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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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neu das Glück haben, gleich vom Beginn des Krieges an Großes
erwarteten. Es ist Alfred v. Vivenot, der ausgezeichnete Ge-
schichtschreiber, aus dessen Werk wir unsern Lesern Proben mit-
theilten, der tapfere Soldat, der glühende Patriot. Wir haben
unlängst unsern Lesern im Feuilleton des Blattes seine Thaten
als Commandant des Landsturins in Böhmen mitgetheilt und
ihnen vor Augen geführt, wie Vivenot mit seiner tapferen Schaar
unablässig bald da, bald dort im Rücken und in der Flanke die
Preußen beunruhigte, ihnen Gefangene und Zufuhren wegnahm
und den Schrecken bis in ferne Gegenden verbreitete, wie dann
der Feind einen hohen Preis auf den Kopf des Freischaarenfüh-
rers setzte, wie dieser aber auch nach dem Waffenstillstände es
verstand, mit seinem Corps nach gefahrvollen und mühseligen
Märschen den ringsum lauernden Preußen zu entgehen und die
jenseitige Demarkationslinie zu erreichen. Hätte Oesterreich viele
solcher Führer gehabt, die selbstständig zu handeln wußten und
hätte man dort wie bei uns den hohen Werth der Volksbewaff-
nung richtig erkannt und benützt, wie ganz anders sähe es jetzt
aus! Nunmehr hat Vivenot nach abgeschlossenem Frieden seinen
Landsturm aufgelöst und nimmt in einen: Corpsbefehl Abschied
von seinen Tapferen, worin er unter Andern: sagt: „Was in den !
wenigen Tagen unseres Beisammenseins geleistet worden ist, liefert
den unumstößlichen Beweis, daß wir Hand angelegt hatten ani
ein dem Vaterlande nutzbringendes Unternehmen. Die Bestürzung
des Feindes, der während der wenigen Tage unserer Thätigkeit!
fast ganz Nordmähreu und das nördliche Schlesien bis Troppau
geräumt hat, die ohnmächtige Wuth, mit welcher er unsere Spur!
überall zu verfolgen bemüht blieb, ja noch während des Waffen-
stillstandes in Altstadt, Engelsberg, Karlsbrunn u. s. w. mit fieber-
hafter Ungeduld und starker Macht verfolgte, endlich der Preis,
den er auf die Gefangennahme Eures Commanoanten zu setzen j
sich beeilte, alle diese Thatfachen geben Zeugniß ab sür den Werth j
der Leistungen eines jeden Einzelnen, der sich mit hingebender Be-
geisterung, erfüllt von Vaterlandsliebe, unserem fliegenden Corps!
freiwillig angeschlossen hat. Alfred v. Vivenot."
Bom Neckar, 17. Sept. Von demokratischer Seite -
wird der frühere Minister Frhr. v. Edels he im bei der dem- !
nächst in Mannheim stattfindenden Wahl zum Abgeordneten ,
vorgeschlagen. Wir könnten nur wünschen, daß die Stadt sich !
selbst durch diese Wahl ehren möchte; indessen soll das gothaer
Element in: Wahlcollegium sehr bedeutend sein. Das Erscheinen
Edelsheim's in der Kammer würde zu vielfachen, wichtigen
Ausschlüssen führen können, und überdies wäre er ganz der
geeignete Mann, allen reaeüonären Strömungen, die jetzt in
unseren oberen Regionen stark vorherrschen, mit Entschlossenheit !
entgegenzutreten.
Deutschland.
Oppenheim, 14. Sept. Die Cholera breitet sich in un-
serer Stadt in bedenklicher Weise aus. In der Nacht von
Mittwoch auf Donnerstag starben wieder fünf Erwachsene an der
Cholera und lagen gestern sieben Todte im hiesigen Leichenhause,
ein hier bis jetzt unerhörter Fall. Der Verlauf der Krankheit
ist ein äußerst rascher. Binnen vier bis sechs Stunden sind
die davon Befallenen Leichen. Die energischsten Maßregeln sind
getroffen. Die Häuser, worin die Cholerakranken liegen, sind
mit einem Täfelchen bezeichnet und die Schulen geschlossen.
