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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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lächter der Anhänger des Rouge begleitet. Als darauf der
kath. Pfarrer Hanseu zu Ottweile dieses erfuhr, versäumte er
nicht, eS sofort zur Kenntnis; der Staatsbehörde zu bringen,
lind führte dabei genannte beioe Herrn und den überwachenden
Polizeiagenten ans Ottweiler als Zeugen an. Die Staatsbehörde
leitete nun die Untersuchung ein, worauf Herr Ronge klugerweise
das Weite suchte. Es erging dann gegen denselben ein Steckbrief,
Rouge ließ sich aber seit dem 22. März v. I. in unserer Provinz
nicht mehr sehen, bis er sich vor einigen Tagen, ich weiß nicht
aus welchen Gründen, freiwillig zu Saarbrücken am Gericht
stellte, woraus ein vernrtheilendes Erkenntnis; Rouge zu 8 Tagen
Gcfäuguiß und in die Kosten verurtheilte. Derselbe wurde also
nicht verhaftet und ob er gleich nach den: Urtheil ins Gefäng-
niß geführt wurde, ist nur bis jetzt noch nicht bekannt geworden.
Bei einem früheren ähnlichen Prozesse hatte Ronge vor Gericht
erklärt: „Herr Präsident! Seit vier Jahren bin ich aus Eng-
land zurückgekehrt und seit dieser Zeit hat man mich ll Mal
vor Gericht gestellt! so verfolgt man mich." — Alls die Frage
des Präsidenten: Wer verfolgt Sie denn? — antwortete Ronge:
„Die Jesuiten." — Und so wollte er noch mehrere Dinge vor-
bringen, welche ihm aber auf dieser Stelle nicht glückten.
Heidelberg, 6. Jan. Wie sehr unser Correspondent
aus Lahr darin Recht hatte, daß der durchgegangene Stadt-
rechner Sch olderer einen allmächtigen Einfluß in Lahr aus-
übte uud sämmtliche Wahlen im fortschrittlichen Sinne zu leiten
pflegte, dafür erhalten wir den vollgültigsten Beweis durch die
Landeszeitung, die in Nr. 5 über diesen Gegenstand als Er-
widerung auf einen den Bürgermeister Bittmann lobhudeln-
den Artikel sich u. A. Folgendes auS Lahr schreiben läßt. „Um
ein klares Bild über unsere Zustände zu gewinnen, ist vor
Allem nothwendig, auf jene bürgerlichen Kämpfe hinzuweisen,
die sich in Lahr voll Alters her vorzugsweise um gewisse Per-
sönlichkeiten drehten, die ein hervorragendes Uebcrgewicht über
die Bürgerschaft auszuübeu trachteten. Diese Kämpfe hatten
viele Ungehörigkeiten im Gefolge, Bestechlichkeit und sonstige
Corruptiou drohten öfters alle Selbstständigkeit und jegliche
bürgerliche Tugend "zu zernichten uud die Bürgerschaft zu willen-
losen Sklaven irgend eines mächtigen HanseZ oder einzelner
Familien oder, wie wir dies in der letzten Zeit gesehen haben,
einer gewissen Clique, deren Mittelpunkt der entwichene Stadt-
rechner war, Zu machen. In diesem Uebel, das immer weiter
um sich griff, weil die Einen nicht Selbstständigkeit genug be-
saßen, sich ungehöriger Wahleinwirkungen zu erwehreu, die
Andern die Hände irr den Schooß legten und unthätig Alles
über sich ergehen ließen, liegt mit ein Hauptgrund, warutn eine
Veruntreuung von Seiten Scholderetts überhaupt stattfiuden konnte.
