Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1868

DOI chapter:
No. 13
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29847#0053

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erschemt Dienstag,
D,o nnerstag und
S'am st a g nebst der
bcllctristischen Beigabe
.Sonntags blatt*.
Alle Postanstalten und
Boten nehmcn Bestel-
lungen an.

für die Bczirkc

Preis: jShrlich 3 fl.,
viertcljährlich 45 kr.
Anzeigen werdcn die
dreispaltige Zeile vder
dercn Rauin init nur
2 kr. bercchnet.

Die Boten erhalten
2 kr. monatlich.

Schwetzingen und Philippsburg.

No. 13.

Dlmncrstag^ 30. Iannar.

1868.

Aus Ostpreuszen.

Der Spezialkürrespoilderit der „Volksztg." schreibt in cinern
seiner letzten Briefc: Jn den meisten Wohnungen, welche ich
besuchte, snnd ich fast kein Hausgerüth: was brenubar ist.
wurde dem Ofen übergeben; ich fand weuig mehr als eiue
Lade, ein Paar hölzerue Löffel und einen irdenen Topf, selbst
die hölzernen Ofeuthüren waren meist zur Feuerung benutzt.
Den Schmutz der Betten und Kleidungsstücke zu schildern, wi-
dersteht meiner Feder. Jch gehe zur Nahruug über. Diese
besteht schon seit Wochen und Monaten fast nur aus Schrot-
und Erbsensuppe, wovon die ültesten Leute wie die kleinsten
Kinder uothdürftig ihren Hunger stillen können. Brod ist ein
unbekannter Luxusartikel geworden, an Fleisch und Fett ist
natürlich gar nicht zu deuken. Ein altes. ganz verfallenes
und sieches Mütterchen war gestern in Justerburg als Zeugin
vorgeladen, und ein Bauer hatte sie aus Mitleid auf seinem
Schlitten hingefahren. Die 20 Sgr. Zeugengebühren waren
für die arme Frau ein wahrer Schatz; sie kaufte sich ^4 Metze
Graupen, die wir noch bei ihr fanden, und mehrere Metzen
Kleie, woraus sie sich mit Heringslake ihre Suppe bereitet;

_denn Salz ist den Meisten jetzt zu theuer. Aber halt! beim

1kWWchTn ^'er''LWe fanden wir über der Kleie auch ein gro-
ßes Stück rohes Fleisch. Dieß war der Rest eines frühgebo-
renen Kalbes, welches der erwähnte Bauer der Alten geschenkt
hatte, anstatt es wie sonst den Hmrden zu geben. Vei einer
anderen Frau, in dem Dorfe Kubbeln, entdeckten wir Katzen-
knochen, und die Frau gestand ,mit Scham ein, daß sie die
Katze geschlachtet habe, um ihre ganz heruntergekommenen Kinder
ein wenig zu stürken. ^zn der Stadt Gumbinnen bemerkt man
seit einiger Zeit das hüufige Verschwinden von Katzen und
Hunden. Dies sind so einige Züge aus dcm massenhaften
Elend, welches ich auf der Fahrt von Jnsterburg bis zum
Gut Purpesseln mit eigenen Augen und Ohren beobachtet habe.
Aber ich muß auf der andern Seite bemerken, daß gerade in
den Dörfern, die ich besuchte, die Noth weder so verbreitet,
noch so intensiv ist, wie sie an sehr vielen andern Orten be-
steht, und wie ich sie heute in dem Dorfe Skardupchen bei
Plicken, eine Meile von Gumbinnen mehrfach mit Schaudern
gesehen habe. Leider haben die Waldarbeiten in der letzten
Zeit sehr nachgelassen, doch hofft man in jener Gegend, daß
nach dem gänzlichen Wegthauen des fußhohen Schnee's das
„Stubbenroden" (Stockholz) wieder Beschäftigung geben würde.
Anderseits ist es sicher, daß gerade in vielen sogenannten F»rst-
kolonieen des Jnsterburger Kreises, z. B. Neu-Warkau, Frans«
dorf, Rekeitschen die Noth am größten und die Hülfe am ge-
ringsten ist. Jn diesen Orten sind manche Personen, besonders
Kinder, schon so weit, daß sie gänzlich abgemagert und ge-
schwollen sind, und ihre Erhaltung, trotz jetzt gereichter Nah-
rung, sehr zweifelhaft erscheint. Jm Dorfe Skardupchen fand
ich das Elend in so vollendeter und abschreckender Gestalt, wie
es mir bis jetzt noch nicht entgegengetreten war. 3 Kinder,
mit fadenscheinigen Lumpen bekleidet — Hemden sind bei dieser
Art Leu-ten schon längst nicht mehr vorhanden — lagen in
einem üöeraus schmutzigen Beite zusammenz die Mutter uahm