(M. A.)
Frankfurt, 16. Sept. Unser Westende ist seit 2 Uhr
Nachmittags in großer Aufregung. Etwa 1500 Landwehrmänner
des 32. Regiments sind von Mainz zu Fuß hierhergekommen und
sollten weiter nordwärts marschiren. In die Nähe der Bahnhöfe
gekommen, weigerten sich die ermüdeten Leute, ihren Marsch fort-
zusetzen. „Man hat uns per Eisenbahn in den Krieg geführt,
nun kann man uns auch wieder nach Hause bringen", hörte man
unausgesetzt rufen; dazwischen nicht wiederzugebende Venvünschun-
gen. Ein höherer Offizier wurde insnltirt. Die Leute sind un-
bewaffnet, da man ihnen schon in Mainz die Waffen abgenom-
men hat, die meisten mit großen Stöcken versehen. Um 5 Uhr
suchten sie zum Schnellzug der Weserbahn zu gelangen; der Bahn-
hof sowie die ganze Umgegend war jedoch von Linientruppen be-
setzt. Gegen 6 Uhr erschien General Manteuffel und suchte sie
zu beschwichtigen. Vergebens. Nunmehr sind es volle sünf Stun-
den daß die Landwehrleute den Bahnhof und die anliegenden
Straßen umlagern, oder in kleiner: Trupps schreiend und tobend
umherziehen. Einquartieren wollen sie sich nicht lassen; sie erklä-
ren auf der Straße bivouakiren zu wollen, wenn man sie nicht
per Eisenbahn befördere. —- DaS „Frkf. Journ." bringt über
den Vorfall ebenfalls eine ihn: zugegangene Mittheilung, ar: deren
Schluß es heißt: „Diese Ungehörigkeit mit Strenge zurückzuweisen,
märe bei der starker: Anzahl der bald versammelten hiesigen Trup-
pen leicht gewesen, hätte aber gewiß, den Mannschaften gegenüber,
welche sich erst vor Kurzen: im Kriege rühmlich geschlagen hat-

ten bedangt werden müssen. Glücklicherweise brauchte es da-
zu nicht zu kommen. In den Leuten, obgleich ein Theil der-
selben stark angetrunken wär, herrschte doch der mrlttärrsche
Geist so weit vor, daß sie zur rechtest' Ail noch zum Bewußt-
sein kamen und willig in die ihnen angewiesene Kaserne zurück-
kehrten. Ob diese Vorgänge für die auf dem Bahnhof befind-
lich gewesenen Mannschaften Folge haben werden, ist abzüwäto
ten. Die Ruhe der Stadt ist nicht einen Augenblick gestört
worden." (Der Vorgang ist uns durch zuverlässige Privatmit--
theilungen weit bedrohlicher geschildert worden. Die Redaktion.)
Frankfurt, 15. Sept. Unter unserer Bürgerschaft ist ein
Protest gegen die Einverleibung in den preußischen Staat in
Umlauf. Er erhält dem Vernehmen nach zahlreiche Unterschriften.
Frankfurt, 17. Sept. Nachdem in voriger Woche der
königl. Civilcommissär, Hr. Landrath v. Madai, von einer Ver-
pflichtung des Gesetzgeb. Körpers und der stündigen Bürgerreprä-
sentation Abstand genommen, ist gleichzeitig, wie wir vernehmen,
dem Senat die Eröffnung zugegangen, daß die beiden genannten
Körperschaften wieder außer Funktionen zu treten und sich jeder
Amtshandlung zu enthalten haben.
München, 15. Sept. Der Großherzog von Hessen wird
mit seinen Ministern und seinem Hofstaat nach einem zwei-
monatlichen Aufenthalt in unserer Stadt morgen oder über-
morgen nach Darmstadt zurückkehren.
