Erscheint Dirnstag,
Donnerstag und
Samstag nebst der
Selletristischen Beigabe
, 6 onntagsblatt
Nlle Postanstalten und
B,trn nehmen Bestel-
lungex an.
PreiS: jährlich 1 st.,
vierteljährlich 45 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile odrr
deren Raum mit
2 kr. berechnet.
Die Botcn erhaltm
2 kr. monatlich.
Dienstag^ 31. Mär^.
klo. 39.
K Die Schuldhaft.
Unter den Gegenständen, welche in der neueren Zeit
hanptsächlich mit die Gesetzgebungskominissionen uno Kammern
in Anspruch nehmen, bildet die Frage über Anfhebnng oder
Fortbestand der Schuldhaft eine vielfach wiederkehcende. Sie
ist gleichsam in die Fußstapsen der Wuchergesetze getreten, mit
welchen sie wenigstens principiell in näherem Zusammenhange
steht. Nachdem in dieser Beziehung Frankreich den Reigen
eröffnet und die Aufhebung der Schuldhaft beschloffen hat, ist
sofort Oesterreich gefolgt und dem Norddeutschen Reichstag soll,
wie man hört, ein ähnliches Gesetz vorgelegt werden, in Folge
dessen, die Annahme vorausgesetzt, der Wegfall der Schuldhaft
auch in nächster Zeit in Norddeutschland bevorsteht. Daß eine
solche Aufhebung auch auf die süddeutschen Staaten, die noch
mcht zum Norddeutschen Bunde gehören, rückwirlen muß, ver-
steht sich wohl von selbst, schon abgesehen von dem Umstande,
daß das deutsche Wechselrecht, welches schon allgemem einge-
führt, dadurch bereits von Vornherein eine wesentliche Umge-
staltung erfahren muß.
Es erscheint uns darum keine müßige Arbeit, dieses Thema
etwas näher in's Auge nnd die Gründe des Für und Wider
des Näheren zu entwickeln.
Der einzige Grund nun, der für die Schuldhaft spricht,
ist der, daß böswillige Schuldner dadurch veranlaßt werden
können, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, denen sie sonst
beharrlich sich zu entziehen leicht versucht sein dürften. Diese
Fälle bilden indeffen erfahrungsgemäß die Ausnahme. Wenn
dagegen ein Schuldner in der That, vielleicht auch nur mo-
mentan, außer Stande ist, das Schuldige zu bezahlen, so ist
es eine wirkliche Grausamkeit, ihn deßhalb seiner persönlichen
Freiheit zu bcrauben, um so mehr als diese Entziehung oft
außer allem Verhültniß zu dem Nachtheil steht, den der Glüu-
biger wirklich erleidet. Jede Strafe — und die Schuldhaft
foll ja eigentlich gar keine Strafe, sondern blos ein Sicherungs-
mittel sein — jede Strnfe, um so mehr jedes Sicherungsmittel
sagen wir, ist blos dann gerechtfertigt, wenn sie mit dem Ge-
genstand, den sie trifft, in keinem Mißverhältniffe steht. Daß
aber die persönliche Freiheit mit der Frage des Mein und
Dein nichts zu thun hat, dürfte wohl einleuchtend sein. Blos
für Verbrechen, für wirkliche und gesetzwidrige Handlungen kann
daher rechtlich auch ein Verfahren eintreten, welches, wenn auch
nicht den Namen einer Buße oder Strafe trägt, in der That
aber eine solche ist.
Man führt zwar vielfach Zweckmäßigkeitsgründe für die
Rechtfertigung der iLchuldhaft an und wir wollen nicht läugnen,
daß es^ manchmal durch dieselbe gelungen sein mag, Verwandte
oder Freunde für derartige Verbindlichkeiten beizuziehen. Die
Schuldhaft soll, wie man sich ausdrückt, gleichsam als morali-
scher Zwang dienen. Ein solcher moralischer Zwang mag zwar
von der Plutokratie gebilligt werden, der Würde des Staats
entspricht er sicher nicht.
