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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 90-102 (2. August - 30. August)
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Phase der Annäherung der drei Gegner, die mit Recht verlangen
können, außerhalb des Bereiches eines fremden Einflusses ihren
Streit zu regeln. Europa, das während des Krieges neutral
blieb, muß nm so niehr während der Friedens-Verhandlungen
neutral bleiben. Frankreich allein hat eine besondere Rolle da-
durch, daß, zum Vermittler erwählt, sein Herrscher die Grund-
lagen der Unterhandlungen aufgestellt hat. Er bleibt, auch
nachdem dieselben angenommen sind, in den Verhandlungen,
einzig aber um seine hochherzige Mission bis ans Ende durch-
zusühren und nm die Mäßigung in so wichtigen Verhandlungen
vorwalten zu lassen.
Diese Vermittlerrolle aber, führt die Patrie fort, hat ein
Ende. Sie hört, man misse es wohl, mit dem Tage aus, an
dem der Friede unterzeichnet wird, und dann beginnt die zweite
Phase. In derselben wird Frankreich und mit ihm
ganz Europa Richter. Es wird nicht, wenn man will,
Richter über das von den Krieg führenden Thcilen ausgearbei-
tete Friedeuswerk an und für sich, sonderü über die Bedingun-
gen, in welche dasselbe jede der eontinentalen Mächte versetzt.
Es wird die Frage des europäischen Gleichgewichtes aufgewor-
fen werden, und dann ist der Augenblick gekommen, wo die
patriotisch fühlende politische Meinung Frankreichs ebenfalls
von ihrem Standpunkte aus, zu uutersuchen haben wird, bis
zu welchem Punkte der Ausgang de-o Krieges die durch unsre
Interessen und Rechte erheischten Garantien geschmälert oder
vermehrt hat." —
Bis dahin, meint die Patrie, sei es weder billig, noch
vernünftig, sich in Raisonnements einzulassen, wie so Manche
es verlangten. Mau wisse ja nicht, was die Zukunft bringe.
Nur das wisse man, daß Frankreich seine Ehre und seine In-
teressen den Händen anvertraut habe, die sie immer zu fördern
und zu schützen gewußt. „All dem Tage, an welchem diese
Interessen, diese Ehre, diese Würde nicht etwa be-
droht, sondern auch nur verkannt wären, würden
sie in Erinnerung gebracht werden, ehe nur die
öffentliche M^Mrng Zeit gehabt hätte, es zu wis-
sen und sich
2 Bruchsl^30. Juli. Die seiner Zeit in diesen Blät-
tern besprochene Sicherheitswache ist nun iu's Leben getreten.
Seit einigen Tugen besteht hier eine städtische Hundertgarde, der
es obliegt, Hab und Gut gegen äußere und innere Feinde zu
schützen. Haben wir von Anfang an diese Maßregel, weil sie
uns nicht nothwendig und von Mißtrauen zeugend erscheint,
entschieden mißbilligt, so müssen wir doch mit Annerkennung her-
vorheben, daß nicht blos Schützen und Pompiers, sondern auch
„Bummler" beigezogen wurden, wodurch das Gleichgewicht her-
gestellt und allen Eifersüchteleien und Zerwürfnissen vorgebeugt
ist. Hiernach ist die Mittheilung in Nr. 86 des Kraichgauboten,
wornach „zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung eine Si-
cherheitswache von hiesigen Schützen und Feuerwehrmännern ge-
bildet worden", zu berichtigen. Hoffen wir übrigens, daß diese,
ein schönes Stück deutscher Einheit darstellende Sicherheitsmache
nichts zu thun bekommen werde. — Unsere Leihhausgeschichte er-
öffnet eine traurige Perspektive in die Gewissenhaftigkeit und
Ehrlichkeit so mancher sogenannten „Ehrenmänner". Wir war-
ten nut der Veröffentlichung des Details, bis die gerichtlichen
Verhandlungen den objektiven Thatbestand constatirt haben. So-
viel ist indessen sicher, daß sehr bedeutende Unterschlagungen vor-
liegen, für deren Deckung am Ende aller Enden die Stadtkasse
einzustehen hat. Was dies in unfern geldlosen Zeiten zu be-
deuten hat, wird von Vielen nur zu sehr empfunden und die
Unzufriedenheit über die schlechte Controllirung fraglicher An-
stalt ist daher allgemein.
