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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 51-63 (1. Mai - 31. Mai)
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245

Hal man schon längst sich gesehnt, und wenn heute noch die
Staatsregierung hiemegen einen Gesetzentwurf vorlegt, wird kein
Geistlicher sich dagegen erheben, denn alle sind froh, diese lästige
Staatsschreiberei los zu werden.
Wenn nach dem Z. 21 drr Grundrechte die Civilehe ge-
meint ist, wie man sie jetzt wünscht, und in Z. 23 die Tren-
nung der Schule von der Kirche nach den jetzigen Be-
strebungen, so trifft die Katholiken oder die „Casinomänner" gar
kein Vorwurf wegen allenfallsiger Gesiunungsänderung, denn
hiegegen wird man katholischer Seils protestiren, mögen beide
verlangt werden in Grundrechten, in den einzelnen Staatsge-
setzen oder in einer Reichsverfassung.
Schließlich noch eine Bemerkung. Es ist vom Kraichgau-
boten zu viel behauptet, daß die Negierung ganz auf den Grund-
rechten ihre Gesetze aufbaue. Man lese nur den Z. 29 u. 30,
das Versammlungs- und Vereinsrecht betreffend. Beides ist den
Deutschen ohne Beschränkung gewährleistet; das neue Vereins-
und Versammlungsrecht dagegen wimmelt von polizeilichen Vor-
beugungsmaßregeln. Und erst das neue Preßgesetz? Wie
eine Faust auf das Aug paßt es zu §. 13 der Grundrechte.
Es wäre zu wünschen, daß der Kraichgaubote sich dazu ver-
stände, den thatsächlichen Widerspruch der neueren Gesetze mit
den Bestimmungen der Grundrechte darzuthun. Das wäre ein-
mal eine ächt liberale Arbeit!
Karlsruhe, 21. April. 9. Sitzung der ersten Kammer.
(Fortsetzung der Rede des Freiherrn v. Andlaw.)
Die Gemeinderäthe Jos. Anton Schäfer, Andreas Schäfer und Wil-
helm Grimmer wurden erst verwarnt und mit Dienstentlassung bedroht.
Das Ministerium des Innern verwarf unterm 13. Febr«^1865 Nr. 2940
gez. Lamey, den Recurs vom 30. Januar als verspüret, aber auch
als materiell unbegründet. Karl Pfeiffer, welcher octroyirt worden
war, nahm endlich an und erhielt die Strafe zurück. Die 3 Gemeinderäthe
wählten endlich, um nicht doppelter Strafe zu verfallen, auch und zwar —
den Todtengräbcr. Unterm 29. April 1865 wurden sie durch den Bezirks-
rath ihres Dienstes entlassen. Wiederholt wählten sie die Bürger wieder,
die Wahl wurde von dem Bezirksamts verworfen.
Amtsbezirk Box berg. O.-A. Neff.
Nr. 50. Gemeinde Berolzheim mit 780 Seelen. Engelwirth Jen-
ninger und Altbürgermeister Noe wurden an die Stelle jener ernannt,
welche durch die Schulgemeinde „zu wählen wären" und wegen Ablehnung
durch amtliche Entscheidung vom 21. Februar 1865, Nr. 1961, in 30 fl.
Strafe verfällt, weil ihr Entschuldigungsgrund, nicht die erforderlichen
Kenntnisse zu besitzen, nicht in der Vollzugsverordnung vom 20. August
1864, tz. 17, als solcher bezeichnet sei.
Nr. 51. Gemeinde Erlenbach mit 342 S. Final Ballenberg.
Die Gemeinderäthe Mathias Beck, Val. Henngriff und Lorenz Schaber,
sodann die Ausschussmitglieder: Valentin Henngriff, alt, Florian
Kempf und Anton Weber, wurden zu je 3 fl. durch amtlichen Beschluß
vom 22. November 1864 Ztr. 1665 verfällt. Der Recurs unter der bekannten
Motivirung unterm 7. Januar 1865, gez. Lamey, verworfen.
