Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

DOI chapter:
Nr. 51-63 (1. Mai - 31. Mai)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0250

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
244

den Gothaern den Krieg erklären und im Ministerium mit sei-
ner Anschauung rückhaltlos durchzudringen suchen; wenn ihm
dies aber nicht gelingt, die Rolle eines Lückenbüßers zurück-
weisen und seinem Vorgänger Roggenbach zu abermaligem
Fiasko Platz machen, wenn nicht Hr. Bluutschli selbst gesonnen ist,
die Last der Geschäfte aus sich zu nehmen. Letzterer würde uns
am besteir gefallen; denn seine erzgothaiiche Richtung würde dem
Volk am schnellsten die Augen öffnen.
So viel für heute, und jetzt zum Schluß noch einmal:
„Der König von Württemberg lebe hoch!"
Bade u.
— Heidelberg, 23. Mai. Als die gothaer Abgeordneten
nach Frankfurt an Pfingsten zogen, glaubten sie nicht anders
als daß das Volk ihnen dort einstimmig zujauchzen werde. Aber
das Jompora mutaotur^ hätte Herr Bluutschli doch vor allein
wissen müssen. Statt daß die Herren mit Blumen- und Lorbeer-
kränzen empfangen wurden, hat man Kanonenschläge gegen sie
losgelassen und die gothaer Sippe ausgepfiffen. Der Bote will
damit nicht die Mordschläge vertkeidigen, da ohnehin die Gothaer
keinen Schuß Pulver werth sind; er hatte vielmehr viel lieber
gesehen, wenn man ihnen mit etwas Gefahrloserem (die Kleider
ausgenommen) und rein Menschlichem aufgemartet Hütte. Uebri-
gens muß es ein erhebender Anblick gewesen sein, wie die Gotha-
helden nach ihren Cplindern griffen und über Stühle und Bänke
nach der Thüre stürzten! Auch weiß der Bote, daß Hr. 'Bluutschli
sehr froh war, als er im Waggon der Main-Neckarbahn faß
und zitternd dem Heidelberger Musentempel zudampfte, dem
sicheren Hafen, wo er sich am nämlichen Abende noch über die
erlebten Abenteuer expectorirte. Wird dieser Herr nicht, wie er
noch neulich beabsichtigt, das Volk zu einer gothaischen Neutra-
litätsversammlung in den Schloßhof berufen? Wo stockt's denn
eigentlich, he?
* Heidelberg, 23. Mai. Der Bote hat neulich einen
Salomonischen Ausspruch des großen Meisters Bluntfchli
über die Ehe erwähnt, der ihm nicht geeignet schien, der bürger-
lichen Zwangsehe das Wort zu reden, und glaubte daran die
Hoffnung knüpfen zu dürfen, daß Herr Bluntfchli sich gegen die
Civilehe erklärt haben würde, wenn sie in der ersten Kammer
zur Sprache gekommen wäre. Darüber ist die Lanoesbase nach-
träglich sehr zornig geworden und führt ihrerseits einen andern
Ausspruch Bluntfchli'S an, der allerdings für die Civilehe in
die Schranken tritt. „Was meint jetzt der Pfälzer Bote dazu ?"
ruft die Base mit übereinander gekreuzten Armen aus. Nun,
der Bote meint ganz einfach, daß Herr Bluntfchli zu verschie-
denen Zeiten ein sehr Verschiedener war und die verschiedensten
sich einander gänzlich widersprechenden Ansichten geäußert hat,
was alle Spatzen im Lande von den Dächern pfeifen, gerade so
wie die Base selbst schon in allen Farben, je nach der Mode,
einherstolzirt ist. Wir erinnern sie nur an ihre nicht blos groß-
deutsche, sondern speeisisch öfterleichische Haltung im italienischen
Krieg, worüber seiner Zeit der Bad. Beob. eine kostbare Blumen-
lese gegeben hat, während dieselbe Base jetzt vollständig Bis-
marckisch-preußisch geworden ist. Herrn Bluntfchli aber durch
Herrn Bluutschli selbst vertheidigen und rechtfertigen Zu wollen,
wäre eben so viel wie wenn mau einen Mohren weiß waschen
oder Herrn Hauser den Vorwurf politischer Consequenz machen
wollte. Außerdem ist die Bismarcksche Base aber auch wüthend
über den Boten, daß dieser ein Triumphgeschrei angeschlagen hat
wegen des gänzlichen Scheiterns der Civilehe in der zweiten
Kammer — sie verweist ihn vielmehr auf Kirsner's Com-
missiousbericht, wo.das Gegentheil stehen solle. Gute Base! Sie
wird doch nicht im Ernste sich oder sonst Einem weiß machen
wollen, daß die Civilehe dennoch eingeführt würde! Begreift Sie
deut', nicht, daß nach dem vielen Geschwätz und Scandal über
die Nothwendigkeit dieser Ehe die Männer der neuen Aera nicht
so ganz offen und deutlich ihr Vorhaben aufgeben konnten, son-
dern daß sie, als die Unmöglichkeit der Einführung derselben
wegen des Widerstandes der Katholiken klar am Tage lag, die
Beiseüesetznug dieser wilden Ehe in möglichst schonender Form
den „Aufgeklärten" ankündigen mußten, begreift Sie nicht, daß
eine Pille nöthig war, die den fortschrittlichen Schluckern stark
verzuckert werden mußte, und wen hätte man da am besten zum
Berichterstatter und Pillendreher wählet! können, als den Ahg.
Kirsner, der nebenbei auch Hofapotheker in Donau-
eschingen ist? He, Base?
Heidelberg, 24, Mai. Wie wir vernehmen, schreibt Herr
Bluutschli die Kanonenschläge, die in Frankfurt gegen die go-
thaischen Abgeordneten losgelnssen wurden, einem „österreichischen
Cotuplot" zu. Wir meinen, es möchte noch größere Wahrschein-
lichkeit für sich haben und auch bei sämmtlichen Gothaern Glau-

