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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 13.1878

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Hach, Theodor: Miniaturgemälde nach Wohlgemuth in einem Gebetbuche der Münchener Bibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5787#0411

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811

Miniaturgemalde nach Wohlgemuth iu einem Gebetbuche der Münchener Bibliothek.

Vcrkiindigung Mariä gcmalt ist, die Randvcrziernng
lcdiglich ans Nankcnwerk bestehd

Anf Fol. 94» bcginnt das Gebet zu S. Cosmas
nnd Damianns. Hier sind in der Jnitiale I) dicse
beiden Heiligcn mit ihrcn gewöhnlichen Attribnten, dcn
Arzucigläsern, in der Hand dargestellt. Schr bszcichncnd
nnd nicht ohne den Anflng kvstlicher Jrvnie ist dabci
dcr nntere Rand diescs Blattes mit eincr Scene aus
dem Todtentanz verziert. Die Gestalt dcs Todes, in
brännlichem Tone und noch nicht in der später so be-
licbt geivordenen abschrcckenden Form des Skelettes,
sondcrn nnr dnrch die Farbe und die Schädelbildnng
gekennzeichnet, saßt cine Jnngfran, die sich von ihm
abwendet, am Arm, sie mit sich fortziehend. Gestalt
und Ausdruck der Jnngfrau sind sehr anmnthig, die
Farben edel.

Die Bilder in den übrigen Jnitialen, theils
Scenen ans dem ncuen Testament, theils Begeben-
heitcn ans dcm Leben einzelner Heiligen, bieten zwar
ciniges fiir die Jkvnographie Bcmerkcnswerthe, sind
aber kunsthistorisch von geringem Jnteresse. Dic
Ausfiihrnng ist dnrchweg höchst sanber, die Haltung
kräftig, die Farbenstimmnng dnrchgängig etwas hart.
Die Fignren sind knrz nnd gedrnngcn, die Köpfe mcist
breit und nnverhältnißmäßig groß, dcr GesichtsauSdrnck
stcllcnwcise recht derb nnd von geringem SchvnheitSsinn
getragen; knrz in allem erkenncn wir, daß der Malcr
dicser Miniatnrcn ohnc Ziveifel der sränkischcn Schnle
zn Ansgang des XV., vdcr in dcn erstcn Jahren deS
XVI. Jahrhundcrts entstammt, vielleicht ans dliirn-
bcrg selbst. Zu dcr letztcn Vermnthnng leitet nns
ein Bild, dnrch wclchcs diescs Gebctbnch überhaupt
erst dic knnsthistorische Bedentnng erhält, die wir für
dasselbe in Ansprnch nehmen.

Anf Fol. 29''. nämlich beginnt dcr Abschnitt
„Vvn der Zwelffpvte tailng: O scyt stark in dem
strcit vnd vechtet mit der altenn schlangen So wert
ir ncmcnn die krvnn des lebens." Hier ist nnn in
der Jnitinle 0 eine Darstellnng der Theilnng
der Apostcl gegeben, und zwar frei nach Mi-
chael Wohlgcmnth. Bekanntlich befindct sich von
diesem Mcister cin das gedachte Thema behandelndes
Bild in der alten Pinakothek zn Miinchen (Nr. 1415
des Katalogs von 1872). Die Dispvsitivn dcs Wohl-
gemuth'schen Gemäldes ist ini Allgemcincn folgende:
Jm Hintcrgrnnde zieht sich rcchtS, vom Beschancr,
langgestrcckt eine Stadt,mit Maner nnd Thürmen am
Wasscr hin, welches, von Kahnfahrern belcbt, den
mittleren Hintergrnnd einnimmt. Links erhebt sich ein
stcilcr Berg, anf dcssen Gipfelplatcan eine feste Bnrg
gelegcn ist, während sanftcre Hügel die rechtsseitige
Alittelpartie des Bildcs füllcn. 11m diese Hiigel wic
um senem Berg hernm ziehen sich die Pfade, anf