Neben diesen inneren Gründen wirkt nun aber noch ein
öußerer, m den Verhültnisfen liegender. Wir haben aber schon
angedeutet, daß die neuere Gesetzgebung fast allenthalben die
Zinsbeschränkungen und Wuchergesetze nufgehoben hat. Die
darin enthaltene Beschränkung des freien Eigenthumsrechtv
wurde als mit dcm Geist der Neuzeit nicht vereinbarlich er-
kannt. Auch für die Beibehaltung dieser Gesetze sprachen
Zweckmäßigkeitsgründe, und zwar, wenn man recht zusieht, je-
denfalls besfere und sittlichere als für die Beibehaltung der
Schuldhaft. Mit dem Wegfall dieser Beschränkungen ist vielen
Personen ein mächtiger Schutz entzogen worden: es wäre un-
gerecht, dieses dem Kapital gemachte Zugeständniß nicht dadurch
auszugleichen, daß auch dem Theile, dem damit ein Schutz ent-
zogen wuröe, wenigstens die natürliche Freiheit der Person ga-
rantirt würde.
Wir sind daher der festen Ueberzengung, daß die Aufhe-
bnng der Schuldhast nicht blos ein Gebot der Humanität und
Gerechtigkeit, sondern auch der Freiheit sei und daß deren
Fortbestehen sich mit dem Wesen des freien Staats in keincr
Beziehung vereinbaren läßt.
B a d e ir.
Karlsruhe, 26. Mürz. Mit dem Monat Mai hofft
man die Bildung der Cadres in den verschiedenen Landwehr-
bataillonsbezirken vollendet zu haben. Sümmtliche Offiziere
des Landwehrstabs sind Pensionäre vom aktiven Heerkörper mit
Funktionsgehalten für ihren speziellen Dienst. Für die ein-
jährigen Freiwilligen ist in diesem Jahre die Eintrittsanmelde-
frist nm einige Tage verlüngert, auch der Nachweis der Vor-
bildnng einigermaßen erleichtert.
Karlsruhe, 27. Mürz. Wie man heute mit aller
Bestimmtheit versichert, ist die Leitung des großh. Oberschul-
raths in nndere Häude übergegangen, nämlich an den bishe-
rigen Landeskommissär in Konstanz, Ministerialrath Renk,
einen Mann, der durch seine ganz besondere und von allen
Parteien anerkannte Tüchtigkeit eine der raschesten Carrieren
der „neuen Aera" gemacht hat. Eine politisch-kirchliche Bc-
deutung wohnt der Veränderung nicht inne. — Das großh.
Staatsministerium hat den Herrn Erzbischof anlüßlich seines
25jährigen Jubiläums in einem Schreiben beglückwünscht,
welches nach dem Bad. Beobachter von dem großh. Landes-
kommiffär in Konstanz überreicht wurde. Man hat sowohl
von Seiten des Hofes als von Seiten des Staatsministeriums
trotz dcr durch die Kurie gerade jetzt so heftig entwickelten
Gegensätze zwischen Staat und Kirche die Courtoisie in vollstem
Maße zu wahren verstanden.
2lus Baden, 26. März. Der Ausfall der Wahlen
in Württemberg in diesem Gesammtstyl hat denn doch über-
rascht. Es haben hier vffenbar Ministerium, Ultrademokratie
und Ultramontanismus zusammengewirkt; der gemeinsame Kitt
war der Gegensatz gegen die nationale Richtung. Jede der
drei Fraktionen behielt sich aier offenbar vor, aus dem vor
Deutschland vorerst geretteten Schwaben ein selbstständiges Reich
nach ihrer Phantasie zu machen. Wir wollen hoffen, daß es
wenigstens ohne Schaden abgehe; denn sollte auch diese Hoff-
nung trügen, so wären die Wähler doch gar sehr zu be-
dauern.
