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zu führen verkündigte, die Begünstigung einer Jntrigue anzu-
sinnen, deren ganzer Erfolg nur sein könnte: ein Privatinteresse
zu begünstigen und ein anderes rvichteres Privatinteresse, näm-
lich das eines jungen Karlsruher Bürgers, unverantwortlich
zu schädigen, im grellsten Widerspruche mit den humanen frei-
heitlichen Grundsätzen, welche durch die Gesetzgebung von 1860
in Bezug auf Gewerbe und Ernährungswesen bei uns zur Gel-
tung gebracht sind.
Vom Srltcnbach. Wenn man die Lobhudeleien gewisser ;
Tagesblätter und Lokalblättlein auf den siegreichen, dagegen die
Schmähreden auf den besiegten Theil einigermaßen in Erwägung
zieht, kommt man uothwendig zu dem Entschlüsse — ganz ab-
gesehen von anderen nöthig gewordenen Erwägungen —, diesem
Gebühren auszuweichen und ihm völlig den Platz zu räumen,
da für jetzt auch mit den besonnensten Vernunftgründen nichts
auszurichten ist.
Im Uebrigcn gedenken wir bis auf Weiteres an folgenden, !
freilich theilweife ganz veralteten und verrotteten Caprifen fest-
zuhalten :
1) Das Helle, unzweifelhafte Recht bleibt Recht, auch wenn
es, durch die bestorganisirte Gewalt einerseits und durch klassische
Unfähigkeit, Kopflosigkeit und vielleicht noch Schlimmeres anderer-
seits zu Boden getreten, schwer darnieder liegt.
2) 1?08t nudiia UlloeduZ! d. i. zu deutsch: Nach der
Zeit der Anbetung der Erfolge und der „vollendeten Thatsachen"
kommt jeweils die Zeit der Hochhaltung des wieder erstandenen
Rechts.
3) Ungerecht Gnt thut niemals gut.
4) Erlauben mir uns die bescheidene Frage: Wer sitzt nun
tiefer und fester im Pech: Diejenigen, welche nichts weniger
wünschten und wünschen, als unter die preußische Haube sammt
Spitze zu kommen, oder Diejenigen, welche darnach seufzten Tag
und Nacht und nun zum Lohne mit Hohn als unbrauchbare
„Radikale" von jener ab- und zur Ruhe verwiesen werden?
(Fr- St.)
Deutschland.
Bom Main, 7. Sept. Man schreibt dem „Nürn. Corr.":
Die Verhandlungen über Berufung einer Commission zur defini-
tiven Regelung bezüglich der Archive der Bundesversammlung
und der Bundes-Militärcommission werden zwischen den Kabinet-
ten von Wien und Berlin gepflogen und sind dem Vernehmen
nach nun ihrem Abschluß nahe. Wie verlautet-, wird die Com-
mission, welche mit diesem Geschäft betraut werden wird, bei der
Erledigung ihrer Aufgabe dasselbe Verfahren beobachten, welches
seiner Zeit in Betreff der Archive des Reichskammergerichts in;
Wetzlar in Anwendung gebracht worden ist. Aus den Archiven ;
werden diejenigen Akten, welche für eine oder die andere der !
bisherigen Bundesregierungen ein fpecielles Interesse haben, aus-
geschieden und an dieselben verabfolgt werden. Diejenigen Ak-
ten, welche ein gemeinsames Interesse bieten, oder für welche
keine Anmeldungen erhoben werden, bleiben in den Archiven,
welche wahrscheinlich der Obhut der preußischen Regierung wer-
den übergeben werden.
Wiesbaden, 7. Sept. Aus guter Quelle können wir
bestätigen, daß der Kronprinz von Preußen zum Vicekönig von
Hannover bestimmt ist. Nicht mit gleicher Bestimmtheit, aber
doch als wahrscheinlich, verlautet, Prinz Friedrich Karl werde
in Zukunft in Frankfurt, vielleicht abwechselnd mit Kassel und !
Wiesbaden, residiren. (Fr. I.) !
Wiesbaden, 10. Sept. Die gestrige Versammlung libe- :
raler Mitglieder des nassauischen Landtags beschloß ein-
stimmig, dem König von Preußen in einer Adresse die Aner- !
kennung der Annexion auszusprechen und behufs einer dem Lan- !
desinteresse entsprechenden Verfügung über Domänen Borstel- ,
lung zu machen. Eine Siebener-Deputation wird die Adresse
überreichen.