812

encn die Apostel in alle Wcltgegcndcn sich zu zcr-
Itienen im Bcgriffe sind, indcm einigc sich schon nuter-
wcgs befinden, andere von cinander noch Abschied
nchmen, noch andere sich znm Marsche vorbercitcn.
Diese zwvlf Fignren nnn hat Wohlgemnth folgender-
mapm grnppirt: Jn den mittlercn Vordergrnnd stellte
er Petrus nnd Jvhannes; erstercn ans einer Kürbis-
stasche den stärtenden Trnnk zn sich nchmend; letztercn
am O-uell kniecnd nnd niit cincm sehr zierlich anSgc-
si-hrten kleinen Krnge das srische Wasser schöpfcnd.
Um dicsen Qnctl sind Sträncher und Bcnnien, Frösche,
Eidechsen und andereS den Vordcrgrnnd belebendeS
Gethier angebracht. Nach rechts, noch nach Johannes
sich nmwendend, schreitct nahe am Rande des BildeS
Jacobus minoi- nach Jndäa zn, links, den Kopf noch
elnmal (in anatomisch nnmvglicher Weise) zurück-
wendcnd, wandcrt Thomas, die Mütze in der Hand,
nach Jndien davon. Dicht hinter Petrns nnd Johan-
ncs sehcn wir Bartholomäns nnd Andreas, erstcrcr
nach Cilicia, letzterer nach Achaja bestimmt, zm» Ab-
sch-ede sich die Hand rcichen. Ticfer im Mittel-
grnnde erhebt sich ein ofsenbar als Bnche intendirter
hochstäinniiger Banm, bei welchem der greisc Philip-
Pns sich vvn dem jngcndlichcrcn Jacvbns m-isor vcr-
a 'schicdet, nm dessen Nacken cr scincn Arm geschlnngcn
hat. Die vier übrigcn Apostel sckirciten jeder einsam
ichoii iveitcr in dcr Ferne, rechts Matthäns nm cincn
ii siigcl, licfer im Hintergrnnd am Fclsen Simon,
wahrcnd Thaddäns nnd MatthiaS anf den links ni'd
rechtS nn, die Bnrg im Hintergrnnde sich hinziehcm
ocn Pfnden dahinivandcln.

Dicses Gemäldc »iin wollte der Miniatnrmalcr
iio GcbctbncheS in der erwähntcn Jnitiale 0 tviedcr-
cinfachen Kvpie indessen, welchc daS
t-achjtlicgende gewcsen wäre, traten vcrschiedeneHindcr-

nisse entgegen. Dcnn nicht nnr bot der im Veryai^
»iß zn jenem Gemälde winzig kleine Raum an sist'
Schivicrigkeitcn, svndern anch die Gcstalt dcr Flächc
war eine andere. Währcnd nämlich das Wohlgc'
muth'sche Bild eine Fläche vvn annähcrnd 1 '/^ Mstc'
im Quadrat einnimmt, bot die Gestalt dcr Jnitialc
0 ein Oblongnm dar und zwar in dcm Bcrhalt^
»iß von 4,2 Cm. innercr Höhe zn nnr 2,6 Cm. größtc'
lichter Breitc. Ans den sv veränderten Proportionc»
der zn bemalcnden Fläche ging die Iivthwendigkcil
hervor, anch die Disposition des Bildes in entsprcche»'
der Wcise abzuändern, ohne dcn Charakter der »''
spriinglichen Kvmposition zn vcrtvischen. Diese schwi'
rige Aufgabe hat unser Miniatnrmalcr in folgcndc''
Weise gclöst.

Die brcitgcstreckte Stadt des Hintcrgrundcs wa'
für die schmalen Verhältnisse, welche ihm zn Gebotc
jtanden, nicht dienlich, nnd da sie znr Kennzeich»u»3
 
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