfen um den
Weilcr Le Bourget vvr Paris darstellt. 8nlnt unx
0168868 — also eine Huldigung der strenßischen Sie-
ger-vor den verwnndeten Helden der Restnblik! Jn-
dessen ivar die Freude der Chauvinisten vergeblich.
Erstlich hatte der Maler fiir den Katalog, der bei
Gonstil L Co. ausgegeben wurde, cinen anderen Titel
gewählt — er nannte sein Bild einfach l-6 Lonrxst
(30. Oktvber 1870) — nnd zweitens hat er in seiner
Darstellung daS französischc und das preußifche Ele-
ment so glcichmäßig und mit derselben Liebe behan-
delt, daß man ebcnsvwohl eine Glorifizirung der
prenßischen wic der französischen Tapfcrkeit darin er-
blicken darf. Von einer Huldigung der Sieger ist
jedenfalls auf dem Bilde nicht die gcringste Spnr zu
sehen. Nenville hat deni furchtbaren Kampf, der sich
am 30. Oktober um Le Bonrget entspann und der
cine der glänzendsten Seiten der beiderseitigen Kriegs-
geschichte fiillt, ein bedentsames knnstlerisches Dcnkmal
mit einer Unpnrtcilichkeit gesetzt, die ihn in hohem
Grade ehrt.

Der General Ducrot — an seine Darstellung hat
sich dcr Maler gehalten — erzählt, eine ganze Divi-
sion der preußischen Garde hätte Le Bvurget ange-
griffen und das Dorf ervbert. „Alles schicn beendet.
Aber in der Kirche des Dorfes lcisteten noch acht
Offiziere nnd etwa zwanzig Menschcn — Soldaten
von den Depots der Garde, Mobilgarden und Franc-
tireurs der Preffe — Widerstand. Sie vcrtheidigten
sich mit der äußersten Hartnäckigkcit, nnd man mußte
sie dnrch die Fenster erschießen nnd Kanvnen herbei-
schaffen, um die Trnmmer dieser tapferen Trnppe zur
Uebergabe zu zwingen." Da das deutsche General-
stabslverk seine Darstcllnng noch nicht sv wcit geführt
hat, sind wir nicht im Stande, dic Wahrheit der
angenscheinlich gefärbten Erzählung des Generals
Ducrvt zu kontroliren. Daß aber um die Kirche des
Dorfes ein heftigcr Kampf gesührt wnrde, wird anch
anderweitig bestätigt.

Anf dem Bilde sieht man zur Linken des Be-
schaners die furchtbar zerschossenc Kirche. Zur Rechtcn
zieht sich die Dorfstraße in den Hintergrund hinein,
anf der sich die Artillerie, die ebcn ausgesessen hat,
im Trabe abwärts bewegt. Die Fenster der Gebände,
welche den Platz vor der Kirche einschließen, dic
Breschen in der Kirchmancr, durch welche man hincin-
geschoffen hat, nnd die Leitern, die an den Wänden
lehnen, sind mit preußischen Soldaten besetzt, die mit
gespannter Ansmerksamkeit anf die Kirchthür blicken,

die sich eben geöffnet hat. Anf dem Platze vvr der
Kirche stehen prenßische Gardisten, alle das Gewehr
im Anschlag, und in ihrer Mitte französische Gefangene
nnd Blessirte, welche sich ihrc Wnnden verbindcn. Äm
Vordergrund links, den Nücken dem Beschauer zuge-
lehrt, steht ein Preußischer HLuptmann, eine der besteu
Flguren des Bildes, die mit größter Sorgfalt uud
mit sichtlicher Liebe durchgesiihrt ist, stramm uud
ilnd propre — nur die hoheu Sticfclu sind mit Koth
bespritzt — wie auf dem Paradeplatz, in der Rcchtcn
dcu gezogenen Degen. Aller Augen richtcu sich auf
die Kirchenthür: zwei Soldatcn tragen auf einci»
Stuhle cinen todtwunden Ofsizier hinaus, ihnen solgt
das kleine Häuflcin, welches die preußischen Kugclu
veischont haben. Zn dcr ergreifenden Situation stimiut
der tiübe Himmel, der eben erst seiue Fluthen auf die
zertrümmerten Häuser nnd den Verzweiflungskampf
ergossen hat.

Der Maler hat für dieses Bild sehr eingchende
Studien geniacht: cr hat sich längere Zcit in Mctz
aufgehaltcn, uin sich die Detailkenntnisse, die für eiuc
trene Dar,tellung der deutfchen Soldaten nvthig wareu,
zu erwerben. Bleibtreu und Hünten siud iu den Dc-
tails dee llniformen und Waffen nicht sorgfältiger als
Neuville. Es stimmt alles bis auf den letzten Kuopf,
uud damit fällt einer der Hauptvorwürfe, welche man
den franzo,ischen Kriegsmalcrn bishcr machcu uiußte.
un russischcr und ein prcußischcr Helm war auf dcu
sianzösischen «chlnchtenbilderu nicmals zu untcrscheideu.
Seitdem Sfeuville seine Studicn an der Quelle gc-
macht hat, ist das anders gewvrdcn. Wcit entferut,
kvmisch zu wirkeu, imponiren seine Bilder durch dic
treue Wiedergabc der Details deu, militärisch geschultcu
Auge ebensv sehr wie dem Laicn durch den Glauz
si ines Kvlvrits, durch die Energic seines Vortrags uud
uich^ die dramatische Belebung seiner Komposition.

Von den drei andcren Bildern Neuville's stellt
aS eine emen Gefangenentranspvrt auf dcr Rvute
nach Straßburg, das andere das Verhör ciucs aufgc-
fangenen Preußischen Couriers und das dritte den
c ierfall eines Detachemcnts dcr Armee Bourbaki's
cnrch eine prcußische Heeresabtheilung in einem Dorfe
dcs Jura dar. Jn allen diesen Bildern spricht sich
em femer künstlerischer Geist aus, der, ohne nach
grcllen Effekten zu suchen, doch alle malcrischen Mittel
m den Kreis seiner Berechnung zieht, um durch das
Bnsammenwirken von Licht, Ton, Stimmung «nd
Handlung seine Absicht zu erreichen.

Am ursprünglichsten zeigt sich jedoch die fnsche
-cbendigkeit des Neuville'schen Griffels in einer Serie
vvn Federzeichuungen, welche zu der Jllustration cines
Romanes von Quatrelles: ^ couxs cko kuml diencn, i"
>veli)em mit grcllen Farben die Vertheidigung cinei
 
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