Aschaffenburg, 5. Sept. Gestern Vormittag kam der
dritte Transport preußischer Gefangenen hier an. Dieselben ge-
riethen fast sämmtlich bei dem Reitergefecht bei den Hettstätter
Höhen in Gefangenschaft und waren seither in Würzburg internirt,
während die Gefangenen der beiden ersten Transporte in Ingol-
stadt und Oberhaus internirt waren. Heute früh wurden die
Gefangenen nach Wiesbaden weiter befördert.
Günzburg, 8. Sept. Man schreibt der „Allg. Ztg."
über den Abschied des Herzogs von Nassau von seinen
Truppen: Obgleich der Friedensvertrag zwischen Preußen und
Bayern einen Paragraphen wegen Rücktransport der zur Zeit
auf bayrischem Gebiet befindlichen nassauischen Truppen
enthält, so hat der Herzog von Nassau doch direkt mit dem
Berliner Cabinet über diese Frage verhandelt, und ist unterm
30. August zwischen dem Prinzen Nikolaus von Nassau einer-
seits und dem Grafen Bismarck andererseits eine Convention
zu Stand gekommen, welche den Truppen eine ehrenvolle Rück-
kehr in die Heimath gestattet. Die nassauische Brigade zieht
demgemäß mit vollen militärischen Ehren, Fahnen, Waffen und
klingendem Spiel in Wiesbaden ein. Es folgt darauf der Akt
der Eidesentbindung, das Abliefern der Waffen in das Zeug-
haus, Rückseuden der Fahnen an den Herzog, Beurlaubung der
Truppen bis auf Friedensetat rc. Der Rücktransport beginnt
bereits heute Abend via Stuttgart-Frankfurt und wird mit
jedes Mal 3 Nachtzügen bis Zum 12. d. vollendet sein. Der
Herzog hat heute feinen braven Truppen Lebewohl gesagt; es
war ein erschütternder Akt. Vor dem Erscheinen des Herzogs
wurde den Truppen nachstehender Tagsbefehl corpsweise vor-
gelesen :
Mit dem heutigen Tag verlaßt ihr die hiesige Gegend, um den Rück-
marsch in die Heimath anzutreten. In Folge des unglücklichen Kriegs,
den wir geführt, hat Mir der Sieger Mein Land, unser gemeinsames theu-
res Vaterland, entrissen und erscheine Ich heute zum letzten Mal als euer
Kriegsherr in eurer Mitte, um euch noch einmal vereinigt zu sehen und
Abschied von euch zu nehmen. Ich scheue Mich nicht, es auszusprechen,
daß der Augenblick der Trennung von euch einer der schmerzlichsten Meines
Lebens ist. Der Gedanke hält Mich aufrecht, daß es noch nie eine Schande
gewesen, von einem Stärkeren besiegt zu werden — eine Schande kann es
nur sein, wenn man sich in der Ueberzeugung seines guten Rechts aus
Furcht vor dem Stärkeren nicht wehrt. Mit eurer Hilfe habe Ich es ge-
than; ihr habt Mir treu und gut mit Muth und Ausdauer dabei gedient,
habt während diefes kurzen, aber angreifenden Feldzugs stets die beste
Manneszucht bewahrt, alle Anstrengungen unverdrossen ertragen und zu-
letzt mit Geduld und Ergebung des Tages geharrt, an dem ihr nach dem
heimathlichen Herd zurückkehren könnt; ihr habt gezeigt, daß ihr eurer
Väter werth seid. Mit gerührtem Herzen sage Ich euch Meinen Dank für
die vielen Beweise eurer Anhänglichkeit, die Ich von euch empfangen habe,
gebe euch die Versicherung, daß Ich auch getrennt von euch mit derselben
Liebe euer gedenken werde, mit der Ich euch von jeher zugethan war, und
halte Mich überzeugt, daß auch ihr Mir ein treues Andenken bewahren
werdet. Bei der Rückkehr werdet ihr Nassau von preußischen Truppen be-
setzt finden; fanget keinen Streit mit ihnen an, sondern wie Ich mein
Schicksal mit Ergebung in den Willen der Vorsehung mit männlichem
Muth zu tragen weiß, so zeiget auch ihr, daß ihr euch in Das zu fügen
wißt, was nun nicht zu ändern ist, und gebet Mir einen Beweis von
Anhänglichkeit dadurch, daß ihr der Welt zeiget, die jetzt auf euch sieht,
- daß die nassauische Truppe zwar nicht groß ist, daß sie aber ihren Ruhm
dann sucht, in bösen wie in guten Tagen Gehorsam und strenge Manns-
zucht zu bewahren. Indem Ich Gott Litte, daß er euch und unser theures
Vaterland in seinen gnädigen Schutz nehme, sage Ich euch Lebewohl! —
Hauptquartier Günzburg, 8. Sept. 1866. Adolf.
