Äscheint Dienstag,
Donnerstag und
Samstag nebst der
belletristischen Bcigabe
„ S onntags blatt
Alle Postanstalten und
Pote<. nehmcn Bestcl-
/ungen an.
Preis: jährlich 3 fl.,
vierteljährlich 45 kr.
Anzeigen wcrden die
dreispaltige Zeilc oder
deren Raum mit nnr
2 kr. berechnet.
Die Boten erhalten
2 kr. monatlich.
Schwetzingen nnd Philippsbnrg.
fio. 52.
Samstag, 2. Mai.
l868
W o ch ens ch a u.
(Schluß.)
Auch iu Uugarn ist jetzt die Wchrfrage auf der
Tagesordnuug. Da die Magyaren bekanntlich iuuner gern etwas
Befonderes haben, so will man zwar gegen den eiuheitlichen
Heerescharakter Oesterreichs nichts einwenden, aber die nationale
Bestinnnung der ungarischen Landwehr gewahrt wissen. Auch
spricht man davon, daß die ungarische adlige Leibgarde wieder-
hergestellt werden soll. Lüßt sich aber eine solche Wiederher-
stellung auch mit dem Geiste der Freiheit und Gleichheit, der
dort immer so stark bctont wird, vereinbarea? Gewiß so wenig
als die ueuliche Auflösung' einer Demokratenversammlung bei
Pesth, nicht durch cinen Polizeikommissür, sondern durch —
Pandure n.
Was u n g a.r ische Bauern mitunter hinsichtlich des
weitreichenden Einflusses für Ansichten haben, darüber liesert
die Thatsache ein zugleich volkswissenschaftliches und komisches
Beispiel. Hr. Deak wurde dieser Tage brieflich angegangen,
er möchte doch seinen Einfluß darauf verwenden, daß er, der
ein warmer Anhüngcr von ihm sei, in der Lotterie doch ge-
winne.
Ein Beispiel weckt immer Nachahmung. Dies bestätigt >
stch eben in der Schweiz, wo auch das Thurgauische Volk,
dem Vorgange Züriehs folgend, die Versassungsändernng be-
schlossen 'hat.
Jn Frankreich ist immer noch die F ri e den s f r a ge
im Augenblicke der politische Zeitungstext. Diese Woche stcht
der offizielle Barometer beinahe auf der Höhe des ewigen
Friedens. Wer an der Friedensliebe Napoleons noch zweifelt,
den kann selbst das Jrrenhaus nicht mehr gescheidt machen.
Napoleon soll einen Stabsoffizier nach Deuts chland geschickt
haben, um gelegentlich zu crfahren, was denn an den Militür-
geschichten sei und ob immer noch keine Sympathie für
ihn herauskommen wolle. Jetzt, wo Alles hervorkomme, die
Aurikeln, die Morgensterne, die Spargeln nnd Blütter und
Blüthen, könne vielleicht auch eine französische Pensse sich zeigen,
besonders da er mit Vergnügen im Freiburger Boten gelesen,
daß man doch auch in Deutschland noch zuweilen der „lieben
Französlein" gedenke. Aber der Offlzier kam zurück und sagte,
auf den Freiburger Boten dürfe man nicht zuviel Gewicht le-
gen, vielmehr habe er sich überzeugt, daß bei dem ersten Ka-
nonenschnß Seiten Frankreichs gegen Dcutschland die Einheit
des Letztern eine vollendete Thatsache sein werde. Das soll
fich Napoleon in sein Notizbuch geschrieben haben und deß-
halb soll er vor der Hand ruhig bleiben und höchstens seine
Congreßidee wieder aufnehmen wollen. Da aber doch einmal
die Lager anfgeschlagen sind, so wäre es Schade, wenn sie
nicht bezogen würden. So sind in dieser Woche 5000 Mann
in St. Maur eingezogen, wo es ihnen übrigens gar nicht ge-
sällt, da der Boden so aufgeweicht ist, daß selbst die Herren
Osflziere, vom General bis zum Lieutenant abwärts, in Holz-
schuhen auf die Parade müssen.
