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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1868

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No. 18
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https://doi.org/10.11588/diglit.29847#0075

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Schwetzingen und Philippsburg.

^o. 18.

DiciMg, 11. Icbruar.

1863.

* KarLsruhe, 10. Februar, Mittags
halb 11lhr. Soeben wurde in der 2. Kanr
mer der Ban eirrer Giserrbahrr zwischerr
Marrrrheim, Schwetzirrgerr rrrrd Karls-
rrrhe eirrstimmig gerrehmigt. (Der Gang
der VerharrdLrrrrgerr solgt irr rrächster Nrrm
mer. D. R.)

1 Las Zollparlament.

Blos noch wenige Tage sind es und das Volk unseres
Landes ist bcrusen, an die Wahlurne zu treten und Abgeord-
nete zu dem im März in Berlin tagenden Zollparlament zu
ernenuen, somit von einem ihm eingeränmten Rechte Gebrauch
zu machen, das ihm bis jetzt nicht zustand. Jst schon an sich
diese erstmalige Wahl etwas Nenes und daher Ungewöhnliches,
so wird die Sache noch dadurch in eigenthümlicher Weise be-
stimmt, als die Art, wie gewählt wird, von der bisher bei
unseren Abgeordnetenwahleil üblichen wesentlich abweicht. Wäh-
rend nümlich bei diesen die Wahl eine mittelbare ist, insosern
die Urwähler direkt nicht die Abgeordneten selbst, soudern
Wahlmünner wühlen, welche selbst erst den Deputirten zu be-
zeichnen haben, wühlt hier jeder, der das 25. Jahr erreicht
hat, direkt, ohne Rücksicht auf Census. Das allgemeine direkte
Wahlrecht, von welchem bei uns bis jetzt blos einmal, bei Ge-
legenheit der Wahlen in das Parlament im Jahre 1848
Gebrauch gemacht werden konnte, tritt daher auch bei uns
dauernd in die Erscheinung und es kann sich nicht fehlen, daß
dasselbe über kurz oder lang nicht blos bei diesen Wahlen
mehr maßgebend sein wird, sondern auch bei andern politischen
Wahlen Norm werden muß, da zwei verschiedene Wahlsysteme
nicht wohl auf die Dauer neben einander bestehen können.

Ganz abgesehen hiervon aber haben dicse Wahlen wegen
der Bedeutung der politischen Körherschaft, welcher sie die ge-
eigneten tüchtiger Persönlichkeiten zuführen sollcn, eine so
große Bedeutung, daß es wohl der Mühe werth erschcint, auf
die Sache selbst vor der Wahl nochmals etwas -ausführlicher
zurückzukommen. Die so wünschenswerthe allgemeine Betheili-
gung an den Wahlen wird, wie wir dies überzeugt sind, gewiß
eher stattfinden, wenn die Wähler wirklich nuch wissen, um
was es sich handelt, wenn sie die Wahl sclbst als eincn poli-
tischen Akt auffassen, der ihre Jnteressen nahe berührt. Es
wird zwar vielfach und nicht ohne allen Grund behauptet, daß
das Volk abgespannt, lethargisch geworden, daß es seine poli-
tische Lebhaftigkeit wenigstens zeitweise verloren und allen po-
litischen Appetit so verloren habe, daß selbst ein polilisch-lukul-
lisches Mahl den politischen Gaumen nicht mehr zu reizen ver-
möge. Das mag, wie gesagt, eine gewisse Begründung hin-
sichtlich der politischen Fragen haben, und wir wollen es als
richtig zugeben, daß der Eiser des Volks an rein politischen

Fragen in einer allerdings beklagenswerthen Abnahme begriffen
erscheint. Der Grund dieser Erscheinnng scheint uns indessen
blos zu einem geringeren Theile in einer allgemeinen Erschlaf-
fung, Abspannung und Uebersüttignng zu liegen: einen weit
größeren Antheil setzen wir auf Rechnung der materiellen Zu-
stünde, des Kampfes uiu das tägliche Brod, oer zu gewissen
Zeiten allerdings mächtig genug ist, die rein geistigen Bestre-
bungen in den Hintergrund zu drüngen. Der gegenwürtige
Zcitpunkt ist leider nnr zu sehr dazu angethan, die politische
Stagnation des Volks begreiflich erscheinen zu lassen. Die
totnle Veränderung der geschäftlichen und gewerblichen Grund-
lagen, wie sie die Einführung der Gewerbefreiheit erst kürzlich
bediugte, mußte nothwendig in der ersten Zeit ihre Rückwirkung
geltend machen und kann naturgemäß denen, welche den Ueber-
gang durchzumachen haben, nicht die glliehen Früchte bringen,
welche die neue Generation, die sich bereits eingelebt hat, sicher
davon ürnten wird. Theuerung der Lebensmittel, harter,
strenger Winter, Nothstand, Creditlosigkeit, dies und noch an-
deres üben einen weiteren, tief eingreifenden Einfluß. Aber
so ungünstig diese sozialen Verhültniffe auf die politifche Thä-
tigkeit des Volks zurückwirken mögen, so müchtig müffen sie
andrerseits auf die materielle Richtung influiren. Sind es
zunächst die materiellen Fragen, welche das Volk bewegen,
so liegt es gewiß auch im vollen Jnteresse desselben, keine Ge-
legenheit zu verabsüumen, welche ihm geboten ist, die materiel-
len Jnteresfen selbst mit bestimmen zu dürfen.

Das Zollparlament, das in Berlin znfammcnkommen
wird, hat sich nur ausschließlich mit materiellen Jnteressen zu
befaffen und wenn sich an dasselbe auch ein weiteres politisches
Gewicht anschließt, so ist es doch sachlich in erster Linie auf
materielle Dinge ganz ausschließlich beschrünkt. Die Besteue-
rung des Tabaks und anderer.Handelsgewüchse, die Grundsütze,
welche die materiellen Beziehungen zum Ailslande betreffen, die
Zoll- und Handelsfragen, sie sind es, welche hier zur end-
gültigen Entscheidung kommen und an dieser Eutscheidung
soll wohlgemerkt das ganze deutsehe Volk zum erstenmal
mitwirken. Unterläßt es die ihm dargebotene Gelegenheit, so
ist es seine Schuld, wenn sein Wille nicht vollstündig oder gar
nicht zur Geltung gelangt und es muß sich gefallen lass'cn,
wenn ihm dann auf seine Klagen, der bekannte sprichwörtlich
gewordene Satz Moliöre's: 1'u8 vonlu, Csoi'Ass Dancliri,

tu l'a.8 voulrM *) zugerufen wird.

V a - e n.

KarlsLNhe, 6. Febr. Hr. v. Roggenbach wohnte dem
Leichenbegüngnisse Mathy's bei und bcfindet sich noch hcute
hier. — Der Abgeordnete Lindau hat seine früher angekündigte
Jnterpellation wcgen der Pensionirung von Ministern zurück-
geuommen oder wenigftcns nicht ausgeführt. Diese Selbstübcr-
windung ist jedenfalls dankenswerth; im Lestcn Falle würe eine
sehr heftige Kammerscene erzielt worden.

*) Du hast es so haben wollen, Georg Dandin, Du hast es halt so
habcn wollen.
 
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