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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1868

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No. 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.29847#0013

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Donnerstag und
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Schwetzingen nnd Philippsburg.

fl!o. 3.

Dmijlag, 7. Iilimar.

--

1868.

f8. Die orreutalische Frage.

Die orientcllische Frage ist schon so oft in den Blättcrn
behandelt worden, daß man sie in deltselben gleich der bcrüch-
tigten Seeschlange als stereotypen Artikel betrachtet, der imnier
gut genug sei, um in vorkommcnden Füllen als Lnckcnbüßer
zn dienen. Kein Wunder daher, lvenn Mancher eifrige Zei-
tungsleser, der sonst nicht gerne einen Leitartikel ungelcsen läßt,
ja, der es selbst über sich gewinnen kann, die langen Kammer-
berichte mit Haut und Haar zu verschlingen, bei dein Lesen
der Ueüerschrift unwillig in den Bart hineinbrnmmt: „wie
lange wird dann die orientalische Frage, diese politische Schraube
ohne Ende, noch in den politischen Zeitungen immer und immer
wieder aufgswärmt werden."

Obschon wir den Unmuth des LeserZ kennen und begreifen,
so können wir doch nicht zurückhalten, und müssen eben, da die
Ereignissc daraus hindrängen, die orientalische Frage abermals
auftischen. Und es wird dies, fürchten wir, leider immer noch
nicht das letztemal sein. Denn, man müßtc geradezu die
Augen verschließen, wenn man nicht überall den blanken Halb-
mond fast hinter jeder politischen Coulisse hervorschimmern
sehen will.

Die Veranlassungen zum neuen Angriff dieser Frage sind
ebenso mannichfaltig, als die Persönlichkeiten im Einzelncn und
die Völker im Großen, wclche deshalb auf die politische Biihne
treten. Heute spielt die Scene am heiligen Grabe, wührend
sie vielleicht schon morgen sich in Griechenland oder den Do-
naufürstenthümern abzuspielen scheint. Vkehemel Ali und Jbra-
him Pascha, Cusa und Karl von Rumänien, Otto und Georg,
sind nacheinander als politische Mimen aufgetreten und selbst
der Fürst der schwarzen Verge ist deßhalb auch schon mehrmals
erschienen. Der eben begonnene Akt des langen Dramas hat
die Jnsel Kreta zum Schauplatze. Es wurde dort herüber und
hinübergekümpft und so oft die Türlen auch in die Welt hi-
naus gerufen, die Geschichte sei rein alle, so oft erfahren wir
das Gegentheil. Der Aufstand dauert eben noch fort, das eine
mal in heftigerem, das andere Mal in weniger hohem Grade.

Eine derartige Ausdauer bei einem, im Großen und
Ganzen noch nicht allzu kultivirten Volke niüßte unser Staunen
im höchsten Maße erregen und die Freiheitsliebe eines Zimbra-
kaki und andrer Candioten müßte uns die größte Achtung ein-
flößen, wenn wir nicht etwas mißtrauisch geworden und 'hinter
all dem Freiheitskram die russische Knute, den französischen
Fuchsschwanz und den englischen Todschlüger vermutheten.

Um alles, was den Orient politisch betrifft, hängt nümlich
ein Stück dieser drei europüischen Civilisationsmittel.

Es ist kein Zweifel, daß eben Rußland in Kreta die
Hauptagitationsrolle spielt; daß die dortigen Jnsurgeuien be-
wußte Werkzeuge in russischem Solde, ist weniger ausgemacht,
als das, daß Griechcnland den hetzenden Vermittler in Nuß-
lands Jnteresse dabei abgegeben.