Die Zeitungen freilich können immer den Kriegskohl
noch nicht lassen, denn sie sind dieseS Thema bereits so gewohnt,
daß sie sich darin gefallen: wie der Fisch im Waffer und ein
schönes Müdchen im Spiegel. Das Witzblatt Eharivari läßk
zwar den Krieg (ob an den Meistbietenden oder Wenigstnehmenden
verschweigt es) öffentlich versteigern, aber weder Rußlaud, noch
Oesterreich, noch England, noch Frankreich selbst will ihm einen
Sous dafür bieten. Nur Dänemark möchte, allein es hat
sein Geld vergessen und Exkönig Georg kann keine Caution
stellen, da sein Vermögen mit Beschlag belegt ist.
Als ob es an den Zeitungen noch nicht genug wäre,
tauchen auch von Zeit zu Zeit unvermeidliche Brochüren anf,
die je nachdem in Frieden oder in Chauvinis m n s Ge-
schüfte machen wollen. Diese Woche hat wieder ein Herr
Müller eine solche, betitelt: ,,nos krontiersg än kllin" (nn-
sere Rheingrünzen) vom Stapel gelassen. Was er darin sagt,
branchen wir den Lesern nicht zu erklären, denn es weiß bereits
bei uns jedes Kind, was „Nheingränze" aus französisch bedeuten
soll. Wir führen überhaupt diese Brochüre hier nur deßhalb
an, weil sie der offizielle Nonitsnr äo l'arinss empfohlen hat.
Das ist das einzige Neue und Auffallende an der ganzen
Sache.
Der kaiserliche Prinz ist von seinem Triumphzug
wieder nach Paris zurückgekehrt. Alles war von ihm entzückt,
l und die Tochter des Admirals zu Cherbourg, Frl. v. Neybaud,
bat sogar um die Erlaubniß, ihn küffen zu dürfen. Der Prinz,
ein üchter Napoleon, licß sich nicht zweimal bitten, sondcrn soll
in kindlicher Unschuld gesagt haben: „Nur zu." Der Umge-
bung kamen bei dieser rührenden und erhabenen Scene Thrünen
in die Augen.
Der dänische Kriegsminister Rasloef, der erst neulich
in Paris war, soll seiner vielen Privatgeschüste wegen, ver-
gessen haben, die Verhandlungen über oen Verkauf der west-
indischen Jnsel St. Croix einzuleiten, welche die Vereinigten
Staaten gerne kaufen möchten, während doch Frankreich das
Verkaufsrecht hat. Er soll daher gleich wieder nach Paris
gehen; doch wird dies von der andern Seite wieder in Abrede
gestellt.
Die französischen Zeitungen haben das Mährchen aufge-
tischt, daß der preußische General v. Moltke, der Sieger
von Sadowa, die Festung Metz nicht blos inspizir t, son-
dern auch planmäßig aufgenommen habe. Er sei ve r-
haftet, aber nach 5 Minuten nach eingelaufener Depesche
wieder mit großen Entschuldigungen freigelassen worden.
Der Kaiser habe ihm sagen lassen, er solle sich durchaus nicht
geniren. Die Anekdote wäre allerdings pikant, aber sie ist
leider nicht wahr, denn Hr. v. Moltke war s» wenig in Metz,
als wir in Konstantinopel.
Der bekannte Oppositionsdeputirte Jules Favre ist
an Stelle V. Cousin's in die französische Akademie ausge-
nommen worden. Jn dem oratorischen Meisterftück, worin er
das Andenken seines Vorgüngers seierte, sprach er auch zu-
gleich eingehend über den Conflikt zwischen der philosophischen
nnd klerikalen Wiffenschaft.
