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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1868

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No. 61
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https://doi.org/10.11588/diglit.29847#0251

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Erschemt D i c n st a g,
Donnerstag ulld
Taiilstag nebst der
delletristischcn Beigabe
^ S onntagsblatt
Alle Postanstalten und
Boten nehinen Bcstcl-
lungcn an.

für die Bezirke

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vierteljährlich 45 kr.
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Die Boten erhalten
2 kr. nionatlich.

Samchui,

23. Mai.

W o ch e rr s ch a u.

Der östreichischen Negierung wird von England aus in
doppelter Hinsicht zugesekt. Sie hat beznglich der vergrößerten
Aussiihrung des Handelevertrags eine Note erhalten, die in
svlchen Ausdrückei/gefallen ist, daß^sie, allem Vermuthen nach,
von 5). v. Benst nicht hinter den 'Spiegel gesteckt worden sein
ivird. Hat schon seiner Zeit Herr Hansemann in Berlin fest-
gestellt, daß selbst bei unS Deutschcn in Geldsachen die Ge°
niüthlichkeit aushöre, so versteht der Englünder vollends in diesem
Punkte gar keinen Spaß, sondern ist darin e mpfindlicher, als
die beste Magnetnadel. Die Bestenrung der östreichischen Staats-
papiere, von denen auch ein großes Depot in England sich
befindet, sindet bei den englischen Geldleuten nichts weniger
als Beifall und dieselben haben deshalb eine Beschwerde bei
dem östr. Gesandten in Londou, dem Grafen Apponyi einge-
reicht, welche derselbe dnrch Expressen nach Wien sofort über-
initteln ließ.

Das Landwehrsystem aus dualistischer Grundlage ist vom
Kaiser für Ungarn genehmigt worden.

Napoleon III. bat doch in Drleans gesprochen. Er hat
die Anrede des Vischofs, m welcher Carl der Große am Arme
der Jungfrau von Drleans vorgeführt wurde, beantwortet,
allein in einer Art nnd Weise, die, wie man's nehmen will,
Alles oder nichts sagt. Man muß es deni Kaiser lafsen, er
versteht es auS dem F F, seine Gedanken mit einem Nebel- >
schleier zu umhüllen, den selbst der schärfste Blick nicht zu durch-
dringen vernmg. Welches die Meinung des Kaisers sei, weiß
man daher so wenig, als ob er Frieden oder Krieg im Schilde
sühre. Mit Recht sagte die Opinion nationale: „Frankreichs
Politik gleiche jetzt einer Charade, deren Wort man immer
suche, — aber — hätte sie noch hinzusetzen sollen — so lange
nicht finden könncn, als der Kaiser der Räthselfabrikant sei."
So lange die Civilisation nnd Volkswohlfahrt, wie dies ein
bezeichnendes Bild deS Charivari darstellt, an der Stütze des
Chassepotgewehres vorwürts bewegen muß, ist auf alle fran-
zösischen Friedensreden nicht allzu großes Gewicht zu legen.

Jm gesetzgebenden Körper sind die Handels- und volks-
wirthschaftlichen Fragen auf der Tagesordnung. Der kleine
Thiers hat eine graße fulniinante Nede gegen den Freihandel
losgelassen. Minister de la Forcade hat ihm geantwortet und
bei der Versammlung natürlich den von der Regierung ver-
theidigten Freihandel wieder zu Ehren gebracht.

Der kaiserliche Prinz hat in der polytechnischen Schule
Besuch gemacht, und Lehrer wie Schüler haben diese Ehre na-
türlich auch gebührend gewürdigt. Erstere gaben einige ihrer
vorzüglichsten chemischen nnd physikalischen Kunststücke zum Be-
sten und Letztere strengten ihre Lungen möglichst an, um ein
kräftiges Hoch nach dem andern herauszubringen. Der Prinz
war über den Empfang sehr gerührt und ersuchte die Direction
des schönen Wetters wegen die Schule sür heute zu schließen,
was schließlich auch zur Zufriedenheit der Schüler geschah.

