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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0456

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462

in Böhmen und Mähren die Commissionen zur Erhebung der
Kriegsschäden ihre Funktion beginnen. Es wurden bereits 6
Millionen Gulden als Entschädigung votirt, doch dürfte damit
nur ein Theil der Schäden gedeckt werden.
Wien, 16. Sept. Die orientalische Frage beschäftigt
auch hier die allgemeine Aufmerksamkeit. Die Nachricht, daß
Oesterreich ein Observationscorps an der türkischen Grenze auf-
stellen werde, ist jedenfalls noch verfrüht. Unsere Regierung
muß den weitern Verlauf der Ereignisse abwarten, ehe sie zu
einer Maßnahme schreitet, deren Kosten bei uns nicht so leicht
aufzubringen sind. Nur die äußerste Dringlichkeit könnte dazu
verleiten. Eine kleine Abtheilung unserer Marine wird jedoch
nach der Levante unter Segel gehen. Inzwischen wird vor-
läufig bei uns alles Mögliche gethan, um unsere Armee
schleunigst auf den Friedensfuß zu bringen. Aus einer
heute hier erschienenen öffentlichen Kundmachung geht hervor,
daß Wien und seine Umgebung endlich einmal von den so lästi-
gen Einquartierungen befreit werden wird. Die Truppen wer-
den in ihre Friedensstand-Plätze beordert, die Werbungen Frei-
williger eingestellt und Beurlaubungen in großen Verhältnissen
vorgenommen. -—Die Befestigung Wiens ist grundsätzlich an-
genommen, jedoch dürften die Arbeiten erst im künftigen Jahre
begonnen werden. — Erzherzog Stephan befindet sich jetzt
in Gemünden. Seine Gesundheit ist solchergestalt angegriffen,
daß er die beabsichtigt gewesene Reise nach dem südlichen Frank-
reich nicht antreten kann.
Wien, 18. Sept. Gutem Vernehmen nach ist Baron
Werth er nicht — wenigstens znnächst nicht — wie früher
zum außerordentlichen Gesandten und Bevollmächtigten Minister
Preußens, sondern zum „Gesandten in außerordentlicher Mis-
sion" ernannt. Vollständig unrichtig aber wäre es, daraus
schließen zu wollen, daß er hier nur eine einzelne Frage zu
verhandeln bevollmächtigt worden. Er vertritt vielmehr — in
der gedachten Form — Preußen überall und vollständig. (K. Z.)
Wien, 19. Sept. Die „Debatte" meldet aus Rom:
Der Kardinal Fürst Hohenlohe ist am 16. d. mit einem
päpstlichen Handschreiben an die Königin von England nach
London abgereist. Vorher häufiger Verkehr mit dem brittischen
Geschäftsträger und dem französischen Botschafter.
Prag, 18. Sept. Weitere Ausschreitungen und Excesse
werden befürchtet. Der Bürgermeister erklärte indeß Deputa-
tionen gegenüber, daß für die Ausrechthaftung der Ordnung ge-
sorgt sei. Den Bahnhof umlagern zahlreiche Communalpatrouil-
len. Die Abfahrt der Preußen dürfte vielleicht verzögert wer-
den. — Mit dem Grafen Rothkirch wird wegen Uebernahme
des Siatthalterpostens unterhandelt. (Presse.)
Prag, 17. Sept. Die Preußen ziehen morgen Nacht um
10 Uhr ab; die österreichischen Truppen kommen übermorgen
früh an; die preußische Civilverwaftung verbleibt einstweilen
wegen der Geschäftsabwicklung, besonders der Abrechnung mit
den Bahnen. Die preußische Post ist aufgehoben. — Nach
einem Telegramm ist das ehemalige Reichsraths-Mitglied, Hr.
Brosche, in Kadolz an der Cholera gestorben. -— Heute und
gestern haben Pöbelexzcsse gegen Käufer preußischer Verpflegsartikel
stattgesunden. — Der preußische Gouverneur v. Falken st ein,
der Vicegouverneur Erich, die Adjutantur, Kriegskasse und
das Auditorat sind von Teplitz mit dem Postzug über Aussig
abgereist.
N u § k L K lü.
Paris, 19. Sept., Morgens. Der „Moniteur" verkün-
digt, daß der Kaiser gestern einen Bries des Königs der Helle-
nen erhielt, welcher das für den kaiserlichen Prinzen bestimmte
Großkreuz des Erlöserordens begleitete.
Paris, 18. Sept. Der „France" zufolge scheint die Ab-
reise des Kaisers nach Biarritz auf Donnerstag festgesetzt zu
sein.— Dasselbe Blatt meldet, datz Mazzini in der Schweiz
ist und dort dafür eine Agitation hervorzurufen sucht, daß
Venedig wieder eine Republik wird, deren Doge er dann sein
würde. — Die „Patrie" glaubt zu wissen, daß die Zuaven
und die Fußjäger, wie die hundert Linienregimenter das neue
Hinterladungsgewehr erhalten werden. Man glaubt, daß
die Fabrikation so schnell vor sich gehen kann, daß binnen 2
Jahren die ganze französische Infanterie mit dieser Waffe ver-
sehen sein wird.

