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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1868

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No. 38
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https://doi.org/10.11588/diglit.29847#0159

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K'rschtint D i e n st a g,
Donnerftag und
Lamstag nebst der
bellctristischen Beigabe
„ Sonntags blatt
?llle Postanstalten und
B»ten nehmcn Bestel-
lungen an.

n

für die Bezirke

PreiS: jährlich L p.,
vierteljährlich 45 kr. '
Anzcigen wcrden die
drcispaltige Zcile od«r
deren Namn nüt nur
2 kr. berechnet.

Die Botcn erhalten
2 kr. rnonatlich.


38.

Samllng, 38. Miiri.

W o ch e n s ch a u

(Schluß.)

Was ist müer diesen Umständm natnrlicher, als daß der
Clerns crnst wird. 5kardinal Ranschcr erklärt den Liberalismus
für das Bestreben, Böses ohne Furcht vor der Strafe thun
zu wollen. Fürstbischof Niccabona von Trieut entdcckt Nerträge,
welche Tyrol die Glaubenseinheit verbriefen und versichert, das
ganze Land sei stolz auf diesen Vorzug „mit Ausnahme einiger
Jschariothe" und der Bischof von Linz überbietet beide, indem
er sagt: der Ausdruck „Nothcivilehe" sei ebenso unstatthaft als
das „Nothverbrechen." Gegen das Ministerium, das Abge-
ordnetenhaus und d>e liberale Presse, die in religiösen Fragen
jeßt allerdings mit besonderer Schärfe auftritt, um ihre Zahm-
heit in politischen zn maskiren, erhebt der letztgenannte Kirchen-
fürst die Anklage der Gottlosigkeit und den ernstgemeinten
Vorwurf, man wolle eine Christenverfolgung beschließen. Der
„Volksfreund" hat ein eigrnhändiges Dankschreiben vom Papst
erhalten für die vou ihm gesammelten Peterspsennige und für
seine christliche Haltung. Der Redakteur der „Kirchenzeitung"
verdammt auf der Kanzel alle Journale als Teufelswerk, geht
dann nach Hause, zieht seinen Schlafrock an und schreibt einen
Leitartikel. Ja, der Fastenprediger Wiesinger nennt auf der
Kanzel Friedrich den Großen „einen bloßen gekrönten Pam-
phletisten."

Die Stenern und die Militärorganisatian liegen übrigens
daneben anch dem österreichischen Volke gleich einem Alp auf
den Schultern und Sätze, wie z. B. : „Heil dem Parlamente,
das der Steuerschraube Halt gebietet," oder: „die heutige Ge-
neration sagt nicht mehr: Frent Ench des Lebens! Das Lied
ist veraktet. Jetzt heißt es: Freut Euch der Hinterlader!" ge-
hören auch in der österreichischen Presse nicht zu den Selten-
heiten. Und wenn gleich das Ministerium fast allgemein von
der Presse gelobt und vom Publiknm selbst durch Ovationen
fetirt wird, so kann doch „Figaro" gerade deßhalb die Be-
merkung nicht unterdrücken: „Unsere früheren Staatsmänner
wurden durch ihre Gegner gestürzt; dieses neue Ministerium
aber bringen gewiß seine Lobhudler um."

Czechische Blätter in Prag brachten die Sensationsnach-
richt, daß Kofsuth am vorigen Montag in Berlin gewesen sei,
wo er mit Bismarck und dem Prinzen Napoleon conferirt
habe. Wenn die Blätter einmal lügen — warum haben sie
nicht gleich auch noch Garibaldi, Mazzini und Hecker mitge-
nommen?

