Und wenn ich hier noch eine BeLrachtung anknüpfe, so darf ich wohl be-
kennen: daß im Laufe des Lebens mir jenes erfte Aufblühen der Außenwelt
als die eigentliche OriginalnaLnr vorkam, gegen die alles übrige, was uns
nachher zu den Sinnen kommL, nur Kopien zn sein fcheinen, die bei aller
Annäherung an jenes doch des eigentlich ursprünglichen Geiftes und Sinnes
ermangeln.
Wie müßLen wir verzweifeln, das Äußere so kalL, so leblos zu erblicken, wenn
nicht in unserm Innern sich eLwas entwickelLe, das auf eine ganz andere Weise
die NaLnr verherrlichL, indem es uns selbft in ihr zu verfchönen eine fchöpfe-
rifche KrafL erweift.
Es dämmerLe fchon, als wir uns der Waldecke wieder näherLen, wo der
junge Freund meiner zn warLen versprochen haLLe. Ich ftrengLe die SehkrafL
möglichft an, um seine GegenwarL zu erforfchen; als es mir nicht gelingen
wollLe, lief ich ungeduldig der langsam fchreiLenden GesellfchafL voraus,
rannLe durchs Gebüfche hin und wieder. Ich rief, ich ängfligLe mich; er war
nicht zu sehen und anLwortete nicht; ich empfand zum erftenmal einen leiden-
fchaftlichen Schmerz, doppelL und vielfach.
Schon enLwickelte sich in mir die unmäßige Forderung vertraulicher Zunei-
gung, fchon war es ein unwrberftehlich Bedürfnis, meinen Geift von dem
Bilde jener Blondine durch Plaudern zu befreien, mein Herz von den Ge-
fühlen zu erlösen, die sie in mir aufgeregt haLLe. Es war voll, der Mund
lispelte fchon, um überzufließen; ich Ladelte lauL den guten Knaben, wegen
verletzter FreundfchafL, wegen vernachlässigter Zusage.
Bald aber sollten mir fchwerere Prüfungen zugedacht sein. 2lus den erften
Häusern des Ortes ftürzten Weiber fchreiend heraus, heulende Kinder folgten,
niemand gab Red und LlntworL. Bon der einen Seite her um bas Eckhaus
sahen wir einen Trauerzug herumziehen, er bewegte sich langsam die lange
Straße hin; es fchien wie ein Leichenzug, aber ein vielfacher; des Tragens
und Schleppens war kein Ende. Das Gefchrei dauerte fort, es vermehrte
sich, die Menge lief zusammen. Sie sind ertrunken, alle, sämtlich ertrunken!
Der! wer? welcher? Die MüLLer, die ihre Kinder um sich sahen, fchienen
getröftet. Aber ein ernfter Mann LraL heran und sprach zur Pfarrerin: Un-
glücklicherweise bin ich zu lange außen geblieben, ertrunken ist Adolph selb-
fünfe, er wollte sein Bersprechen halten und meins. Der Mann, der Fifcher
selbft war es, ging weiter dem Zuge nach, wir ftanden erfchreckt und erftarrt.
Da LraL ein kleiner Knabe heran, reichte einen Sack dar: Hier die Krebse,
Frau Pfarrerin, und hielt das Zeichen hoch in die Höhe. Man entsetzte
sich davor wie vor dem Schädlichften, man fragte, man forfchLe und erfuhr
so viel: dieser leHLe Kleine war am Ufer geblieben, er las die Krebse auf, die
sie ihm von unten zuwarfen. Alsdann aber nach vielem Fragen und Wieder-
fragen erfuhr man: Adolph mit zwei verftändigen Knaben sei unten am
und im Wasser hingegangen, zwei andere jüngere haben sich ungebeten dazu
gesellt, die durch kein SchelLen und Drohen abzuhalten gewesen. Nun waren
über eine jleinige gefährliche Stelle die erften faft hinaus, die leHLen glei-
LeLen, griffen zu und zerrten immer einer den andern hinunter; so gefchah es
zuleHL auch dem Borderften und alle ftürzten in die Tiefe. Adolph, als guter
Schwimmer, hätte sich gereLLet, alles aber hielt in der Angft sich an ihn,
378
kennen: daß im Laufe des Lebens mir jenes erfte Aufblühen der Außenwelt
als die eigentliche OriginalnaLnr vorkam, gegen die alles übrige, was uns
nachher zu den Sinnen kommL, nur Kopien zn sein fcheinen, die bei aller
Annäherung an jenes doch des eigentlich ursprünglichen Geiftes und Sinnes
ermangeln.