Am 9. Februar 1865, Nr. 1373, erkannte das Bezirksamt eine weitere
Strafe von je 15 fl. Das Ministerium des Innern eröffnete durch Erlaß
vom 7. April 1865, Nr. 3629, den Petenten, „daß Se. K. Hoh. der Groß-
herzog mit höchster Entschließung aus großh. Staatsministerium vom 1.
ds., Nr. 260, nach dessen Antrag den Recurs derselben als unstatthaft zu
verwerfen geruht habe. Ihr Dienstaustritt wurde nicht angenommen. Die
Kosten nlit 96 fl. 10 kr. konnten die Bestraften nicht aufbringen u. schulden
zur Stunde Kapital und Zins. Die braven Leute aber sagen: „Unser
Gewissen ist uns nicht um Geld feil." Das Ministerium des
Innern empfahl" durch Erlaß vom 3. April 1865, Nr. 5053, gez. Lamey,
nachdem von Bestellung eines kath. Ortsschulrathes in Erlenbach vorerst
Umgang zu nehmen sei, den Kreisschulrath Scherer in Tauberbischossheim
anzuweisen, die katholische Volksschule in Erlenbach besonders zu überwachen,
und wenn der Mangel einer örtlichen Aufsichtsbehörde für diese Volksschule
öftere Visitationen derselben durch den Kreisschulrath nöthig machen sollte,
diese auf Kosten der Gemeinde vornehmen zu lassen. Kreisschulrath Scherer
ist dieser Aufforderung bis März d. I. dreimal mit einem Aufwande von
fünfzig Gulden nachgekommen.
Nr. 52. Gemeinde K l ep s a u mit 462 Seelen. Accisor Paul Bauer
lehnte die Wahl wegen Kränklichkeit ab, dem der Gemeinderath insoferne
widersprach, sie sei nicht im angegebenen Grade vorhanden, um die Orts-
schulrathsstelle nicht übernehmen zu können. Der den Kranken behan-
delnde Arzt verweigerte dem Manne das Zeugniß. Dieser brachte den
Beweis seiner Krankheit selbst :r nwsoi'i dadurch daß er stirbt, nachdem er
seine Strafe mit 30 fl. hatte erlegen müssen. Der zweite Gewählte, Joseph
Michael G ö tz , wurde gleichfalls um 30 fl. gestraft, weil, wie das amt-
liche Erkenntniß vorn 9. Febr. 1865, Nr. 1396 lautet, der vorgeschützte
Umstand, sein Gewissen lasse ihn die Wahl nicht annehmen , die Verwei-
geruirg nicht rechtfertige, da durchaus nicht angenommen werden kann, daß
cm SLaatsgesetz das Gewissen der Staatsbürger belaste.
Nr. 53. Gemeinde Windisch buch mit 489 S., 349 katholisch.
Franz Nied und Constantin N i es wurden im Oktober 1864 von 8
Bürgern gewählt und auf die Erklärung, daß sie ein Amt nicht überneh-
men könnten, auf welchem das Verwerfungsurtheil der höchsten Kirchen-
behörden ruhe, in je 30 fl. Strafe verfällt. Das Gnadengesuch an L. K.
H. den Großherzog wurde abgewiesen, „da es einer gesetzlichen Begründung
entbehre." An die Stelle der Obigen wurden inzwischen Martin Bopp
und Karl Kohler gewählt und gleichfalls wegen Ablehnung aus gleichen
Gründen in je 30 fl. verfällt. Diese Strafe fällt Allen sehr sckwer!
Amtsbezirk Mosbach. O.-A. Hepting.
Nr. r>4. Gemeinde Haßmersheim mit 1698 S. 568 katholisch.
Johanes Heck, 67 Jahre alt, Michael Nauchenbusch, Philipp Heck,
69 ^zahrc alt, wurden als Ortsschulrathe octroyirt und bei Nichtannahme
mit 10 fl. Strafe, trotz ihres Alters bedroht. Der Erstere sollte in Er-
mangelung des Pfarrers u. zweiten Bürgermeisters Vorsitzender fein. Auf

Anfrage Les Amts bei dem Ministerium des Innern „um Ermächtigung
zum strafenden Einschreiten entschied dasselbe unterm 2. Juni 1865, Nr.
7894: „die Nichtannahme der Wahl zieht Strafe nach sich, wenn auch der
Ortsschulrath dadurch constituirt ist, daß ein Anderer an die Stelle des
Ablehnenden trat, und die Strafe trifft auch denjenigen, der die durch
den Bezirksrath geschehene Ernennung (an Stelle der Wahl
durch die Schulgemeinde) nicht annimmt."
Alle diese Strafen sind indessen noch nicht vollzogen und der Orts-
schulrath übt keine Thätigkeit aus. Nur das von dem Gemeinderath und
Ausschuß ernannte Mitglied, Michael Schadt, erklärte, „er wolle in
Frieden mit der Kirche leben und sterben, an seinem Sterbebett den Prie-
ster sehen rind nicht wie ein Stück Vieh verlacht werden." Der wackere
Mann wurde vor das Amt citirt und für diesen Ausdruck mit 5 fl. ge-
straft. Er zahlte willig und weist jede Rückvergütung ab.
(Forts, folgt.)
Deutschland.
