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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1868

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No. 55
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https://doi.org/10.11588/diglit.29847#0227

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strscvclnt Ti e n st a g,
Donnerstag und
Eamstag nebst dcr
tclletristischcn Beigabe
, S oiintagZ blatt
Me Püstanstulten und
Betcn nehinen Bestcl-
lungcn an.

Preis: jährlich 3 st.,
viertcljähriich 45 kr.
Anzeigen werden die
dreispaltige Zeile oder
deren Rauin mit nnr
2 kr. bcrechnet.

Tie Botcn erhaltkn
2 kr. monailich.

W s ch § n s ch a u. ^

l

II.

Obgleich in Wicn von drr modernen Liebesgeschichie, dem
Roineo des Verbrechens nnd der Jnlie der Schnnde di se Woche
fast ausschliestlich die Nede war, verbreiicten sich doch auch
nebenbei nnheimliebe Geriebie über ein nenes MiniNermm, nnd
wnrden Thnn, Blome, Windischgrütz nnd ähnliche Giösten
als die knnstigen Lianisretter nnd Ersatzmanner der Bensi,
Giskra, Bresti, Hasner nnd Vrrger genannt. Es wird hoffent-
lich nicht so schlimm sein, als man mitnnter vermnthet nnd
ansspriebt. Ein grösteres Unglnck tönnte Oesterreich nicht wohl
treffen: Königsgratz würe Kinderspiel dagegen. Uebr:gens hat
der Kaiser der Depntation des Reiehstags, die ihm in Ofen
Answartnng maehte, mit dnrren Worten gesagt, er werde auf
dem betretenen Wege sortsahren nnd hoffe, daß das Land da-
bei gnt fahre. Die lirehlichen Gesetze sind sedoch immer noch
nicht sanctionirt nnd mit der Aufhebnng des Concordats scheint
es dem Herrn Kaiser anch nicht z i pressiren. Das „Nnr
immer langsam voran" scheint noch eine Zeitlang vom öster-
reichischen Repcrtoire noch nicht gestrichen zn werden.

Die Ultramontanen in Ungarn l.abcn es bsarschcnf
heransgebracht, daß das Nütteln am Concordnte die Schuld
daran trügt, daß die Kaiserin diesmal blos eine Prinzessin und
keinen Prinzen geboren.

Wer glanbt, daß in Oesterreich das Geld rar ist, der
hat zwar ini Allgemeinen nicht so unrecht, im Speziellen aber
befindet er sich arg anf dem Holzwege. Der Staat hat zwar,
das weiß nicht bloß der Himmel, sondern anch die Erde, nicht
zu viel nnd ist vielleicht ürmer als eine Kirchenm.äns, welche
dcn statiitischen Ermittelnnaen nach ivirklich tein allzu schlechles
Lebcn habeii mag. Der CteruS in Oesterreich zühlt 55,370
Pdrsonen. Münnerklöster gibt es 407, serner 17 Jesuitcn-
schulen, 298 Frauentlvster niit 5198 Nonnen. Das Kesammt-
kirchenvermögen betrügt 185,672,967 fl. mit 19,639,713 fl.
jührlichen Emti nften. Schön Geld, wenn's nnr dcr Staat
hätie.

Das Gebirgsdors Bilsen im Canton Glarus ist von einem
Bergsturz bedroht. Viele Menschen flüchten, Hilse ist unmöglich.

So friedlich es immer noch in Frantreich brodelt, so blicb
auch diese Woche der kriegerische Beischmack nicht ganz bei Seite.
Namentlich mit Preußen machte sich die Presse wieder einmal
viel zn schaffen. Die Union beschüftigt sich viel mit der preu-
ßischen Marine und spöttelte über die vorsündflnthlichen Pan-
zerschiffe Monitor und Merrimac, welche in Amerita nicht
mehr zn brauchen würen, aber von Prcußen angekauft, dort
noch viclleicht Wunder schaffen würden. Der jetzige preußische
Gegenadmiral K n h n tönne noch dcr Nebcnbnhler Jean Bart's
und Tuguay-Tronin's tverden. So geht der Unsinn fort, dem
jedoch der ofsizielle Moniteur de la flotte mit sichtlichem Be-
hagen nachdruckt.