Wie müßLen wir verzweifeln, das Äußere so kalL, so leblos zu erblicken, wenn
nicht in unserm Innern sich eLwas entwickelLe, das auf eine ganz andere Weise
die NaLnr verherrlichL, indem es uns selbft in ihr zu verfchönen eine fchöpfe-
rifche KrafL erweift.
Es dämmerLe fchon, als wir uns der Waldecke wieder näherLen, wo der
junge Freund meiner zn warLen versprochen haLLe. Ich ftrengLe die SehkrafL
möglichft an, um seine GegenwarL zu erforfchen; als es mir nicht gelingen
wollLe, lief ich ungeduldig der langsam fchreiLenden GesellfchafL voraus,
rannLe durchs Gebüfche hin und wieder. Ich rief, ich ängfligLe mich; er war
nicht zu sehen und anLwortete nicht; ich empfand zum erftenmal einen leiden-
fchaftlichen Schmerz, doppelL und vielfach.
Schon enLwickelte sich in mir die unmäßige Forderung vertraulicher Zunei-
gung, fchon war es ein unwrberftehlich Bedürfnis, meinen Geift von dem
Bilde jener Blondine durch Plaudern zu befreien, mein Herz von den Ge-
fühlen zu erlösen, die sie in mir aufgeregt haLLe. Es war voll, der Mund
lispelte fchon, um überzufließen; ich Ladelte lauL den guten Knaben, wegen
verletzter FreundfchafL, wegen vernachlässigter Zusage.
Bald aber sollten mir fchwerere Prüfungen zugedacht sein. 2lus den erften
Häusern des Ortes ftürzten Weiber fchreiend heraus, heulende Kinder folgten,
niemand gab Red und LlntworL. Bon der einen Seite her um bas Eckhaus
sahen wir einen Trauerzug herumziehen, er bewegte sich langsam die lange
Straße hin; es fchien wie ein Leichenzug, aber ein vielfacher; des Tragens
und Schleppens war kein Ende. Das Gefchrei dauerte fort, es vermehrte
sich, die Menge lief zusammen. Sie sind ertrunken, alle, sämtlich ertrunken!
Der! wer? welcher? Die MüLLer, die ihre Kinder um sich sahen, fchienen
getröftet. Aber ein ernfter Mann LraL heran und sprach zur Pfarrerin: Un-
glücklicherweise bin ich zu lange außen geblieben, ertrunken ist Adolph selb-
fünfe, er wollte sein Bersprechen halten und meins. Der Mann, der Fifcher
selbft war es, ging weiter dem Zuge nach, wir ftanden erfchreckt und erftarrt.
Da LraL ein kleiner Knabe heran, reichte einen Sack dar: Hier die Krebse,
Frau Pfarrerin, und hielt das Zeichen hoch in die Höhe. Man entsetzte
sich davor wie vor dem Schädlichften, man fragte, man forfchLe und erfuhr
so viel: dieser leHLe Kleine war am Ufer geblieben, er las die Krebse auf, die
sie ihm von unten zuwarfen. Alsdann aber nach vielem Fragen und Wieder-
fragen erfuhr man: Adolph mit zwei verftändigen Knaben sei unten am
und im Wasser hingegangen, zwei andere jüngere haben sich ungebeten dazu
gesellt, die durch kein SchelLen und Drohen abzuhalten gewesen. Nun waren
über eine jleinige gefährliche Stelle die erften faft hinaus, die leHLen glei-
LeLen, griffen zu und zerrten immer einer den andern hinunter; so gefchah es
zuleHL auch dem Borderften und alle ftürzten in die Tiefe. Adolph, als guter
Schwimmer, hätte sich gereLLet, alles aber hielt in der Angft sich an ihn,
378