Donnerstag und
Samstag nebst der
Selletristischen Beigabe
, 6 onntagsblatt
Nlle Postanstalten und
B,trn nehmen Bestel-
lungex an.
PreiS: jährlich 1 st.,
vierteljährlich 45 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile odrr
deren Raum mit
2 kr. berechnet.
Die Botcn erhaltm
2 kr. monatlich.
Dienstag^ 31. Mär^.
klo. 39.
K Die Schuldhaft.
Unter den Gegenständen, welche in der neueren Zeit
hanptsächlich mit die Gesetzgebungskominissionen uno Kammern
in Anspruch nehmen, bildet die Frage über Anfhebnng oder
Fortbestand der Schuldhaft eine vielfach wiederkehcende. Sie
ist gleichsam in die Fußstapsen der Wuchergesetze getreten, mit
welchen sie wenigstens principiell in näherem Zusammenhange
steht. Nachdem in dieser Beziehung Frankreich den Reigen
eröffnet und die Aufhebung der Schuldhaft beschloffen hat, ist
sofort Oesterreich gefolgt und dem Norddeutschen Reichstag soll,
wie man hört, ein ähnliches Gesetz vorgelegt werden, in Folge
dessen, die Annahme vorausgesetzt, der Wegfall der Schuldhaft
auch in nächster Zeit in Norddeutschland bevorsteht. Daß eine
solche Aufhebung auch auf die süddeutschen Staaten, die noch
mcht zum Norddeutschen Bunde gehören, rückwirlen muß, ver-
steht sich wohl von selbst, schon abgesehen von dem Umstande,
daß das deutsche Wechselrecht, welches schon allgemem einge-
führt, dadurch bereits von Vornherein eine wesentliche Umge-
staltung erfahren muß.
Es erscheint uns darum keine müßige Arbeit, dieses Thema
etwas näher in's Auge nnd die Gründe des Für und Wider
des Näheren zu entwickeln.
Der einzige Grund nun, der für die Schuldhaft spricht,
ist der, daß böswillige Schuldner dadurch veranlaßt werden
können, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, denen sie sonst
beharrlich sich zu entziehen leicht versucht sein dürften. Diese
Fälle bilden indeffen erfahrungsgemäß die Ausnahme. Wenn
dagegen ein Schuldner in der That, vielleicht auch nur mo-
mentan, außer Stande ist, das Schuldige zu bezahlen, so ist
es eine wirkliche Grausamkeit, ihn deßhalb seiner persönlichen
Freiheit zu bcrauben, um so mehr als diese Entziehung oft
außer allem Verhültniß zu dem Nachtheil steht, den der Glüu-
biger wirklich erleidet. Jede Strafe — und die Schuldhaft
foll ja eigentlich gar keine Strafe, sondern blos ein Sicherungs-
mittel sein — jede Strnfe, um so mehr jedes Sicherungsmittel
sagen wir, ist blos dann gerechtfertigt, wenn sie mit dem Ge-
genstand, den sie trifft, in keinem Mißverhältniffe steht. Daß
aber die persönliche Freiheit mit der Frage des Mein und
Dein nichts zu thun hat, dürfte wohl einleuchtend sein. Blos
für Verbrechen, für wirkliche und gesetzwidrige Handlungen kann
daher rechtlich auch ein Verfahren eintreten, welches, wenn auch
nicht den Namen einer Buße oder Strafe trägt, in der That
aber eine solche ist.
Man führt zwar vielfach Zweckmäßigkeitsgründe für die
Rechtfertigung der iLchuldhaft an und wir wollen nicht läugnen,
daß es^ manchmal durch dieselbe gelungen sein mag, Verwandte
oder Freunde für derartige Verbindlichkeiten beizuziehen. Die
Schuldhaft soll, wie man sich ausdrückt, gleichsam als morali-
scher Zwang dienen. Ein solcher moralischer Zwang mag zwar
von der Plutokratie gebilligt werden, der Würde des Staats
entspricht er sicher nicht.