Er kannte die menschliche Natur und verstand es meisterhaft,
theils durch pekuniäre Gefälligkeiten, die er Diesen; oder Jenem
erwies, mehr aber noch durch Befriedigung der Eitelkeit einfluß-
reiche Bürger auf seine Seite zu bringen. Er war es, der die
Wahl des Herrn Bittmanu zum B ürge rm eiste r und L and -
tagsabgeordncten durchsetzte uud es immer so eiuzurichten
wußte, daß sämmtliche Mitglieder des Gemeindcraths
zit Wahlmännern für die Kammerwahlen erkoren wurden. Was
war natürlicher, als daß man gegenüber einem Manne, dem
man in solcher Weise zu Dank verpflichtet war, eS für ein
Vergehen ansah, irgend ein Mißtrauen zu hegen, und selbst
als die Unregelmäßigkeiten, die er sich in seinen; Dienst zu
Schulden kommen ließ, offen zu Tage traten, nun; sich nicht
entschließen konnte, gegen ihn mit Strenge auszutrcteu, oder
ihn; nur wenige Tage vor der letzten Frist, die die Abhörbe-
hörde zur Nechnuugsvorlage für 1864 gestellt hatte, einem fünf-
tägigen Urlaub zu verweigern? Der mächtige Freund und
Gönner Hütte dies wohl übel nehmen können;; aber darüber-
möge sich der Verfasser des erwähnten Artikels beruhigen, daß
es eine;; allgemeinen Unwillen bei der Bürgerschaft erregt habe;;
würde, wvnn der Bürgermeister die in der Gemeindeordnung
Vorgeschriebenen Paragraphen auf die Dienstführung des Rech-
ners in Anwendung gebracht hätte. Ueberhaupt würde der
Verfasser besser daran gethan haben, de;; Weihrauch, den er
den; Herrn Bittmaun streut, aufzusparen, bis sich die ganze
Angelegenheit mehr abgeklärt haben wird, denn solche Lob-
hudeleien sind in; gegenwärtigen Augenblick mehr verletzend, als
geeignet, auf die Beruhigung der Gemüther einzuwirken. Der
ganze bedauerliche Vorfall hat übrigens einen bedeutsamen
Fingerzeig gegeben, daß gar Vieles in unserm städtischen-Ge-
meindewesen faul ist und einer gründlichen Umgestaltung be-
darf. So lange die Bürgerschaft jedoch nicht in ihrer gro-
ßen Mehrzahl zu der Erkenntnis; kommt, daß es eine Schmach
ist, sich in seinen; Wahlrecht durch andere Dinge als ostene Be-
sprechung bestimmen zu lassen, so lange die Arbeitgeber sich
nicht jeglicher Einwirkung auf ihre Arbeiter enthalten, so lange

n icht der Werth des Mannes, seine gesellschastliche Stellung
d;e Unabhängigkeit seines Charakters, sein Rus als
gute; Hau Sh älter und braver Familienvater den
Ausschlag bei den Wahlen gibt, so lange man noch darauf Rück-
sicht nimmt, ob einer Protestant oder Katholik oder Pie-
tist u. s. w. ist, ob er dieser oder jener politischen Partei-
schattiruug angehört, und nicht einzig und allein darauf, ob der
Mann die erforderlichen Kenntnisse und die nöthige Erfahrung
besitzt, um den; Gemeinwohle wesentliche und nützliche Dienste
leisten ZU-können, so lange wird es nicht besser werden in
unserer Stadt. Gelangt aber die Bürgerschaft Zu dieser Er-
kenntuiß, so ist die Lehre trotz des übergroßen Lehrgeldes nicht
zu theuer bezahlt, und wenn die Bürger in rechter Einigkeit
' znsammenstehen und jeder aufrichtig bestrebt ist, alle Mittel an-
j zuwenden, um den Schaden für den Einzelnen und Unbemittel-
ten so wenig wie möglich fühlbar zu machen, so wird mau auch
über dieses Unglück leichter Hinwegkommen, als es zur Zeit
uoch den Anschein hat." Und damit hat also der böswillige
Angriff des Lahrer Wochenblatts gegen Herrn Stadtpsarrer
Förderer seine definitive Erledigung gesunden, sowie auch die
Zustände der guten Stadt Lahr in einen; nichts weniger als
rosigen Lichte erscheinen dürften.