Wenige Augenblicke nach dein Verlesen diefes Tagesbefehls,
den die Mannschaft in tiefstem Schmerz anhörte, verkündeten
Böllerschüsse und Glockengcläute, Huldigungen, welche die näch-
sten Ortschaften dem unglücklichen, aber ritterlichen Fürsten
darbrachten, dessen Abschied von Günzburg, seinem bisherigen
Exil. Die herrlichste Septembersonne schaute auf das Schau-
spiel herab, das sich in der Nähe der Stadt unter dem Zuströ-
men einer unübersehbaren cheilnehmenden Menge zutrug. Aller
selbst in seinen Phantasien, als er bereits die Besinnung verloren, von
nichts anderm, als von der Seelsorge redete. Immer wollte er fort,
um Missionen zu halten, um zu predigen, um Beicht zu hören und, was
noch merkwürdiger ist, um ihn hievon abzubringen, brauchte es nichts wei-
ter, als eine Erinnerung an den Gehorsam, den er seinen Obern schuldig
fei. Sagte man ihm: „Lieber Pater! Sie dürfen nicht aufstehen, der
Obere will es nicht haben", so war seine Antwort: „Ach, wenn der Obere
geredet hat, so müssen alle Gründe schweigen, dann bleibt uns nur voll-
kommen zu gehorchen." Pater Georg empfing am l.4. August Morgens
4Y2 Uhr die heil. Sterbsacramente, die Auflösung nahte heran, der eigent-
liche Todeskampf dauerte nur fünf Minuten, der gute Pater starb, betrau-
ert von so vielen Seelen, denen er in geistlichen Angelegenheiten beigestan-
den, und beweint von seinen Ordensbrüdern und seinen hohen Verwandten.
Mit Stolz, so fuhr der Redner ungefähr fort, darf die katholische Kirche
Hinblicken aus ihren nun Hingeschiedenen Sohn. Pater Georg war ein
würdiger, ein heiliger Priester im Heiligthum des Herrn. Mit Stolz darf
die Gesellschaft Jesu auf ihn schauen. Er war ein würdiges Glied des
Ordens, ein wahrer Jesuite. In hohem Maße hat er erfüllt die Devise
ihres Stifters : „Omuia all majorem Doi gkorinm ot in salntem unimarnm"
(Alles zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Seelen). Sein ganzes
Leben war einzig dem Streben gewidmet, GotteS Ehre zu verbreiten und
die Seelen zu retten, die Jesus mit seinem Blute erlöst hat. Mit Stolz
darf die durchlauchte fürstliche Familie auf ihn ihre Augen richten. Er ist
in der That ein würdiger Sprosse seines großen Ahnherrn Georg von
Truchseß, dessen Namen er sührte. Hat jener mit der Kraft des Schwertes
den heiligen katholischen Glauben in Oberschwaben vertheidigt, so hat die-
ser mit dem Schwerte des göttlichen Wortes denselben Glauben und das
christliche Leben vertheidigt und auSgebreitet in fast allen Gauen des großen
deutschen Vaterlandes. Feinde kannte er nicht, als die Feinde Jesu Christi,
die schweren Sünden. Zahllose Christen aus allen Theilen Deutschlands,
deren Herzen er gereinigt von Sünden und die er ermuthigte, freudig für
Gott und die Ewigkeit zu leben, verdanken dies der Gnade Gottes und
der Liebe des theuern Verstorbenen. Nur ein Schmerz erfüllt uns, der
Schmerz, daß er so früh heimgegangen zu seinen Ahnen, zu früh für das
durchlauchte Haus, dem er mehr als ein Schutzengel war; zu früh für die
Gesellschaft Jesu, der er so große Dienste leistete; zu früh für seine Mit-
brüder in Christo, welche ihn so schmerzlich vermissen; zu früh für Tau-
sende von Gläubigen, welche von ihm Stärkung in der Tugend und Ret-
tung aus der Sünde erwarteten. Allein nicht zu früh für ihn selbst. Von
ihm gilt das Wort der Schrift: „Früh vollendet, hat er viele Jahre erreicht."