Ein Herr v. Motmann in Hallum verwahrt sich in
einer Zuschrist an den Schweizer Bundesrath fund wahrschein-
lich alle europäischen Regierungen) das Recht auf die Erfindung
einer Maschine, welche Dampfkraft und Pferde für die Fort-
bewegung aus Eisenbahnen und Straßen überflüstig macht und
auch für die Schifffahrt anwendbar sein soll. Er hat seine
Erfindung der niederländischen Regierung gegen Zusicherung
einer Nationalbelohnung von 2 Millionen Gulden angeboten
Diese Regierung ist nicht darauf eingegangen und nun wird
er Erfinder sein Geheimniß bis nächsten Mai veröffentlichen

— es dem Gerechtigkeilssinn der Regierung anheimstellend,
ihm eine angemessene Belohnnng zukommen zu lassen. — Auch
der durch die Hebung des Dampfbootes Ludwig bei Rorschach
bekannte Submarineingenieur Bauer hat eine unterseeische
Lokomationsmaschine erfunden.

D'ie Luxemburger Frage ist nun doch schließlich noch ein-
mal auf's Tapet gekommen .und zwar in der hollündischen
Kammer in einem Orange-Buch. Die Opposition benutzte diese
Gelegenheit, den Minister van Zuylen stark anzuareifen und
ihm dre Affaire in die Socken zu schieben. Obgleich er sich
gut vertheidigte und es auch mit gutem Fug thun kounte, da
er an der Luxemburger Geschichte seügen Audenkeus so uuschuldig
ist, als das Kind im Mutterleibe, so ging doch die Opposition
nicht bei, welche sich dem Minister gegenüber das LLort des
Patriarchen in Lessings Nathan: „Thut nichts, der Jude wird
gehenkt," wohl eingeprägt haben muß.

Neben dem Unwillen über das Militürgesetz, beziehungs-
weise dessen Einführung, welcher sich, trotz aller Dementis,
eben wiedcr in Neuilly und Bordeaux stürmisch kundgegeben,
spricht man in Paris immer noch von den „Ansprüchen der
napoleonischen Dynastie," die man doch bereits von lange hcr
aus Erfahrung genugsam kennen gelernt hat, als daß man
noch nöthig hütte, sie aus einer Brochüre zu erforsehen. Daß
die Brochüre, welche das Motto: vox popali, vox äoi trügt
die pnre Verherrlichung der beiden Napoleone enthält und den
Dritlen zum fortlebenden Ersten stempelt, ist ebensowenig auf-
fallend, als daß darin von Allem, was Napoleon III. gethan,
rühmendste Erwähnung geschieht, dage.gen des von ihm auf
die Verfaffung der Republik geleisteten Eides mit keiner Silbe
gedacht wird.

Der 100jährige Geburtstag Napoleons I. soll glanzend
gefeiert werden und obgleich bis zu demselben (15. Aug. 1869)
noch viel Waffer die Seine hinabfließen kann, so werden doch
bereits Vorbereitungen dazu in Angriff genommen. Die Asche
des Herzogs von Reichsstadt soll an diesem Tage nämlich
nach Paris verbracht werden.

Die Schmerzensadreffe von angeblich 840,000 Haunovc-
ranern hat in den Tuilerien kein Echo gefunden, weil die
Zahl der Unterschriften an fich schon deren Unächtheit und
Gemachtheit hinlänglich darlhun mußte, und weil „wer zu viel
beweisen will, eigentlich gar nichts beweist."

Als ein gutes Omen wird es in den herrschenden Kreisen
betrachtet, daß der berühmte alte Kastanienbaum im Tuilerien-
garten am 20. März, dem Geburtstag des Kaisers und Jah°
restag der Rückkehr von Elba grünte, wenn gleich Mancher
daraus, daß cr nur wenig Vlä'tter noch hatte, schließen mochte,
ihn genire das Preßgesetz. Der angesührte Kastanienbaum hat
indessen beceits eincn politisch-botanischen Konkurrenten erhalten,
welcher am Rande der großen Avenue der clysäischen Felder
gegenüber dem Cirque de l'Jmperatrice gepflanzt wurde und
bereits seit Ende Februar (doch wohl nicht gar dem 2 4.!)
grünt.

Jn Ermanglung eines neucn Rheinbunds hat sich Frank-
reich die Echutzherrschaft über Cambodscha mü Anerkeunung
 
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