O Bruchsal, 30. Juli. Mu auerkennenswerther Aus-
dauer warten auch am hiesigen Bahnhofe Mitglieder des Frauen-
vereins täglich auf Verwundete. Glücklicherweise sind deren bis
jetzt nur sehr wenige hier vorübergefahren, welche aber aus's
Freundlichste gepflegt und mit allen denkbaren Erfrischungen ge-
stärkt werden.
Karlsruhe, 30. Juli. Vom großh. Handelsministerium
sind bereits am vorigen Samstag die Anordnungen für die schleu-
nigste Wiederherstellung der unterbrochenen Verkehrswege auf
dem Kriegsschailplatz getroffen, so daß in kurzem die regelmä-
ßigen Eisenbahn- und Postfahrten und der Telegraphendienst im
Norden unseres Landes wieder werden beginnen können.
Gerchsheinr, 28. Juli. Ein starkes und blutiges Gefecht
zwischen Bayern, Württembergern, Badnern, Hessen einerseits
lind Preußen anderseits hat dahier stattgefunden und große Ver-
luste, hauptsächlich auf preußischer Seite, zur Folge gehabt.
Hinter unserm Orte gegen den Küsterwald war der Zusammen-
stoß llnd schlugen sich die süddeutschen Truppen mit einer Bra-
vour , welche den Gegnern Achtung einflößte. Von Baden wa-

ren Theile des 1. und 3. Dragoner-Regiments, namentlich
aber Artillerie im Gefecht, die letztere fügte den Preußen gro-
ßen Schaden bei. Hauptmann Deimling ließ preußische Küras-
siere ziemlich nahe an seine Batterie heransprengen, dann aber
richtete er ein Kartätschenfeuer gegen dieselben, das schreckliche
Verheerungen anstellte. Ganze Haufen von tobten Pferden "la-
gen wie ein Wall da und bezeichneten die Tete des angreifen-
den Regiments. In Großrinderfeld liegen Kirchen, Schulhaus
und Nathhaus voll von Verwundeten, es sind wohl an 500 da-
selbst und genießt Freund und Feind die gleiche Pflege, an der
sich besonders barmherzige Schwestern betheiligen. Man hat
auch hier bemerkt, daß die Preußen vor Allem suchen, ihre
Todten zu begraben, so daß über deren Zahl der Feind keine
Kunde hat. Unser Ort hat großen Schaden gehabt, es ist nichts
Eßbares mehr zu finden, Groß- und Kleinvieh, Geflügel, Mehl,
Alles wurde weggenommen, sogar kaum ein Teller oder ein
Glas war hernach noch zu haben. (M. I.)
Tauberbischofsheim, 28. Juli. In einem der abge-
brannten Häuser fand man die verbrannten Gebeine von acht
Menschen und die Reste von einigen Zündnadelgewehren: es
ist wahrscheinlich, daß solche preußische Verwundete waren,
welche im Hause lagen und so raschen Todt fanden.
Bon der Tauber, 29. Juli. Die Nachrichten vom
Kriegsschauplatz nehmen Erweiterungen an, die hinter den be-
reits gemeldeten Gerüchten nicht zurückbleiben. So sollen heute
früh 2 Tobte nach Sachsenflur gebracht worden sein, die von
ihren Eltern vom Schlachtfelde abgeholt wurden, um sie in dem
Heünathsort zu begraben. Die Bekümmerniß derjenigen, welche
Angehörige im Kampfe hatten oder noch haben, ist groß. Wer
äußerst kann, eilt auf den Kriegsschauplatz, um sich Gewißheit
über das Schicksal seines Sohnes oder Bruders zu verschaffen.