ben finden, wenn Herr Bluutschli sie „Jesuiten" als die gehei-
men Urheber bezeichnen würde.
X Vom Neckar, 24. Mai. Wir haben Grund anzuneh-
men, daß in Holstein wichtige Maßregeln im Werk sind. So
handelt es sich namentlich darum, die holsteinische Ständever-
sammlung demnächst einzuberufen und ein holsteinisches Con-
tingent unter die Fahnen Oesterreichs zu stellen.
— Handschuchsheim, 23. Mai/ Der hiesige Ortspolizei-
diener hat einen äußerst beschwerlichen Dienst, da das Dorf
ein großes ist und die angestrengteste Thätigkeit eines einzigen
Polizeimannes in Anspruch nimmt; trotzdem ist seine Besoldung
eine gar knappe und magere. Wäre es nicht am Platze, ihm
eine Aufbesserung zukommen zu lassen, namentlich auch mit
Rücksicht auf den großen Eifer) den er für das Zustandekommen
der Lamepadresse hat an den Tag legen müssen? (Der Bote
schließt sich ganz diesem Wunsche auch in Beziehung auf andere
Polizeidiener an, die mit der Adresse zu thun hatten. Es
wird dann schwerlich ein Dorf im Lande geben, wo der Poli-
zeidiener ohne Gehaltszulage bleibt.)
G L'adenburg, 14. Mai. Gestern war der hiesige katho-
lische Männerverein in recht fröhlich-heiterer Stimmung bei-
sammen und gedachte in begeisterten Toasten seines geliebten
Oberhirten, jenes Heldengreises und mnthigen Kämpfers für
Glauben, Macht und wahre Freiheit, der weit über die Grenzen
seines Erzbisthums hinaus geachtet, geehrt und geliebt wird.
Uebrigens blieb der Verein nicht beim Toaste, sondern gab seiner
Verehrung und Liebe gegen seinen Oberhirten weiteren Aus-
druck durch ein Beglückwünschungs-Telegramm an seine Excel-
lenz den Hochwürdigsten Herrn Erzbischof, worauf Hochdersetbe
in einem Schreiben an den kathol. Münuerverein Seinen „tief-
gefühlten Dank" für die dargebrachten Glückwünsche aussprach
und demselben „in aller Liebe den oberhirtlichen Segen er-
theilte." Diese Beglückwünschung zum 94. Geburtsfest Sr. Excel-
lenz gab wahre Liebe und Verehrung ein, während dagegen ge-
wisse Auchglückwünsche nach dem Landgrabeu vom Amtmann
oder Bürgermeister eingegeben oder polizeilich eingeimpft, da-
durch sich von selbst richten; sie sind aber auch darnach!
x Obrigheim, im Mai. Während evangelischerseits von
hier eine Adresse an Staatspath Lamep abgesandt wurde, rich-
tete der katholische Männerverein eine Dankeszuschrift an Frhrn.
v. Andlaw, der den Unterzeichnern seinen schriftlichen Dank