Florenz, 18. Sept., Mittags. Nach der „Nazione" wäre
die Frage der venetianischen Schuld ihrer Lösung nahe. Oester-
reich habe außer der Uebernahme der Schuld eine Baarsumme
von 73 Millionen verlangt, worauf es Venetien räumen werde.
Italien habe dies als Verhandlungsbasis angenommen und ent-
gegenkommende Vorschläge gemacht. Frankreich und Preußen
suchen die Parteien zu einigen; Letzteres soll zu wirksamer Un-
terstützung des Prager Friedens Böhmen bis zum Abschluß des
Friedens zwischen Oesterreich und Italien besetzt halten wollen.
Florenz, 18. Sept. Es heißt, die in Palermo einge-
zogenen Banden haben sich im Kloster von Montreale einge-
schlossen und verlangen Beibehaltung der religiösen Körperschaften.
Die Nationalgarden von Palermo und der Umgegend leisten
eifrigen Beistand zur Wiederherstellung der Ordnung. — General
Men ab rea hat bezüglich der venetianischen Schuld einen Ver-
mittlungsvorschlag gemacht, der von Preußen und Frankreich
unterstützt wird.
Mailand, 20. Sept. Nachrichten aus Palermo zufolge
bewerkstelligten die die dortigen Berge durchstreifenden Banden
am 13. d. M. ihre Vereinigung und warfen sich Nachts mit
solcher Kühnheit auf die Stadt, daß sie sich in einigen Stadt-
Heilen befestigen konnten. Das beiderseitige Feuern dauerte noch
am 16. d. fort. Die Regierung schickt 14 Bataillone unter
i Medici nach Sicilien.
St. Petersburg, 18. Sept. In Moskau fand gestern
die feierliche Eröffnung der trefflich gebauten Kostower Eisen-
bahn statt.