Der Widerstand der Unsrigen muß furchtbar gewesen sein; auch
sind die Preußen über den enormen Verlust der Todten und
Verwundeten in äußerst gereizter Stimmung. Ich habe Aeußer-
ungen hierüber selbst gehört. Gerchsheim besitzt an Vieh nichts
mehr. Ochsen, Kühe, Rinder, Schweine, Hühner, Gänse re., Alles
verzehrt oder mitgenommen. Die Meldung der „Karlsr. Ztg."
von der Brücke in Tauberbischofsheim ist nicht richtig, die Brücke
ist noch ganz. An Sanitäts-Mannschaft ist in Tauberbischofs-
heim ein bundes Durcheinander, aber in friedlichster Weise wett-
eifert dieselbe in den Werken der Liebe.
Deutschland.
Kifliugeu, 30. Juli. Die badische Division ist aus
dem Marsch nach Hause, uno gedenkt heute Abend aus badi-
schem Gebiet zu sein. Unter den Truppen allgemeine
Freude über die Rückkehr. Der Marsch geht über Grüns-
feld.
Würzburg, 27. Juli. Nach zweistündigem Bombarde-
ment — wobei der rechte Flügel der Festung Marienberg, das
sogenannte Commandantschaftsgebäude in Brand gerieth, mstr
viele Hohlgeschosse in dw Stadt ^diesseits des Mains?) fielen
— wurden die Batterwn der Preußen aus Höchberg zu und
aus dem sogenannten Hexeubruch zum Schweigen gebracht. Nach
dem hier vernehmbaren Kleingewehrfeuer zu schließen, werden
Preußen von unserer Infanterie verfolgt. General v. Hart-
mann soll preußische Munition erbeutet haben. Vielleicht soll
dieser Angriff der Preußen auf die Festung nur ihre wirklichen
Absichten maskiren, die wohl auf Eroberung der Ansbacher
Bahn gehen. (A. A. Z.)
Wiirzlmvg, 27. Juli. Das Hauptquartier der bayerischen
Armee ist jetzt in Rottendorf. Heute schießt die Festung in der
Richtung nach Höchberg, wo die Preußen, während ein Theil
unserer Armee sie im Ochsenfurter Gau suchte, Schanzen auf-
geworfen haben. Die Preußen hatten sich diese Nacht in den
umliegenden Wäldern versteckt. Die Schiffbrücken nach Zell und
Veitshöchheim sind von den Bayern verbrannt. Man glaubt hier,
daß die Preußen umzingelt und aus die Festung zugedrängt seien.
Die Festung feuert fast jede Sekunde. Das 9. Infanterieregi-
ment hat von einer Compagnie 84 Mann verloren, das 4.
Infanterieregiment wnnderbarerweise bis jetzt nur 3 Mann und
I Feldwebel. Major Bretthaner vom 10. Regiment ist gefallen.
So eben fallen Kugeln in die Stadt, eine schlug vor dem Wel-
lenbad ein. (A. A. Z.)
Würzburg. Der „Württb. Staatsanzeiger" erfährt aus
einer Depesche, daß die Preußen am 27. Juli vor Würzburg
glänzend zurückc^schlagen worden sind. „Die Preußen werden
sich den heutigen und gestrigen Tag (27. und 26. Juli) merken;
sie haben ungefähr 12 Kanonen im Stich gelassen, aber der
Waffenstillstand hat einen Strich darein gemacht. Von unsern
8 Batterien, die auf sie arbeiteten, ist fast gar kein Verlust;
etwa 6 Offiziere verwundet, wenige Todte. So viel ich weiß,
waren von den Bayern 3 Divisionen engagirt. Württemberger
 
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