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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 51-63 (1. Mai - 31. Mai)
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Donnerstag und Samstag.


Bake

und Land.

Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Trugsr-
lohn u. Postausschlag. Jns.-Geb. Skr.d.Z.


Donnerstag, den 3. Mai 1866»


Das linke Rheinufer.
Die Bewohner des linken Rheinufers können nun ruhig schla-
fen. Die Sorge, daß sie jemals französisch würden, — das
Franks. Journal nimmt sie von ihnen. Mit der sittlichen Ent-
rüstung, deren nur ein echter Gothaer fähig ist, protestirt jenes
grüßpreußische Annexionsblatt „gegen tzse schimpflichen Insinua-
tionen, daß im Falle des Krieges Frankreich ganz unzweifelhaft
die Grabstätte Karls des Großen und das ganze linke Rheinufer
wegnehmen würde" — Insinuationen, „die unsere Nation zum
Schulbuben herabwürdigen würden, die sie ehrlos und feig machen
und sie der Curatel des Auslandes unterstellen wollen." „Nein",
ruft das eben so weife als tapfere Journal aus — „die Fran-
zosen werden den Rhein nicht nehmen, sie sollen ihn nicht nehmen
und sie können ihn nicht nehmen." Damit ist, wie man sieht,
die Sache vollständig abgemacht und die Franzosen sind ein- für
allemal zur Ruhe uud zur Entsagung verwiesen. Sollten sie es
mit ihrer tapferen Armee von 600,000 Mann dennoch wagen, so
werden die noch tapferen: Gelehrten des Frankfurter "Journals sich
ihnen entgegen werfen, sie zurückschlagen und ihnen bei dieser Ge-
legenheit auch kroch Elsaß und Lothringen nehmen, um diese Pro-
vinzen Freund Bismarck zu Füßen zu legen. Welcher Schwarm
von Rothen Adlern 4. Elaste wird sich dann auf das Redaettons-
bureau des Journals niederlassen! Also
Sci ruhig, bleibe ruhig mein Kind,
In dürren Blättern saust der Wind.
Dae- Frankfurter Journal ist zwar daran gewöhnt, sich lächer-
lich zu machen, aber mit ernster, Hochweiser Miene solche Dinge
zu Markte zu bringen — das geht denn doch über das Bohnen-
lied. Denn man braucht nicht vom Berliner Preßbureau inspi-
rirt zll sein, um zu wissen, daß ein Mann wie der Kaiser Na-
poleon scheut ans Rücksichten für seine Dynastie unverrückt das
Ziel im Auge hat, die Macht uud Größe Frankreichs zu mehren
und demselben seine früheren Grenzen zurückzugeben. Und man
braucht nicht einmal den politischen Kinderschuhen entwachsen zu
sein, um. zu wissen, daß, wenn der Kaiser die französischen Fahnen
zur Eroberung des Rheines entfaltete, Alt und Jung denselben
zuströmen würde.
Die Moral dieser tapferen Versilberungen des Frankfurter
Journals ist leicht zu errathen; sie lautet: „Fürchtet Euch nicht
vor Bismarck und vor einem Kriege Preußens gegen Oesterreich;
der Kaiser Napoleon wird es,nicht wagen, denselben Zur Gewin-
nung des Rheines auszubeuten; wagt man es dennoch, so sind
wir da, wir die Gelehrten des Franks. Journals, die wir zwar
nicht auf dem liukeksi Rheinufer wohnen und also auch nicht fran-
zösisch würden, die wir aber die Franzosen auf Tod und Leben
bekämpfen werden — nut der Feder! Inzwischen aber laßt uns
kämpfen für die Annexion; dem: Bismarck ist groß und das Jour-
nal ist sein Prophet!"
Es lohnt wahrlich kaum der Mühe, gegen die hohlen Be-
ruhigungsphrasen des Frankfurter Journals ein Wort zu ver-
lieren. Man denke sich nur Preußen und Oesterreich in mörderi-
schem Kampfe zerfleischt, Deutschland in Parteien zerrissen, die
Mittel- uud Kleinstaaten irr ihrer Existenz bedroht: der Beherrscher
Frankreichs müßte kein Napoleon sein, wenn er einer: solchen Augen-
blick nicht benützen würde, um einen Lieblingstraunr seiner Nation
zu verwirklichen. Darum sagen wir: iudem Preußen Schleswig-
Holstein annexiren uud die übrigen deutschen Staaten, vorläufig
bis zum Maiu, uuter seine Botmäßigkeit bringen will, beschwört
es durch diese seine Vergrößerungssucht über Deutschland die Ge-
fahr herauf, die fchönsten Provinzen an das Ausland zu ver-
lieren. Und einer Politik, welche ein so frevles Spiel spielt, sollte
ein ehrlicher Deutscher Erfolg wünschen! Schmach über die, welche
ihr das Wort reden! (Pf. Ztg.)