Dieser russischen Äktion bestrebt sich die westeuropäische
Reaktion in Konstantinopel das Gegengewicht zu haltcn. Die-
selbe sucht den Sultan um jeden Preis zu schiitzen. Sie weiß,
daß es Rußland schließlich doch um uichts Anderes zu thun ist,
als rrm die Eroberung. und ständige Besitznahme von Byzanz,

welche bereits Peter der Große in seinem Testamente als die
Cardinalaufaabe Nußlands bezeichnet, eine Aufgabe, an deren
Erfüllung zu arbeiten, die Czaren um so weniger ablassen
werden, als dadurch allcin ihre Weltmacht zur feststehenden
werden kann. Von dem Augenblick, wo das russische Kreuz
auf der Nja Sophia in Konstantinopel weht, ist der westeuro-
püische Einfluß im Orient, welcher bereits jetzt schon, trotz des
Krimsieges, immer weiter zurücktritt, gebrochen. Sie werden
es daher jedenfalls blos nach einem Kriege dazu kommen lassen,
und weil dieser große Krieg einmal unvermeidlich geworden,
wird die orientalische Frage mit allem, was drum und dran
hängt. noch lange ein stereotyper Artikel aller politischen Blätter
bleiben nnd zwar — mit Necht.

B a d e n.

Karlsrrr?)S, 1. Jan. Eine große Anzahl Mitglieder
der beiden badischen Kammern sind in den letzten Tagen zu
einer freien Besprechung der bevorstehenden Wahlen zu dem
deutschen Zollparlament zusammengetreten, und haben sich zu
dem Beschlusse geeinigt, ihren Mitbürgern durch eine öffentliche
Erklärung nühere Äuskunft zu ertheilen über die Bedeutung
und die Aufgaben dieses Parlaments. Wir entnehmen diesem
Aktenstücke folgende Stellen: „Zum ersten Male erhült das
ganze deutsche Volk die verfassungsmüßige Gelegenheit seinen
Willen in einem Parlamente, beireffend die internationalen
wirthschaftlichen Verhältnflse, auszusprechen. Es ist das eine
nicht zu untcrschätzende Vorstufe der anzustrebenden politischen
Einigung. Zum ersten Male wird auch das Badische Volk
berusen, durch unmittelbare Volkswahlen die Männer seines
Vertrauens zu bezeichnen und zu dem Parlamente anzuordnen.

Die Aufgabe dieser Badischen Abgeordneten zum Zollpar-
lament wird aber nach unserer Ansicht nicht blos die sein, bei
den Gesetzen der Zollunion mitzuwirken unv die besonderen
Badischen Jnteressen mit den allgemeinen deutschen in rihtiger
Weise auszugleichen. Das Zollparlament soll überdem dazu
dienen: 1) überhaupt das wechselseitige Verständniß und die
Verbindung von Nord- und Süddeutschland dnrch persönliche'
Annüherung und Umtausch der Meinungen zu fördern; 2) da-
rauf hinzuwirken, daß die Zollunion, die gegenwärtig nur biT
zum Jahr 1877 gesichert ist, in eine dauernde Emignng um-
gewandclt wcrde, indem nur dadurch dem deutschen Gewerb-
fleiße und Handel eine sichere Grundlage verschaffc wird, wäh-
rend die periodische Erneuernng des Zollvereins gar keine Vor-
theile, aber den großen Nachtheil hak einer periodischen Er-
schütterung aller Kreditverhü'ltnisse; 3) zu bewirken, daß das
deutsche Zollgebiet sobald als möglich dnrch die endliche Auf-
nahme decjenigen Staaten des Nordbund vervollftändigt werde,
welche zur Zeit noch außerhalb unserer Zollgrünzen liegen (die
beidcn Mecklenburg, Laueuburg und die Hansestüdte); 4) die
Wege zn sucheu, auf denen iheils dte Äusbildung, theils die
erforderliche Erwciterung der Kompetenzen der Zolluuion und
daher des Zollparlaments am ehesten zu errcichen ist, insbe-
s-ondere in Vezug anf die Freiziigigkeit, Heimaths- und sttie-
derlassungsverhältnisf-, Paßwes«i, Kolonisation, AuZwandernng,
Gefetze über Handels- uud Wechselrecht, ein gemernjames Maß-
 
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