X Die Homilie« ftiterati der Haisabschnciberin.
In der bayerischen Kammer sagte einst in sturmbewegter
i Zeit der Abgeordnete v. Lassaulx: „Die republikanischen Römer
! hatten die Sitte, die öffentlichen Verläumder auf eine
sehr zweckmäßige Weise zu bestrafen. Sie haben zu diesem Zwecke
die Iwx Rewrniu erlassen, welche bestimmt, daß einem über-
wiese nen Verläumder die Illtsi-u 0 (aaluwuiutor) auf
' die Stirne gebrannt werde; und diese Menschen nannte man
dann spottweise Irowiu68 litsruti." — Solche ehrlose, mit der
öffentlichen Verachtung aller Gutgesinnten gebrandmarkte uowiues
! litsiwti sind es auch, welche ihre niederträchtigen Lügen, Ver-
! läumdungen und Verdächtigungen gegen die Katholiken fort und
fort in der bekannten alten Scharteke ansspeien, und von denen
i gift, was derselbe Professor v. Lassaulx am 20. Febr. 1850 in
der bayerischen Kammer sagte: „Das natürliche Princip des
Strafrechts ist, wie die Cufturgeschichte der civilisirten Völker
zeigt, daß der Verbrecher an demjenigen Theile gestraft werde,
! mit welchem er gesündigt hat. Die angemessenste Strafe für
- jene Sünden, welche durch ein ungewaschenes freches und lügen-
haftes Maul begangen werden, wäre demnach die, daß man
! diese Menschen zeitweise oder für immer mundtodt erklärte.
Diese Strafe müßte etwa dadurch geschärft werden, daß man
Auswürflinge, die sich solche Niederträchtigkeiten erlaubt haben,
auf öffentlichem Markte durch die Hand des Schinders maul-
schelliren ließe."
Bei dem Central-Unterstützungs - Comitü der großdeutsch-katholischen
Partei sind seit unsrem Rechenschaftsbericht weiter eingegangen:
an Geld: von Oestringen 5 fl. 43 kr.; vom kath. Männerverein
Constanz durch Hrn. Kaufmann Wunsch 68 fl. 13 kr.; von Meßkirch 2sl.;
von Seckenheim 5 fl.; von Neckargemünd „als Beweis spezieller Indemnitäts-
bewilligung" 20 fl.; von lner von A. F. 5 fl. 30 kr.; von Ung. 2 fl. 30 kr.;
von Z. H. 5 fl.; von K. 2 fl. 42 kr.; von Ung. 1 fl.; von Ung. 1 fl.;
von F. 30. kr.; von Ung. 24 kr.; ferner, von F. W. in Hagen (Rheinpreu-
ßen) 1 fl. 45 kr. ; von Fr. Travers in Lorch a. Rhein, Herzogth. Nassau
5 fl.; zusammen 125 fl. 56 kr.
Ferner von Frau G. 5 Pfd. gebr. Caffee, 1 Pfd. Thee und Zimmt;
von Frau L. W. 4 Pfd. gebr. Cassee; von K. 50 Pfd. Reis und 50 Pfd.
Gerste; von Th. 12 Pfd. grüne Kerne u. 10 Pfd. Reiß ; von F. 1 Säckchen
Dürrobst; von P. 5 Pfd. Kerne und Gerste; von B. 5 Pfd. Kerne und
Zwiebacke.
Diese Natural - Gaben sowie von uns angekaufte 1 Ohm feinen rothen
Wein, 25 Pfd. gebr. Kaffee, 2 Zuckerhüte und 2 Pfd. Thee, sowie 100 fk.
in baar wurden in den letzten Tagen von uns an das Comitö nach Wall-
dürn für die dortigen an der Cholera Leidenden und Dürftigen abgesendet.
Wir sagen den edlen Gebern wiederholt unsren herzlichsten Dank.
Heidelberg, 21. Septbr. 1866.
Für das Comita: Jacob Lindau.
Redaktion für die Dauer der Abwesenheit d, Hrn. Flaschon: L. Schweiß.

ErAärmlg.
Heute wurde vor dem hiesigen Schöffen-
gericht die Sache voll Lehrer Adler wegen
Körperverletzung gegen die Schuster Arnold
und Herbig verhandelt. Arnold wurde vor
6 Wochen um Mitternacht denn Eintritt
in das Wohnhaus voll den Adlers (Vater,
Sohn und 4 Töchter) überfallen und erhielt
meuchlings außer andern Körperverletzungen

auch einen Messerstich nebelt das Auge, der,
wäre er einen halben Zoll vorwärts gegan-
gen, ihm das Auge, einen halben Zoll rück-
wärts bei Verletzung der Mllsria teivpo-
rufts das Leben gekostet haben würde. Die
Aussagen des Hauseigenthümers — der selbst
schon, sowie seine Angehörigen voll diesen
Adlers auf eine furiose Weise mit blanken
Messern bedroht worden war — wurden

von Seiten des Herrn Staatsanwalts nicht
beachtet. —- Die Sache selbst anlangend,
so ist es eben immer schlimm, mit Rene-
gaten zu thun zu haben. Die Geldstrafe,
zu welcher diese Adlers verurtheilt wurden,
werden sie schwerlich bezahlen.
vr. F. Epp.
 
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