Baden."
d/ Heidelberg, 30. April. Das Umsichgreifen der katho-
lischen Bewegung in Baden hat unserer Fortschrittspartei der-
maßen Angst eingejagt, daß sie in ihrer Herzenspein die größten
Demonstrationen für ihre wankende neue Aera für nöthig hält:
so entstand der „August-Lamey"-Cultus, der allerwärts in Seeue
gesetzt wird. Wie hätte da unser Heidelberg, die „Intelligenz-
stadt" mit ihren vielen Legionären aus der Fremde und sonstigen
fortschrittlichen Größen Zurückbleiben dürfen! Nimmermehr; kaum
war also die Nachricht vom Karlsruher Fackelzug und der sil-
bernen Dorkienkrone und den jubelnden Hoflieferanten dahier
eingetroffen, als schon in verschiedenen Kreisen-Berathung ge-
pflogen wurde, wie man am besten dem Beispiel aus der Residenz
nachahmen könne. Denn wie der Affe des Erasmus getreulich
seinen Herrn copirte, so sind die Heidelberger stets bereit, Spek-
takelstücke, die anderwärts über die -Bühne gegangen, auch in
ihren Mauern aufzuführen. Demgemäß saßen einige ehrbare
Bürger in der Wirthsstube des deutschen Bruderherz, ernannten
sich selbst zum Comits, ohne aber ihre Namen unter die Ein-
ladung zu schreiben und beschlossen, eine gewaltige Versammlung
abzuhalten —
„beim großen Faß zu Heidelberg."
Dienstmänner und sonstige Extraboten wurden mit Ein-
ladungen aufs Land hinaus geschickt, um die Schenkelprotestanten
und die Schmuelcher hereinzuholen, denn die Katholiken draußen
sind alle „schwarz." Plakate luden an den Straßenecken zur
Theilnahme an der Versammlung ein, die gestern Nachmittags
4 Uhr im Schloßhof gehalten werden sollte, Plakate, in denen
viel von der Verfolgungswuth der Katholiken die Rede war, die
den guten Volksminister Lamey wie ein wildes Thier Hetzen,
den Mann, der die Gewalt in Händen hat und die dreihundert
und so und so viel mit Geld hat strafen lassen, weil sie in ihrer
Dummheit geglaubt hatten, das Privatgewissen könne ganz gut
neben dem Staatsgewissen fortexistiren ohne Strafe Zahlen zu
müssen.
Der Tag kam; aber der Himmel war nicht günstig ge-
stimmt; es regnete den ganzen Tag über, woran wieder Nie-
mand schuld war, als die „Schwarzen", die überhaupt an allem
schuld sind, die bösen Menschen. Und wieder gingen Dienst-
männer mit Zetteln herum, worin das namenlose Comito, das
wie ein Vehmgericht über der Stadt waltete, die Einwohner auf-
forderte, ihre Häuser mit Fahnen zu schmücken.- Aber es ist
erlogen, wenn hiesige Blätter von dem schönen Flaggenschmuck,
in dem die Stadt geprangt habe, fabeln; spärlicher haben wir
nie die Fahnen in der Hauptstraße geseheu, ja, selbst die haupt-
sächlichsten Fortschrittler und Lameyauer, wie der Herr Ober-
bürgermeister, haben die ihrigen nicht herausgehängt.
Die Versammlung selbst war sehr schwächlich besucht im
Verhältniß zu den großartigen Einladungen und Vorbereitungen,
die man für nöthig gehalten. Kaum 500 Männer und noch
eine kleine Schaar von Weibern und Gassenbuben — letztere
zum Bravorufen commandirt — das war alles! Wenn man
die großen katholischen Versammlungen in Bruchsal und Hubbad
gesehen hat, mußte die Handvoll Leute im Bandhause des
Schlosses, die sich als Volksversammlung ausgab und so lau
und wässerig gestimmt war, wie die Witterung draußen, einen
kläglichen Eindruck machen. Als Redner rraten auf die Herren
Johann Theobald (Hanthewald) Bootz (Bootz, Bootz! riefen die
Buben halblaut), Arzt Wolf, der der Versammlung präsidirte,
vr. Pag en sie eher der Vater und der neue Abgeordnete Prof.
Wundt. Die Wölfische Rede enthielt den einen Cardinalfatz:
„Man muß die Schwarzen verachten", die Rede Pagenstecher's
(Fremdenlegionär, der für die Bürgerschaft sprechen muß, weil
aus deu fortschrittlichen Bürgern Keiner ein Wort herausbringt,
außer im Bierhaus) trieb durch ihre unausstehliche preußische
Weitschweifigkeit — gesagt war aber nichts darin — die Leute
in Menge fort; die Rede Wundt's endlich- enthielt nur die aller-
 
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