Ein Herr Camille Flammarion, welcher sich viel mit
Astronomie beschäftigt, will bemerkt haben, daß je mehr
Flecken die Svnne jeweils zeige, um so theurer das Getraide
Donnerstag und
Samstag nebst der
belletristischen Bcigabe
„ S onntags blatt
Alle Postanstalten und
Pote<. nehmcn Bestcl-
/ungen an.
Preis: jährlich 3 fl.,
vierteljährlich 45 kr.
Anzeigen wcrden die
dreispaltige Zeilc oder
deren Raum mit nnr
2 kr. berechnet.
Die Boten erhalten
2 kr. monatlich.
Schwetzingen nnd Philippsbnrg.
fio. 52.
Samstag, 2. Mai.
l868
W o ch ens ch a u.
(Schluß.)
Auch iu Uugarn ist jetzt die Wchrfrage auf der
Tagesordnuug. Da die Magyaren bekanntlich iuuner gern etwas
Befonderes haben, so will man zwar gegen den eiuheitlichen
Heerescharakter Oesterreichs nichts einwenden, aber die nationale
Bestinnnung der ungarischen Landwehr gewahrt wissen. Auch
spricht man davon, daß die ungarische adlige Leibgarde wieder-
hergestellt werden soll. Lüßt sich aber eine solche Wiederher-
stellung auch mit dem Geiste der Freiheit und Gleichheit, der
dort immer so stark bctont wird, vereinbarea? Gewiß so wenig
als die ueuliche Auflösung' einer Demokratenversammlung bei
Pesth, nicht durch cinen Polizeikommissür, sondern durch —
Pandure n.
Was u n g a.r ische Bauern mitunter hinsichtlich des
weitreichenden Einflusses für Ansichten haben, darüber liesert
die Thatsache ein zugleich volkswissenschaftliches und komisches
Beispiel. Hr. Deak wurde dieser Tage brieflich angegangen,
er möchte doch seinen Einfluß darauf verwenden, daß er, der
ein warmer Anhüngcr von ihm sei, in der Lotterie doch ge-
winne.
Ein Beispiel weckt immer Nachahmung. Dies bestätigt >
stch eben in der Schweiz, wo auch das Thurgauische Volk,
dem Vorgange Züriehs folgend, die Versassungsändernng be-
schlossen 'hat.
Jn Frankreich ist immer noch die F ri e den s f r a ge
im Augenblicke der politische Zeitungstext. Diese Woche stcht
der offizielle Barometer beinahe auf der Höhe des ewigen
Friedens. Wer an der Friedensliebe Napoleons noch zweifelt,
den kann selbst das Jrrenhaus nicht mehr gescheidt machen.
Napoleon soll einen Stabsoffizier nach Deuts chland geschickt
haben, um gelegentlich zu crfahren, was denn an den Militür-
geschichten sei und ob immer noch keine Sympathie für
ihn herauskommen wolle. Jetzt, wo Alles hervorkomme, die
Aurikeln, die Morgensterne, die Spargeln nnd Blütter und
Blüthen, könne vielleicht auch eine französische Pensse sich zeigen,
besonders da er mit Vergnügen im Freiburger Boten gelesen,
daß man doch auch in Deutschland noch zuweilen der „lieben
Französlein" gedenke. Aber der Offlzier kam zurück und sagte,
auf den Freiburger Boten dürfe man nicht zuviel Gewicht le-
gen, vielmehr habe er sich überzeugt, daß bei dem ersten Ka-
nonenschnß Seiten Frankreichs gegen Dcutschland die Einheit
des Letztern eine vollendete Thatsache sein werde. Das soll
fich Napoleon in sein Notizbuch geschrieben haben und deß-
halb soll er vor der Hand ruhig bleiben und höchstens seine
Congreßidee wieder aufnehmen wollen. Da aber doch einmal
die Lager anfgeschlagen sind, so wäre es Schade, wenn sie
nicht bezogen würden. So sind in dieser Woche 5000 Mann
in St. Maur eingezogen, wo es ihnen übrigens gar nicht ge-
sällt, da der Boden so aufgeweicht ist, daß selbst die Herren
Osflziere, vom General bis zum Lieutenant abwärts, in Holz-
schuhen auf die Parade müssen.
