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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43883#0457

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Pfälzer

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag
Donnerstag und Samstag.

für Stadt


Bote

Preis: vierteljährl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.

M 113.

Dienstag den 25. September

1866.

* Frankreich und das Rundschreiben Lavalette's.
Das Rundschreiben Lavalette's wird von den Blättern im
Allgemeinen als sehr friedlich aufgefaßt, indessen sind doch darin,
wie in allen Schriftstücken der napoleonischen Regierung, so viele
Hinterthüren offen gehalten, daß matt sich der Ansicht unmög-
lich verschließen kann, es sei damit nur ein Aufschub der
Feindseligkeiten gegen Preußen beabsichtigt, aber keineswegs ein
Aufgeben der von Frankreich stets im Stillen genährten Gelüste.
Namentlich die am Schluffe des Aktenstückes scharf betonten
Rüstungen Frankreichs sind nicht geeignet, den Glauben an
Aufrechthaltung des allgemeinen Friedens bestärken zu können.
Wozu denn auch die großen Rüstungen, wenn eine Aera des
Friedens, die das ministerielle Schreiben in geschraubten und halb
verlegenen Wendungen prophezeien möchte, jetzt im Anzuge be-
griffen ist? Wozu und gegen wen die Rüstungen, wenn Oester-
reich, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, keinen Gegenstand
der Eifersucht uud der Feindseligkeit mehr abgeben kann, nach-
dem es aus Italien völlig verzichtet hat? wozu, wenn Preußens
Vergrößerung keine Eifersucht bei Frankreich zu wecken vermag,
sondern wenn dieses vielmehr sich sreut, daß Preußen mit sei-
ner aufstrebenden Militärmacht ihm täglich näher auf den
Nacken kommt? Das sind alles Unbegreiflichkeiten und nur dazu
in Scene gesetzt, um die derbe diplomatische Ohrfeige in Abrede
zu stellen, die der dermaligen französischen Staatsleitung von
dem preußischen Junkerminister applicirt worden ist. Das fühlt
denn auch das französische Volk, das Heer und die Presse, und
daher die durchaus ungünstige Beurtheilung., die dem Regie-
rungsmanifeste zu Theil wird. Die gesammte französische Presse
tritt so heftig und scharf in ihrer Kritik aus, wie man dies bei
den strengen Preßgesetzen in Frankreich bisher für unmöglich
gehalten hätte, was aber als Beweis dienen mag, daß Napoleon,
der bekanntlich für das was im Volke lebt und webt, sehr seine
Ohren hat, auf diese Weise die Stimmung der Nation am un-
verfälschtesten zu erfahren trachtet. Um nur ein Beispiel an-
zuführen, so drückt sich die „Presse" u. A. folgendermaßen aus:
„Wenn die öffentliche Meinung Frankreichs bewegt ist, so hat
dies nicht darin seinen Grund, daß sie zwischen der Erhaltung
des Friedens und dem Kriege schwankt; die Regierung selbst,
wenn sie vor eine solche Alternative gestellt wäre, dürste sich
nicht schwankend zeigen. Die öffentliche Meinung ist vor Allem
nicht dadurch beunruhigt, daß sie iu der unbestreitbaren Ver-
größerung Preußens eine unmittelbare Gefahr für Frank-
Wo süß der Hoahn?
Erinnerung aus einem Jägerleben.
(Fortsetzung.)
Ich will es nicht versuchen, die schlaflosen Nächte zu schildern, die auf
mein Rencontre mit Sepp folgten; mir schwebten Schneefelder, Abgründe,
Auerhähne, Gemsen und Gott weiß was alles, vor der Seele, und sobald
ich die Augen schloß, war es mir, als wenn ich von einer eisernen Faust
gepackt vorwärts gezogen und zu den verzweifeltsten Sprüngen gezwungen
würde; dabei hörte ich beständig das Balzen, wie es mir vom Wirthe vor-
gemacht worden war, indem er seine zweizinkige Tranchirgabel gegen das
Messer schlug, mit dem er Morgens die Kälber schlachtete, die wir Abends
als Nierenbraten verzehrten; ich sah in meinen Phantasien nichts als Auer-
huhne, schmückte in Gedanken meinen Hut mit den schönsten Federn und
hatte schon — sreilich nur im Traume so viele Hähne erlegt, daß ich mein
Kopfkissen mit den Dunen füllen konnte; ja, ich wurde eines Morgens,
als ich eben eingeschlafen war, vom Stubenmädchen geweckt, als ich damit
beschäftigt war, Sepp um den Hals zu fallen, nachdem ich einen Meister-
schuß gethan. Nur ein eisriger Jäger, der täglich andere von den Aben-
teuern einer Hochgebirgsjagd erzählen hört und vor Verlangen glüht, ruhm-
gekrönt von einer Excursion in die Alpen heimzukehren, kann sich einen
Begriff von der Aufregung machen, in welcher ich mich befand, und nur
ein Jüngling, der eben den ersten Liebesbrief bekommen, hat ein Verständ-
nis; von den Gefühlen, die mich bestürmten, als Sepp endlich nach langem,
vergeblichen Harren seine Frau zu mir schickte und mich bitten ließ, Nach-
mittags 3 Uhr hinter der „Kapellen" auf ihn zu warten. Ich vergaß vor
lauter Freude, daß es eigentlich sehr beleidigend sür mich war, daß Sepp
nicht selbst gekommen war und daß er nicht mit mir durchs Dorf gehen
wollte; ja, es amüfirte mich und erhöhte den Reiz des Ganzen, daß die
Frau mich bat, ich möge doch um aller Heiligen willen keinem Menschen