Stuttgart, 23. Mai. Heute wurde die Ständeversamm-
lung eröffnet. Die Thronrede hofft noch auf friedliche Lösung
durch Gerechtigkeit gegen Schleswig-Holstein und die Bundesre-
form: wenn nicht, so wird Württemberg mit seinen Verbün-
deten fest einstehen für das Recht.
München, 23. Mai. Der Feldmarschall Prinz Karl ist
zum Commandirenden der mobilen Armee, der Generallieuteuam
Frhr. v. d. Tann zum Chef des Generalstabes derselben er-
nannt.
Wien, 23. Mai. Die heutigen Morgenblätter enthalten
ein Telegramm aus Jassy vom 22. Mai, welchem zufolge Tags
vorher (21.) ein combinirtes russisch-türkisches Oceupationscorps
unter dem Commando Omer Pascha's und des Generals Kotzebue
in die Moldau eiugerückt ist. (Ist widerrufen.)
Triest, 21. Mai- In Ancona werden für die Ankunft
einer 40 Schiffe zählenden Flotte Vorbereitungen getroffen.
Berlin, 21. Mai. Der Staatsanzeiger bringt einen Erlaß
vom 19. Mai, wonach im Kriegsfall feindliche Handelsschiffe durch
preußische Kriegsschiffe nicht aufgebracht noch wegenommen wer-
den sollen, sofern vom feindlichen Staat Gegenseitigkeit geübt wird.
Auslau d.
Aus Florenz, 17. Mai, wird der Correspondenz Havas-
Bullier geschrieben: Ein Circular des Kriegsministers regelt
die Organisation der Freischaaren. Die 20 Bataillone
sollen zehn Regimenter, jedes zu 42 Offizieren und 1446 Unter-
offizieren und Gemeinen bilden. Je nach Bedürfniß sollen neue
Bataillone gebildet werden. Die Freiwilligen werden Mütze
und Hemd von rothcr Farbe tragen.
Florenz, 21. Mai. Ein königliches Decret autorisirt
den Kriegsminister zur Requisition von Pferden für den Kriegs-
dienst.
London, 23. Mai. Das Reuter'sche Bureau veröffent-
licht nachstehende Nachrichten aus New-Jork vom 12. Mai:
Die große Jury von Norfolk klagt Jefferson Davis des Vcrraths
an. Stephens ist in New-Jork angekommen und mit Enthu-
siasmus empfangen worden.

477 Ehre, wem Ehre gebührt!
In seinem „Unterhaltungsblatte" vom 12. Mai d. I.
brachte der „Kraichgaubote" einen Aufsatz gegen das Duell. Der-
selbe beginnt mit den Worten: „Wir lasen vor einigen Tagen
in einer Zeitschrift einen ernstlichen Angriff gegen das Duell,
und haben uns vorgenommen, dieselbe Sache auch hier einmal
Zur Sprache zu bringen, daß der Zweikampf vom christlichen
religiösen Standpunkt aus als unchristlich und gottlos zu ver-
werfen ist."
Dieser Aufsatz scheint einer preußischen Zeitschrift entnom-
men zu sein, da in demselben folgender Passus vorkommt: „Als
im Lande Baden ein ketzerisches Buch geschrieben wurde (wohl
Dr. Schenkels Charakterbild Jesu), haben die Herren Hof-
prediger und Dompfarrer gewaltig gegen den Jrrgeist und Anti-
christ protestirt; wenn aber im eigenen Lande Slaatsdiener wegen
verweigerten Duells entlassen werden, wenn in den allerhöchsten
und orthodoxesten Kreisen Herausforderungen geschehen, da haben
sie nicht den Muth, Zeugniß abzulegen." (Letzteres bezieht sich
offenbar auf Preußen, wo die drei jungen katholischen Grafen
Schmissiug-Kerssenbrook aus dem Staatsdienste entlassen wurden,
weil sie, treu der Lehre ihrer Kirche, Duelle verweigerten). In-
dem wir nun von Herzen der guten Absicht aller Jener bei-
pflichten, die ihre Stimme gegen den Zweikampf erheben, for-
dern nur aber auch zugleich den „Kraichgauboten" auf, die
kolossale Unwahrheit, welcher er sich in obgenanntem Aus-
fälle gegen die katholische Kirche schuldig machte, zurückzunehmen.
Der „Kraichgaubote" sagt nämlich: „Sonderbar kommt's
uns vor, daß in dieser Sache (des Duells) die Kirche nirgends
ihre Stimme erhebt; an Eiferern fehlt's in der katholischen und
protestantischen Kirche nicht; beiderseits werden Bannbullen aus-
 
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