Unsere Leser wissen, daß es Hofbälle, Schützenbälle, Tur-
nerbälle, Sängerkranzbülle, Harmoniebülle, Museumsbälle,

Studentenbälle, ja selbst Juristenbülle, Schreinersbälle, Kut-
schersbülle und sofort auch bei uns vielfach gibt. Aber von
einem internationalen, oder zwischenvolklichen Balle haben sie
wahrscheinlich noch nichts gehört. Ein solcher hat in dieser
Woche statigefunden, aber nicht, wie man allerdings vermuthen
könnte in dem neu errichteten internationalen Jnstitute in Bruch-
sal, welches sich mit der Bildung einjähriger Freiwilliger so
angelegentlich befaßt, sondern in Paris und zwar zum Besten
der Genfer Uebereinknnft für Verwundete im Kriege.

Der spanische Gesandte in Paris, Herr Mon, ist ein spar-
samer Mann, der den Realen dreinial vorher umdrehen soll,
ehe er ihn ausgibt. Diese für einen Privatmann nnd FamU
lienvater sehr löbliche Eigenschaft wird jedoch bei einem Di-
plomaten weniger geschützt, der es, wie man zu sagen Pflegt,
laufen lassen und kein Kümmelspalter sein soll. Die Pariser
glaubten daher, daß er nicht lange stch halten werde und spra-
chen bereits von seiner Abberiifnng, welche auch Eingang
in die öffentlichen Vlätter gefunden hatte. Jndessen hat sich
diese Nachricht noch nicht bestätigt und ist Hr. Mon immer
noch der sparsamste Gesandte in Paris.

Lord Brongham, ein hervorragender englischer Staats-
mann, srüher Minister und langjähriges bedcutendes Mitglied
des engl. Parlaments ist diese Woche in hohem Alter mit Tod
abgegangen.

Jn Folge der Arbeiterbewegung ist in N shton ein Anf-
> ruhr ausgebrochen, der in nichts Geringeres als Plünderung
ausartete, von welcher 70 Hänser betroffen wurden. Das
Militär mußte die Ordnung wieder herstellen, bei welcher An-
gelegenheit 50 Personen verwundet wurden.

Jn Rom mehren sich die plötzlichen Todesfälle hervor-
ragender Personen in auffallender Weise. Dem östreichischen
Baron Crivelli ist in dieser Woche der bekannte freisinnige
Cardinal Andrea gefolgt. Er wurde vom Schlage getroffen.

Jn Rumänien ist wieder ein nenes Ministeriinn einge-
setzt worden. Obgleich der Telegraph die Namen der Minister
uns vollständig mitgetheilt, gleichsam als ob Rumänien eine
bcreits in die Reihe der Großmächte getreten, so wollen wir
unsere Leser mit dcnselben verschonen, da die meisten derselben
sie doch gleich wieder vergesseu würden.

Rußland scheint eine sehr große Vorliebe sür Serbien zu
haben. Es hat amtlich mitgetheilt, es verzichte gegeuüber
Serbien auf alle vertragsmäßigen Rechte uud uuterwcrse die
in Serbieu wohnhaften russischen Unterthanen der serbischen
Gerichtsbarkeit und den serbischen Gesetzen.

Der Sultan seheint aus seiner vorjährigen europäischen
Neise viel gelernt zu haben. Bei der Eröfsnung des Staats-
raths hat er eine freisinnige Rede gehalten und gesagt, nian
müsse mit dem Alten brechen und die Bahn der europäischen
Gcsittung und des Fortschritts eiuschlagen.

Der 14jährige Kaiser von Chiua hat eine Gemahlin cr-
halten. Wir bedauern, unsern schönen Leserinnen nicht init-
theilen zu können, was für eine Geborene die chinesische Kai-
serin ist und >n welchem Anzug sie chinesisch getraut worden ist.
 
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