Die Zeitungen freilich können immer den Kriegskohl
noch nicht lassen, denn sie sind dieseS Thema bereits so gewohnt,
daß sie sich darin gefallen: wie der Fisch im Waffer und ein
schönes Müdchen im Spiegel. Das Witzblatt Eharivari läßk
zwar den Krieg (ob an den Meistbietenden oder Wenigstnehmenden
verschweigt es) öffentlich versteigern, aber weder Rußlaud, noch
Oesterreich, noch England, noch Frankreich selbst will ihm einen
Sous dafür bieten. Nur Dänemark möchte, allein es hat
sein Geld vergessen und Exkönig Georg kann keine Caution
stellen, da sein Vermögen mit Beschlag belegt ist.
Als ob es an den Zeitungen noch nicht genug wäre,
tauchen auch von Zeit zu Zeit unvermeidliche Brochüren anf,
die je nachdem in Frieden oder in Chauvinis m n s Ge-
schüfte machen wollen. Diese Woche hat wieder ein Herr
Müller eine solche, betitelt: ,,nos krontiersg än kllin" (nn-
sere Rheingrünzen) vom Stapel gelassen. Was er darin sagt,
branchen wir den Lesern nicht zu erklären, denn es weiß bereits
bei uns jedes Kind, was „Nheingränze" aus französisch bedeuten
soll. Wir führen überhaupt diese Brochüre hier nur deßhalb
an, weil sie der offizielle Nonitsnr äo l'arinss empfohlen hat.
Das ist das einzige Neue und Auffallende an der ganzen
Sache.
Der kaiserliche Prinz ist von seinem Triumphzug
wieder nach Paris zurückgekehrt. Alles war von ihm entzückt,
l und die Tochter des Admirals zu Cherbourg, Frl. v. Neybaud,
bat sogar um die Erlaubniß, ihn küffen zu dürfen. Der Prinz,
ein üchter Napoleon, licß sich nicht zweimal bitten, sondcrn soll
in kindlicher Unschuld gesagt haben: „Nur zu." Der Umge-
bung kamen bei dieser rührenden und erhabenen Scene Thrünen
in die Augen.
Der dänische Kriegsminister Rasloef, der erst neulich
in Paris war, soll seiner vielen Privatgeschüste wegen, ver-
gessen haben, die Verhandlungen über oen Verkauf der west-
indischen Jnsel St. Croix einzuleiten, welche die Vereinigten
Staaten gerne kaufen möchten, während doch Frankreich das
Verkaufsrecht hat. Er soll daher gleich wieder nach Paris
gehen; doch wird dies von der andern Seite wieder in Abrede
gestellt.
Die französischen Zeitungen haben das Mährchen aufge-
tischt, daß der preußische General v. Moltke, der Sieger
von Sadowa, die Festung Metz nicht blos inspizir t, son-
dern auch planmäßig aufgenommen habe. Er sei ve r-
haftet, aber nach 5 Minuten nach eingelaufener Depesche
wieder mit großen Entschuldigungen freigelassen worden.
Der Kaiser habe ihm sagen lassen, er solle sich durchaus nicht
geniren. Die Anekdote wäre allerdings pikant, aber sie ist
leider nicht wahr, denn Hr. v. Moltke war s» wenig in Metz,
als wir in Konstantinopel.
Der bekannte Oppositionsdeputirte Jules Favre ist
an Stelle V. Cousin's in die französische Akademie ausge-
nommen worden. Jn dem oratorischen Meisterftück, worin er
das Andenken seines Vorgüngers seierte, sprach er auch zu-
gleich eingehend über den Conflikt zwischen der philosophischen
nnd klerikalen Wiffenschaft.
Ein Herr Camille Flammarion, welcher sich viel mit
Astronomie beschäftigt, will bemerkt haben, daß je mehr
Flecken die Svnne jeweils zeige, um so theurer das Getraide