Neben diesen inneren Gründen wirkt nun aber noch ein
öußerer, m den Verhültnisfen liegender. Wir haben aber schon
angedeutet, daß die neuere Gesetzgebung fast allenthalben die
Zinsbeschränkungen und Wuchergesetze nufgehoben hat. Die
darin enthaltene Beschränkung des freien Eigenthumsrechtv
wurde als mit dcm Geist der Neuzeit nicht vereinbarlich er-
kannt. Auch für die Beibehaltung dieser Gesetze sprachen
Zweckmäßigkeitsgründe, und zwar, wenn man recht zusieht, je-
denfalls besfere und sittlichere als für die Beibehaltung der
Schuldhaft. Mit dem Wegfall dieser Beschränkungen ist vielen
Personen ein mächtiger Schutz entzogen worden: es wäre un-
gerecht, dieses dem Kapital gemachte Zugeständniß nicht dadurch
auszugleichen, daß auch dem Theile, dem damit ein Schutz ent-
zogen wuröe, wenigstens die natürliche Freiheit der Person ga-
rantirt würde.
Wir sind daher der festen Ueberzengung, daß die Aufhe-
bnng der Schuldhast nicht blos ein Gebot der Humanität und
Gerechtigkeit, sondern auch der Freiheit sei und daß deren
Fortbestehen sich mit dem Wesen des freien Staats in keincr
Beziehung vereinbaren läßt.
B a d e ir.
Karlsruhe, 26. Mürz. Mit dem Monat Mai hofft
man die Bildung der Cadres in den verschiedenen Landwehr-
bataillonsbezirken vollendet zu haben. Sümmtliche Offiziere
des Landwehrstabs sind Pensionäre vom aktiven Heerkörper mit
Funktionsgehalten für ihren speziellen Dienst. Für die ein-
jährigen Freiwilligen ist in diesem Jahre die Eintrittsanmelde-
frist nm einige Tage verlüngert, auch der Nachweis der Vor-
bildnng einigermaßen erleichtert.
Karlsruhe, 27. Mürz. Wie man heute mit aller
Bestimmtheit versichert, ist die Leitung des großh. Oberschul-
raths in nndere Häude übergegangen, nämlich an den bishe-
rigen Landeskommissär in Konstanz, Ministerialrath Renk,
einen Mann, der durch seine ganz besondere und von allen
Parteien anerkannte Tüchtigkeit eine der raschesten Carrieren
der „neuen Aera" gemacht hat. Eine politisch-kirchliche Bc-
deutung wohnt der Veränderung nicht inne. — Das großh.
Staatsministerium hat den Herrn Erzbischof anlüßlich seines
25jährigen Jubiläums in einem Schreiben beglückwünscht,
welches nach dem Bad. Beobachter von dem großh. Landes-
kommiffär in Konstanz überreicht wurde. Man hat sowohl
von Seiten des Hofes als von Seiten des Staatsministeriums
trotz dcr durch die Kurie gerade jetzt so heftig entwickelten
Gegensätze zwischen Staat und Kirche die Courtoisie in vollstem
Maße zu wahren verstanden.
2lus Baden, 26. März. Der Ausfall der Wahlen
in Württemberg in diesem Gesammtstyl hat denn doch über-
rascht. Es haben hier vffenbar Ministerium, Ultrademokratie
und Ultramontanismus zusammengewirkt; der gemeinsame Kitt
war der Gegensatz gegen die nationale Richtung. Jede der
drei Fraktionen behielt sich aier offenbar vor, aus dem vor
Deutschland vorerst geretteten Schwaben ein selbstständiges Reich
nach ihrer Phantasie zu machen. Wir wollen hoffen, daß es
wenigstens ohne Schaden abgehe; denn sollte auch diese Hoff-
nung trügen, so wären die Wähler doch gar sehr zu be-
dauern.