aussprach. (Wir müssen darauf verzichten, auf den Inhalt der
Adresse an Frhrn. v. Andlaw einzugehen, da der Raum unseres
Blattes durch die wichckgeu potmscpen Ereignisse zu sehr in
Anspruch genommen ist.' Der Bote.)
-s- Bruchsal, 18. Mai. Dein hiesigen Kraichgauboten
liegen die „Casinomänner" immer schwer im Magen, darum von
Zeit zu Zeit ihrer gedacht wird, so in einer der letzten Num-
mern. Es werden da einige Paragraphen aus den deutschen
Grundrechten vom Jahr 1848 angeführt und gefragt, warum
man damals nicht gegen dieselben ausgetreten sei und jetzt erst
den Widerstand gegen die neueren Gesetze richte, in welchen die
Bestimmungen der Grundrechte durchgeführt werden sollen? Die
Beantwortung dieser Frage ist sehr einfach. Die deutschen
Grundrechte vom 27. December 1848 wurden im badischen Re-
gierungsblatt Nr. 2 vom 18. Januar 1849 zur öffentlichen
Kenntnis) gebracht mit dein Bemerken, „daß die-Entwürfe der
zum Vollzug erforderlichen Gesetze" den Ständen werden
vorgelegt werden. Diese Gesetzentwürfe kamen aber nicht, darum
brauchte man auch nicht zu protestiren, und die Grundrechte
wurden am 5. Mai 1851 außer Wirksamkeit gesetzt, Regbl.
Nr. 23, hatten sonnt ein so kurzes Dasein, daß nirgends eine
Veranlassung sich bot, in einer Weise gegen einzelne Bestim-
mungen derselben zu protestiren, wie es jetzt gegen Gesetzent-
würfe geschieht, die den Interessen der Kirche zuwiderlaufen und
mit den,religiösen Anschauungen des Volkes im Widerspruch
stehen. Wären diese Gesetzentwürfe den Grundrechten auf dem
Fuße nachgefolgt, so hätten sich schon damals die Katholiken da-
gegen erhoben, es war aber, wie gesagt, nicht uothwendig.
Uebrigens ist der Kraichgaubote sehr im Jrrthum, wenn er
meint, die Katholiken oder auch „Casinoinänner" protejtirten
gegen den §.17 der Grundrechte, welcher jeder Religionsgesell-
schaft die selbstständige Ordnung und Verwaltung
ihrer Angelegenheiten überläßt. Nein, diese Bestimmung wurde
mit Freuden ausgenommen, denn sie gab die Veranlassung, daß
die Kirche aus der Knechtschaft des Polizeistaates sichHrei machte.
Wenn die Staatsregiernng eine solche von aller Staatsbevor-
mundunq freie Kirche anstrebt, dann ist Friede zwischen ihr
und den „Casinomännern." Ist aber der Kraichgaubote
dann auch zufrieden?
Der Z. 21 der Grundrechte bestimmt, daß die bürgerlichen
Standesbücher den Geistlichen abgenommen werden. Darnach
 
Annotationen