das jüngste davon heraus und wies uns wcinend die abgema-
gerten und krampshaft zusammengezogenen Beinchen. Der
Mann ist vor 3 Wochen auf Arbeit ausgegaugen und hat
nichts wieder von sich sehen noch hören lassen. Tie Paar
Stoof (Quart) Suppe, die täglich einmal von dem Komitee
verabfolgt werden, reichen nicht hin zum Sättigen, und beim
fleißigsten Spinnen werden nur zwei Titichen (Silbcrgroschen)
verdient. So' lebt man in Tausenden von litthauischen Hütten.
Wo möglich noch schlimmer war es aber bei einer anderen
Familie gleich im nüchsten Hause: eine große krüftige Frau
mit fünf Kindern; der Mann seit Martini verschollen. Zwei
Knaben von etwa 9 und 10 Jahren kommen halb erfroren
vom „Prachern" (Betteln) zurück, der eine hat ein Beutelchen
Kleienmehl, der andere etwas Bohnen mitgebracht, letztere aber
nicht geschenkt crhalten, sondern eingetanscht. Was hatten diese
Leute noch wegzugeben? Das einzige Kleid des etwa 6jührigen
„Mariellchens" (Müdchens) war gegen das kostbare Bohnen-
gericht hingegeben, dafür hatte die Mutter dem Kinde einen
Ersatz von ihren eigenen Lumpen gefertigt. Ein „Marielle"
von etwa 13 Jahren hielt sich schweigend an der Thür. Das
jüngste Kind lag im Bettchen; vor wenigen Tagen entwöhnt,
da die Mutter keine Nahrung mehr hatte, sah das unglückliche
Geschöpf, als die Mutter es laut schluchzend emporhielt, so
bleich und abgemagert aus, als würe schon kein Leben mehr
in ihm. Seine Nahrung besteht in einem Tröpfchen Suppe
vom benachbarten Besitzer. Einen Tropfen Milch für den
schwachen Säugling zu bekommen, ist unmöglich; es gibt ja
in diesem Winter so wenig Milch, uud die Vauern schenken
keine. Bald, sehr bald wird das Kind keine Milch und keine
Suppe mehr brauchen, nur ein kühles Plützchen in der litt-
hauischen Erde.

B a - e n.

Karlsruhe, 24. Jan. Durch höchsten Befehl Seiner
Königl. Hoheit des Großherzogs vom 23. d. Mts. wird der
Oberwachmeister Karl Schüfer der Unteroffiziersgarde zum
Lieutenant im Jnvalidenkorps ernannt.

Karlsruhe, 24. Jan. (59. Sitzung der zweiten Kam-
mer.) Tagesordnung: Berathung der Budgetkommission, das
Eisenbahnbanbudget für 1868—1869 betreffend. Jn der ver-
flossenen Finanzperiode 1866—67 waren für Eisenbahnbauten
nahezu 30 Millionen bewilligt worden. Hievon kamen fast
23^/» Mill. zur Verwendung, und blieben demnach nahezu 6^/2.
Millionen als restirende Kredite übrig; jene Summe wurde
verwendet auf die Kinzigihalbahn (Offenburg - Hausach), die
Odenwaldbahn (Mo^bach-Würzbnrg), die Bahnstrecke von Sin-
gen nach Engen, auf Herstellung der Rheinörücke bei Mann-
heim u. a. Die Anforderungen für die gegenwürtige Finanz-
periode entziffern sich auf etwas über 15^/2 Millionen; daher
sollen zur Vollendung und Fortsetzung der bereits in Angriff
genommenen Bahnen etwas über 11 Millionen, das llebrige
zur Vermehrung des Transportmaterials, zur Anlage zweiter
Geleise (namentlich auf den Strecken Durlach - Wilferdingen,
Pforzheim-Mühlacker in a.) entfallien, Für Deckung der Kosten
iff durch das ckproeentige Prämienlehen von 12 Mill. Thaler
 
Annotationen