München, 17. Sept. Der Großherzog von Hessen ist
mit seinem gesammten Gefolge heute nach dem Großherzogthum
zurückgekehrt, nachdem die im Friedensvertrag zwischen Preußen
und Hessen stipulirte Kriegskosten-Entschädigung von 3 Millio-
nen Gulden durch die Bank in Darmstadt und durch m Er-
langer und Söhne in Frankfurt für Rechnung der großh. Staats-
kasse in Berlin erlegt worden ist.
Berlin, 16. Sep. Die Commission des Herrenhauses für
das Reichswahlgesetz verwarf den Paragraphen Eins des Ent-
wurfes des Abgeordnetenhauses.
Berlin, 17. Sept Die Kreuzzeitung hört, daß zwischen
der Regierung und dem gewesenen Kurfürsten von Hessen ein
Vertrag zunächst über die Theilung des ehemaligen kurfürstlichen
Hausvermögens, sodann über weitere Bestimmungen, wie z.
B. über den Eid der kurhessischen Beamten, nnterzeichnet wor-
den ist.
Hadersleben, 16. Sept. Eine sehr zahlreich besuchte Ver-
sammlung aus allen Theilen Nordschleswigs erklärte sich ent-
schieden gegen jede Theilung Schleswigs und sprach sich sür volle
Vereinigung mit Preußen aus. Die Reduer von der äußersten
Nordgrenze protestirten in dänischer Sprache gegen die Thei-
lung.
Wien, 13. Sept. Wie man allgemein glaubt, wird die
Regierung Ungarn ein besonderes Ministerium gewähren und
bezüglich der gemeinsamen Angelegenheiten auf das Programm
Deaks mit wenigen Modificationen eingehen.
Wien, 15. Sept. Es gehen hier Gerüchte darüber, daß
sich eine Quadrupelallianz, Preußen, Rußland, Italien und
Amerika in der orientalischen Frage vorbereite.
Reichenberg, 14. Sept. Die freigelassenen 18 Traute-
nauer sind aus der preußischen Gefangenschaft heute hier ange-
langt; sie wurden von der Stadtvertretung und Bevölkerung fest-
lich empfangen.
Ausland.
Paris, 15. Sept. Gestern Morgen um 5 Uhr wurde ich
durch eine ziemlich starke Schwankung meines Bettes aus dem
Schlafe geweckt — ich schrieb dieses „Zittern" einen: rasch vor-
beifahrenden Wagen oder dergleichen zu — uud schlief wieder
ein. Es war ein Erdbeben — glücklicher Weise nur schwach
und ohne Schaden anzurichten. Der „Moniteur" eonstatirt heute
das Ereigniß, welches in verschiedenen Quartieren der Stadt um
so mehr Sensation machte, als es das erste Erdbeben ist, welches
(seit Menfchengedenken) die Pariser verspüren. Viel stärker war
die Schwankung in den Provinzen, namentlich zu Nantes, Angers,
Poitiers, wo die Bewohner erschreckt aus den Häusern liefen. —-
Wie es scheint, ist die Reise des Kaisers nach Biarritz auf An-
rathen des lu. Nelaton aufgegeben. — Graf Baechiochi, Kam-
merherr und Vertrauter des Kaisers, empfing gestern die heiligen
sMerbesacramente; nach Biilault, Morny und Mocquard ist dies
Einer der Letzten von den alten Freunden Louis Napoleon'S,
Auch Marquis v. Boissy, das bekannte avtartt terrisils des
Senats, wurde gestern mit den Sterbsaeramenten versehen. —
Die Kreuz- und Querreisen des Präsidenten Johnson fangen
an, die Aufmerksamkeit in politischen Kreisen zu erregen. Man
befürchtet das Ausbrechen ernster Zwistigkeiten zwischen den Ra-
dikalen und den Republikanern. In beiden Lagen: sind einfluß-
reiche Generale. — Einstweilen nimmt — wie der „Moniteur"
meldet — die amerikanische Staatsschuld un: monatlich 10 Mil-
 
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