' (Deutsches Volksbl.)
zu führen verkündigte, die Begünstigung einer Jntrigue anzu-
sinnen, deren ganzer Erfolg nur sein könnte: ein Privatinteresse
zu begünstigen und ein anderes rvichteres Privatinteresse, näm-
lich das eines jungen Karlsruher Bürgers, unverantwortlich
zu schädigen, im grellsten Widerspruche mit den humanen frei-
heitlichen Grundsätzen, welche durch die Gesetzgebung von 1860
in Bezug auf Gewerbe und Ernährungswesen bei uns zur Gel-
tung gebracht sind.
Vom Srltcnbach. Wenn man die Lobhudeleien gewisser ;
Tagesblätter und Lokalblättlein auf den siegreichen, dagegen die
Schmähreden auf den besiegten Theil einigermaßen in Erwägung
zieht, kommt man uothwendig zu dem Entschlüsse — ganz ab-
gesehen von anderen nöthig gewordenen Erwägungen —, diesem
Gebühren auszuweichen und ihm völlig den Platz zu räumen,
da für jetzt auch mit den besonnensten Vernunftgründen nichts
auszurichten ist.
Im Uebrigcn gedenken wir bis auf Weiteres an folgenden, !
freilich theilweife ganz veralteten und verrotteten Caprifen fest-
zuhalten :
1) Das Helle, unzweifelhafte Recht bleibt Recht, auch wenn
es, durch die bestorganisirte Gewalt einerseits und durch klassische
Unfähigkeit, Kopflosigkeit und vielleicht noch Schlimmeres anderer-
seits zu Boden getreten, schwer darnieder liegt.
2) 1?08t nudiia UlloeduZ! d. i. zu deutsch: Nach der
Zeit der Anbetung der Erfolge und der „vollendeten Thatsachen"
kommt jeweils die Zeit der Hochhaltung des wieder erstandenen
Rechts.
3) Ungerecht Gnt thut niemals gut.
4) Erlauben mir uns die bescheidene Frage: Wer sitzt nun
tiefer und fester im Pech: Diejenigen, welche nichts weniger
wünschten und wünschen, als unter die preußische Haube sammt
Spitze zu kommen, oder Diejenigen, welche darnach seufzten Tag
und Nacht und nun zum Lohne mit Hohn als unbrauchbare
„Radikale" von jener ab- und zur Ruhe verwiesen werden?
(Fr- St.)
Deutschland.
Bom Main, 7. Sept. Man schreibt dem „Nürn. Corr.":
Die Verhandlungen über Berufung einer Commission zur defini-
tiven Regelung bezüglich der Archive der Bundesversammlung
und der Bundes-Militärcommission werden zwischen den Kabinet-
ten von Wien und Berlin gepflogen und sind dem Vernehmen
nach nun ihrem Abschluß nahe. Wie verlautet-, wird die Com-
mission, welche mit diesem Geschäft betraut werden wird, bei der
Erledigung ihrer Aufgabe dasselbe Verfahren beobachten, welches
seiner Zeit in Betreff der Archive des Reichskammergerichts in;
Wetzlar in Anwendung gebracht worden ist. Aus den Archiven ;
werden diejenigen Akten, welche für eine oder die andere der !
bisherigen Bundesregierungen ein fpecielles Interesse haben, aus-
geschieden und an dieselben verabfolgt werden. Diejenigen Ak-
ten, welche ein gemeinsames Interesse bieten, oder für welche
keine Anmeldungen erhoben werden, bleiben in den Archiven,
welche wahrscheinlich der Obhut der preußischen Regierung wer-
den übergeben werden.
Wiesbaden, 7. Sept. Aus guter Quelle können wir
bestätigen, daß der Kronprinz von Preußen zum Vicekönig von
Hannover bestimmt ist. Nicht mit gleicher Bestimmtheit, aber
doch als wahrscheinlich, verlautet, Prinz Friedrich Karl werde
in Zukunft in Frankfurt, vielleicht abwechselnd mit Kassel und !
Wiesbaden, residiren. (Fr. I.) !
Wiesbaden, 10. Sept. Die gestrige Versammlung libe- :
raler Mitglieder des nassauischen Landtags beschloß ein-
stimmig, dem König von Preußen in einer Adresse die Aner- !
kennung der Annexion auszusprechen und behufs einer dem Lan- !
desinteresse entsprechenden Verfügung über Domänen Borstel- ,
lung zu machen. Eine Siebener-Deputation wird die Adresse
überreichen.