Von; badischen Mittelrhciu, 3. Januar, schreibt der
„Schw. M.": „Seit etwa 10—12 Tagen finden in dem StaatS-
ministcrium regelmäßige mehrstündige Gesetzberathungeu
statt. Die Richtung der Bemühung entzieht sich natürlich der
genaueren Kenntnis;; wir glauben jedoch entschiedenen Grund
zu der Annahme zu haben, daß wenigstens bei einer und der
andern der Vorlagen Anschauungen sich geltend machen, die
wohl von keiner der Hauptparteien in der Kammer Unter-
stützung zu gewärtigen haben uud hoffentlich auch im Schooße
des Staatsministeriums selbst nicht zum Siege gelangen." Wir
gewinnen aus dieser wuchtigen Nachricht einen bedeutsamen Ein-
blick hinter die Conlissen. Herr von Edels heim scheint kein
großer Bewunderer unserer in Deutschland vereinzelten und
allerdings einzig dastehenden Staatskunst zu sein. Frische
Morgenbrise an; Landgraben, meint der Bürger-Redakteur!
/X -Bruchsal, 31. Dez. Im Laufe dieses Monats wurde
von Großh. Bezirksamt eine Polizeiverordnung erlassen, kraft
deren von 11 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags das
! Dung- und Pfuhlfahren durch die Stadt, selbst in dieser Win-
terszeit, gänzlich verboten wird. Wer nun aber bedenkt, daß
unsere Gemarkung 1 8 000 Morgen Uecker, Wiesen und Wein-
berge umfaßt, die doch, was selbst die rationellste Landwirtschaft
zugebcn wird, nicht allein von der Lust fortkommen können, der
wird die Härte dieser Maßregel wohl begreifen. Jahr aus, Jahr-
ein sind wir Landwirthe durch die Geschäfte der Feldeultur in
Anspruch genommen, wenn das Nothweudige geschehen soll.
Warnn; will man also unserem nothwendigen Geschäfte hindernd
in den Weg treten? Wenn ein Bauer um 3 Uhr mit einem
Wagen Dung iu's weite Feld, ungefähr eine Wegstunde weit
zu fahren hat, so wird es dunkel ehe derselbe an Ort und Stelle
kommt; und ist er fertig, so soll er durch tiefe und steinichte
Hohlwege wieder heimfahren, muß aber Acht geben, daß er nicht
irgend einer andern polizeilichen Maßregel in; Dunkeln die
Hühneraugen zerdrückt. Und das Alles, damit die feinen Nasen
einiger besitzloser Stndthcrren nicht unaugenehn; berührt werden.
Hier zu Land, wo fast die meisten Bürger, selbst die Geschäfts-
leute -nicht ausgenommen, neben ihren; Gewerbe noch Landwirth-
schast treiben, sollte man doch nicht den Maßstab großer Städte
anlegen wollen. Vor einen; solchen Fortschritt bedanke;; wir
uns, und die ea. 80 Personen, die seit Erlaß dieser Verordnung
gestraft werden mußten, wahrscheinlich auch. Eiu Laudwirth.
§ Bruchsal, 5. Jan. Der Generalstab in der Nähe der
großen Brücke hat in seinen; Ouartiere „zum Einhorn." die
Feiertage recht munter zugebracht, nnd ist frisch und wohlge-
nluth in's neue Jahr cingetretcn. Um aber den Jahreswechsel
durch einen nützlichen Fortschritt zu bezeichnen, so hat er am
Abend des 1. Januar sich als „Katholischer Bürgerverein" con-
stituirt, uud präseutirt sich hiermit unter dieser Firma den; ge-
neigten und nichtgeneigteu Publikum, es seinen liberalen Freun-
den überlassend, ob sie ihm in Anerkennung seiner kriegerischen
Leistungen den Rang eines „Generalstabes" noch ferner Aner-
kennen wollen oder nicht. Huudertachtzig Mitglieder haben so-
fort sich eingezeichnet, weitere Anmeldungen stehen in sicherer
Aussicht. ES dürfte sich sonnt immer deutlicher zeigen, daß „der
böse Geist, welcher in einem großen Theil der hiesigen Bevölker-
ung steckt" und der den liberalen Herren so zuwider ist, ftwch
keineswegs abuimmt; eher werden an; Ende noch einige Fort-
schrittsmänncr davon angestcckt, denn die Uebcrzeugnng, das; der
Geist, der sich in unseren; Streben zu erkennen gibt, doch nicht
so böS ist, wie ihn die liberale Sippe an. die Wand malen
 
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