Auch das deutsche Festungsviereck (Trier, Mainz, Koblenz
und Landau) will den Franzosen nicht gefallen. Die Regic-

rnng soll sich namentlich mit dem „Stndinm" der Frage be
schüstigen, ob Prenßen das Recht habe, die Festung Mainz zu
beseyen. Anr Ende sindet sie bei diesem Studimn, daß, da
Mainz über dem Main liegt, blos vor Hessendarmstüvtern,
und zwar von üchten ans Nheinhessen nnv Starlenburg besetzi
werden dürse, da die transmönanischen Oberhcssen als poli-
tische Amphibien, die kaltes nordbündlerisches Blut hättcn, nichl
znzulaffen seien. Mögen aber die Franzoscn noch so vie!
stilvieren, Mainz wird weder geschleift werven, noch eine rein
hessendarmstüdtische Besatznng erhalten. Daraus können sie
Gift nehmen.

Anssallend ist es immerhin nnd jedenfalls ein eigenthüm-
lichcr Znfall, daß die östliche Mobilgarde znerst gebitdet wer-
den soll; sowie es eine eigene Rottc Marschall Niets ist, vor
Allem Andern die Ostgrenze Frantreichs sicherstellen zn wollen.

Auch die Cassagnac'S sind immer noch nnglänbige Tho-
mnsse nnd glanben partont nicht an den Frieden, weil, wie
sie sagen „cs Gemitter gibt, gegen die tein Blitzadleiter hilst."

Daß aber seibst im gesetzgebenden Körper die Friedens-
worte der Regienmq nicht immer vollen Gtanben finden, üe-
weisen die Worte, welche Lonvel dieser Tage wegen Ronher
geänßert: „Wir glauben Jhnen nicht, deiin Sie siiid nicht
veruiitwortlich; und morgen können Sie das Gegentheil von
dem sagen, was sie heute behanptet."

Der Kaiser macht dieses Jahr seine Maienknr in Orleans
wohin er sich nüchster Tage begibt.

Der rnssische Botschafter in'Paris, Baron Budberg,
wnrde abberufen nnd zu seinem Nachfolger wurde Gras S t a-
telberg ernannt.

Jn Algerien dauert die Hnngersnoth noch fsrt und ster-
ben noch immer viele Leute einfach deßhalb, weil sie nichtS
zn essen haben. Die Leute sind nach orientalischen Begriffen
so leicht an den Gedanken gewöhnt worden, daß sie zum Theil
die Sache hinnehmen, als tönne es gar nicht anders sein.
Man hat dort Lente gefunden, die Hnngers starben, obgleich
man in ihren Burnnssen noeh 60 — 100 Francs in Gotd ge-
fnnden hat. Ein sonderbares Vergnügen!

Die Art nnd Weise, in welcher Disracli die Erfolge des
5peeres in Abyssinien dein Parlamente geschildert nnd nament-
lich die eigenthümtiche Bergleichung, in welcher er dieselben mit
der ersten Eroberung Mexitos durch Ferdinand Cortez gesetzt
hat, haben in den Tuilerien nicht ain besten gefallen und wen.i
Napoleon nicht gerade glücklicherweise den Schnnpfen gehabt
hätte, so hätte er woht am Ende gar darin eine undelikate
Anspielung auf seine mexikanischen Lorbeeren herausgewittert.
Wer wird aber anch gleich so Schlimmes daneben denken wollen.
Uebrigens machen Herrn Disraeli eben die Anträge Gladstone's
hinsichtlich der Aufhebiing der irischen Staatstirche viel zn
schaffen und wenn er gleich dieselben als revolntionür bezeich-
net, vor welchem Wort man in England mehr Abscheu, als
Respett zu haben pflegt, so wnrde doch desscn erster Antrag
mit Stimmenmehrheit angenommen, was möglicherweise einen
Ministerwechsel zur Folge haben kann.

(Schluß folgt.)
 
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