Aschaffenburg, 5. Sept. Gestern Vormittag kam der
dritte Transport preußischer Gefangenen hier an. Dieselben ge-
riethen fast sämmtlich bei dem Reitergefecht bei den Hettstätter
Höhen in Gefangenschaft und waren seither in Würzburg internirt,
während die Gefangenen der beiden ersten Transporte in Ingol-
stadt und Oberhaus internirt waren. Heute früh wurden die
Gefangenen nach Wiesbaden weiter befördert.
Günzburg, 8. Sept. Man schreibt der „Allg. Ztg."
über den Abschied des Herzogs von Nassau von seinen
Truppen: Obgleich der Friedensvertrag zwischen Preußen und
Bayern einen Paragraphen wegen Rücktransport der zur Zeit
auf bayrischem Gebiet befindlichen nassauischen Truppen
enthält, so hat der Herzog von Nassau doch direkt mit dem
Berliner Cabinet über diese Frage verhandelt, und ist unterm
30. August zwischen dem Prinzen Nikolaus von Nassau einer-
seits und dem Grafen Bismarck andererseits eine Convention
zu Stand gekommen, welche den Truppen eine ehrenvolle Rück-
kehr in die Heimath gestattet. Die nassauische Brigade zieht
demgemäß mit vollen militärischen Ehren, Fahnen, Waffen und
klingendem Spiel in Wiesbaden ein. Es folgt darauf der Akt
der Eidesentbindung, das Abliefern der Waffen in das Zeug-
haus, Rückseuden der Fahnen an den Herzog, Beurlaubung der
Truppen bis auf Friedensetat rc. Der Rücktransport beginnt
bereits heute Abend via Stuttgart-Frankfurt und wird mit
jedes Mal 3 Nachtzügen bis Zum 12. d. vollendet sein. Der
Herzog hat heute feinen braven Truppen Lebewohl gesagt; es
war ein erschütternder Akt. Vor dem Erscheinen des Herzogs
wurde den Truppen nachstehender Tagsbefehl corpsweise vor-
gelesen :
Mit dem heutigen Tag verlaßt ihr die hiesige Gegend, um den Rück-
marsch in die Heimath anzutreten. In Folge des unglücklichen Kriegs,
den wir geführt, hat Mir der Sieger Mein Land, unser gemeinsames theu-
res Vaterland, entrissen und erscheine Ich heute zum letzten Mal als euer
Kriegsherr in eurer Mitte, um euch noch einmal vereinigt zu sehen und
Abschied von euch zu nehmen. Ich scheue Mich nicht, es auszusprechen,
daß der Augenblick der Trennung von euch einer der schmerzlichsten Meines
Lebens ist. Der Gedanke hält Mich aufrecht, daß es noch nie eine Schande
gewesen, von einem Stärkeren besiegt zu werden — eine Schande kann es
nur sein, wenn man sich in der Ueberzeugung seines guten Rechts aus
Furcht vor dem Stärkeren nicht wehrt. Mit eurer Hilfe habe Ich es ge-
than; ihr habt Mir treu und gut mit Muth und Ausdauer dabei gedient,
habt während diefes kurzen, aber angreifenden Feldzugs stets die beste
Manneszucht bewahrt, alle Anstrengungen unverdrossen ertragen und zu-
letzt mit Geduld und Ergebung des Tages geharrt, an dem ihr nach dem
heimathlichen Herd zurückkehren könnt; ihr habt gezeigt, daß ihr eurer
Väter werth seid. Mit gerührtem Herzen sage Ich euch Meinen Dank für
die vielen Beweise eurer Anhänglichkeit, die Ich von euch empfangen habe,
gebe euch die Versicherung, daß Ich auch getrennt von euch mit derselben
Liebe euer gedenken werde, mit der Ich euch von jeher zugethan war, und
halte Mich überzeugt, daß auch ihr Mir ein treues Andenken bewahren
werdet. Bei der Rückkehr werdet ihr Nassau von preußischen Truppen be-
setzt finden; fanget keinen Streit mit ihnen an, sondern wie Ich mein
Schicksal mit Ergebung in den Willen der Vorsehung mit männlichem
Muth zu tragen weiß, so zeiget auch ihr, daß ihr euch in Das zu fügen
wißt, was nun nicht zu ändern ist, und gebet Mir einen Beweis von
Anhänglichkeit dadurch, daß ihr der Welt zeiget, die jetzt auf euch sieht,
- daß die nassauische Truppe zwar nicht groß ist, daß sie aber ihren Ruhm
dann sucht, in bösen wie in guten Tagen Gehorsam und strenge Manns-
zucht zu bewahren. Indem Ich Gott Litte, daß er euch und unser theures
Vaterland in seinen gnädigen Schutz nehme, sage Ich euch Lebewohl! —
Hauptquartier Günzburg, 8. Sept. 1866. Adolf.