reich sucht — die Bewegung, welche sich des ganzen Landes be-
mächtigt hat, beruht vielmehr auf sittlichen Ursachen, und
das Circular, welches politische Befürchtungen, wenn sie
existirten, zerstreuen konnte, enthielt nichts und konnte nichts
enthalten, um einen unvertilgbaren Eindruck abzuschwächen.
Wir haben die Verträge mit Füßen treten sehen — wir, deren
Ehre es ist, im Jahre 1789 den Grundsatz proclamirt zu ha-
ben, daß die Völker über sich selbst verfügen müssen, wir, die
wir die Repräsentanten dieses großen Princips sind, die wir
umern Ruhm darein gesetzt haben, dasselbe um den Preis un-
seres Blutes triumphiren zu machen, die wir dasselbe mit Hint-
ansetzung unserer eigenen Interessen geachtet haben — wir ha-
ben gesehen, daß Völker gegen ihren offenkundigen und laut er-
klärten Willen ihrer Unabhängigkeit, ihrer Institutionen und
ihrer Freiheiten durch einen Sieger beraubt wurden, welcher
fern davon, diesen Widerstand der Bevölkerung zu verkennen
oder zu bestreiten, mit Ostentation erklärt, daß er ihre Rechte
mit Füßen tritt, weil dies in seinem Interesse liegt. Das ist
es was Frankreich aufgeregt hat und noch aufregt,
und wehe unserm Lande an dem Tage, wo ein solches Schau-
spiel es gleichgültig lassen könnte; es würde seinen besten An-
spruch verloren haben, an der Spitze der Civilisation zu schrei-
ten, es würde jenes unwiderstehlichen Aufschwunges unfähig ge-
worden sein, welcher es in den Stand setzt, ganz Europa zu
trotzen. Frankreich hat den Krieg für eine Idee unternommen;
man wundere sich deshalb nicht, daß es vorUnmuth zit-
tert, wenn es dem Triumphe der brutalen Gewalt zusehen
muß und wenn es die Idee in Gefahr sieht, welche ihm über
Alles theuer ist, die Idee, welche in ihm verkörpert ist — die
der Volkssouveränität. Suche man deßhalb die Quelle
der Gefühle, welche von einem Ende Frankreichs bis zum an-
dern sich jetzt kundgeben, nicht in kleinlicher Eifersucht oder in
knabenhaftem Schrecken; der wahre Grund derselben ist jenes
sittliche Uebelbefinden, welches alle freien und redlichen Geister
Angesichts eines großen Unrechts empfinden. Seit der Theilung
Polens ist nichts Aehnliches geschehen, und mit großer Trauer
sehen die Freunde der Freiheit, daß solches im Jahre 1866
möglich war."
Mag man von vielen dieser humanistischen Redensarten
der Franzosen auch noch so gering denken — Eines steht im-
merhin fest: Preußen hat durch die nackte, rücksichtsloseste Ge-
walt eine Reihe deutscher Völkerschaften sich einverleibt, ganz
ein Sterbenswort sagen, denn ihr Mann „fchamete sich ja die Augen ausm
Kopf, wann's d'Leut wüßten, daß er mit Ew. Gnaden auf'n Hoahn
gänget!"
Ich versprach der guten Frau ewige Verschwiegenheit; kaum hatte sie
aber das Haus verlassen, als ich den Wirth kommen ließ, ihm mein Vor-
haben mittheilte und ihn aufforderte, meine Jagdtasche mit Wein und
Lebensmitteln zu füllen; er hörte mich schweigend an, verbiß sein Lächeln
und nahm die Jagdtasche mit hinab in die Küche. Einige Augenblicke später
hörte ich schallendes Gelächter, und als ich mich nach der Ursache der allge-
meinen Heiterkeit erkundigte, konnten weder Mirzel noch Beppi, weder To-
ni noch Kathi mir antworten! Der Wirth drehte mir aber den Rücken zu
und pfropfte meine Tasche voll Schinken und Semmeln. Es blieb mir
kein Zweifel, ich war der Gegenstand ihrer spöttischen Bemerkungen gewesen.
Einen Augenblick schwankte ich, ob ich den Wirth auf seinen Standpunkt
zurückführen solle, bald besann ich mich aber eines Besseren und schlich mit
dem festen Vorsatze auf mein Zimmer zurück, nicht heimzukehren, bis ich
meine Jägerehre glänzend wieder hergestellt hätte.
Aus Furcht vor Spötteleien meiner Tischgenoffen und aus Mangel
an Appetit — denn ich war so aufgeregt, daß ich nichts hätte essen können
— hielt ich mich auf meinem Zimmer auf bis endlich der ersehnte Augen-
blick kam, wo ich das Rendezvous mit Sepp haben sollte. Stolz wie ein
Spanier schritt ich durch das Dorf, ohne rechts oder links zu blicken; so-
gar die Hunde, die mich giftig anbellten, würdigte ich keines Blickes, und
als ich bei der Kapelle ankam und Sepp hinter einer alten Fichte vorsichtig
umherlugen sah, schritt ich voll der schönsten Hoffnungen auf ihn zu und
bot ihm die Hand zum Gruß.
„Grüß Ihne Gott", sagte Sepp, und ohne meinen Händedruck beson-
ders herzlich zu erwidern, stieg er bergan, mir es überlassend, mit meinem
schweren Ranzen nachzufolgen. Es war ein steiler Pfad, das Regenwetter
hatte ihn schlükrig gemacht, hin und wieder lagen noch Schnee und Eis,
 
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