Wenige Augenblicke nach dein Verlesen diefes Tagesbefehls,
den die Mannschaft in tiefstem Schmerz anhörte, verkündeten
Böllerschüsse und Glockengcläute, Huldigungen, welche die näch-
sten Ortschaften dem unglücklichen, aber ritterlichen Fürsten
darbrachten, dessen Abschied von Günzburg, seinem bisherigen
Exil. Die herrlichste Septembersonne schaute auf das Schau-
spiel herab, das sich in der Nähe der Stadt unter dem Zuströ-
men einer unübersehbaren cheilnehmenden Menge zutrug. Aller
selbst in seinen Phantasien, als er bereits die Besinnung verloren, von
nichts anderm, als von der Seelsorge redete. Immer wollte er fort,
um Missionen zu halten, um zu predigen, um Beicht zu hören und, was
noch merkwürdiger ist, um ihn hievon abzubringen, brauchte es nichts wei-
ter, als eine Erinnerung an den Gehorsam, den er seinen Obern schuldig
fei. Sagte man ihm: „Lieber Pater! Sie dürfen nicht aufstehen, der
Obere will es nicht haben", so war seine Antwort: „Ach, wenn der Obere
geredet hat, so müssen alle Gründe schweigen, dann bleibt uns nur voll-
kommen zu gehorchen." Pater Georg empfing am l.4. August Morgens
4Y2 Uhr die heil. Sterbsacramente, die Auflösung nahte heran, der eigent-
liche Todeskampf dauerte nur fünf Minuten, der gute Pater starb, betrau-
ert von so vielen Seelen, denen er in geistlichen Angelegenheiten beigestan-
den, und beweint von seinen Ordensbrüdern und seinen hohen Verwandten.
Mit Stolz, so fuhr der Redner ungefähr fort, darf die katholische Kirche
Hinblicken aus ihren nun Hingeschiedenen Sohn. Pater Georg war ein
würdiger, ein heiliger Priester im Heiligthum des Herrn. Mit Stolz darf
die Gesellschaft Jesu auf ihn schauen. Er war ein würdiges Glied des
Ordens, ein wahrer Jesuite. In hohem Maße hat er erfüllt die Devise
ihres Stifters : „Omuia all majorem Doi gkorinm ot in salntem unimarnm"
(Alles zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Seelen). Sein ganzes
Leben war einzig dem Streben gewidmet, GotteS Ehre zu verbreiten und
die Seelen zu retten, die Jesus mit seinem Blute erlöst hat. Mit Stolz
darf die durchlauchte fürstliche Familie auf ihn ihre Augen richten. Er ist
in der That ein würdiger Sprosse seines großen Ahnherrn Georg von
Truchseß, dessen Namen er sührte. Hat jener mit der Kraft des Schwertes
den heiligen katholischen Glauben in Oberschwaben vertheidigt, so hat die-
ser mit dem Schwerte des göttlichen Wortes denselben Glauben und das
christliche Leben vertheidigt und auSgebreitet in fast allen Gauen des großen
deutschen Vaterlandes. Feinde kannte er nicht, als die Feinde Jesu Christi,
die schweren Sünden. Zahllose Christen aus allen Theilen Deutschlands,
deren Herzen er gereinigt von Sünden und die er ermuthigte, freudig für
Gott und die Ewigkeit zu leben, verdanken dies der Gnade Gottes und
der Liebe des theuern Verstorbenen. Nur ein Schmerz erfüllt uns, der
Schmerz, daß er so früh heimgegangen zu seinen Ahnen, zu früh für das
durchlauchte Haus, dem er mehr als ein Schutzengel war; zu früh für die
Gesellschaft Jesu, der er so große Dienste leistete; zu früh für seine Mit-
brüder in Christo, welche ihn so schmerzlich vermissen; zu früh für Tau-
sende von Gläubigen, welche von ihm Stärkung in der Tugend und Ret-
tung aus der Sünde erwarteten. Allein nicht zu früh für ihn selbst. Von
ihm gilt das Wort der Schrift: „Früh vollendet, hat er viele Jahre erreicht."
' (Deutsches Volksbl.)