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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Springer, Jaro: Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [1]
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276

Die Akademische liunstausstelluug in Berlin

Von Iaro Springer (Berlin)

esondere Neberraschungen hat wohl niemand von
der diesjährigen Berliner Ausstellung erwartet. Wer
den schlimmen Gerüchten, die schon vor Eröffnung der
Ausstellung umliefen, willig glaubte, wird immer noch
von der Fülle des Mittelmäßigen, das ihm diesmal ge-
boten wird, betreten sein. Nicht einmal die geringen
Hoffnungen, mit denen der Ausstellung entgegengesehen
wurde, sind erfüllt worden. Anscheinend hat es Schwierig-
keiten verursacht, die weiten Säle voll zu bekommen. So
griff man zu den ältesten Nummern zurück und führt
uns Bilder vor, über die schon bei unfern Großvätern
das Urteil feststand. Wenn es der Mühe verlohnte,
der Ausstellung einen Beinamen zu geben, so könnte man
sie die Ausstellung der alten Schwarten nennen, oder
sie etwas höflicher als retrospektive Ausstellung bezeichnen.
Bilder ans den 50er Jahren finden sich fast in jedem
Saal, glücklich war man mit diesen Ausgrabungen aber
in keinem Fall. Wer als harmloser Fremder die Aus-
stellung besucht und ganz natürlich zunächst eine Vor-
führung der neuesten Leistungen der Berliner Schule er-
wartet, wird über diesen altertümlichen Zug erstaunt
sein, und sich baß darüber verwundern, daß man hier
so zurückgeblieben ist. Eines der ausgestellten Bilder
(Nr. 466) ist im Jahr 1839 gemalt. Von demselben
noch lebenden Künstler Adolf Henning ist ferner eine
römische Campagnalandschaft, die im Jahre 1844 be-
gonnen und im Jahre 1892 vollendet wurde, ausgestellt.
Es ist schwer, sich zu diesen altmodischen Bildern, die
in unsre Zeit gar nicht mehr hineiupassen, zu stellen,
denn man möchte dem würdigen Kunstveteranen, der sie
geschaffen und der als letzter Vertreter einer verlassenen
Geschmacksrichtung noch unter uns weilt, nicht Wehethun.
Die Vorführung derartiger Kunstwerke muß entschieden
den kleineren Privatausstellungen überlassen bleiben, in
die großen Jahresausstellungen passen sie nicht, selbst in
die diesjährige nicht, so gering auch die Anforderungen
sind, die wir an sie stellen dürfen.

Zahlreich sind die sogenannten Sondcrausstellungen.
Wer einige alte Bilder unverkauft im Atelier hängen
hatte oder von gefälligen Besitzern geliehen bekam, hat
sie flugs zu einer Sonderausstellung zusammengethan und
eine halbe Wand oder ein Eckchen damit gefüllt. Bequem
mag diese Verlegenheitsauskunft, leere Säle zu füllen,
schon sein, aber etwas Ganzes können die zufällig zu-
sammengerafften Werke alter und neuer Zeit uns nicht
zeigen.

Mit dem, was Berlin diesmal bringt, wird die
Besprechung am zweckmäßigsten beginnen, da sich die
Berliner Schule noch am vollzähligsten vertreten findet.
Geschlossen und selbstbewußt erschienen die alten Herren
der Akademie und die zu deren Gefolgschaft gehören,
haben sie doch dies eine Mal noch in der viel besprochenen
Ausstellungsangelegenheit gesiegt. Carl Becker ist als
Präsident der Akademie dem Spruch der Jury nicht unter-
worfen, so war es ihm möglich, sieben Bilder auszustellen,
an denen sich der, der etwa noch nicht weiß, wohin er
Becker zu setzen hat, bequem ein Urteil bilden kann.
„Die lachenden Erben" und „Dürer in Venedig" sind dafür

besonders geeignet. Bös ist das „Grctchen", das sich den
Schmuck anlegt. Es scheint eben immer noch ein Publikum
zu geben, das in Kunstsachen den Nähmädchengeschmack
hat. In jeder Berliner Ausstellung, vorab aber in dieser
erscheint Paul Meyerheim recht günstig, weil er
immerhin viel kann. Ein platter Humor schädigt leider
häufig die Wirkung seiner Bilder. Unter den Bildern
von L. Knaus findet sich außer mehreren leider nicht
sehr befriedigenden Porträts und den altbekannten karten-
spielenden Schusterjungen ein sehr feines, gutes Bild,
zwei trictracspielenbe Herren, das uns wieder den weit-
klingenden Ruhm des Künstlers als verdient erscheinen
läßt. Sehr gut sind die Porträts des Grafen Harrach,
so das seltsam graugefärbte Selbstbildnis und vor allem
das Porträt des Fräulein von Ölfers. Sonst drängen
sich die Porträts diesmal angenehmer Weise nicht so
vor. Wenig Kaiserbilder sind da, darunter aber ein
vortreffliches von Koner, das den Kaiser im grauen
Paletot wiedergibt, unstreitig das beste Kaiserporträt, das
Koner bisher gemalt hat. In der Vergleichung mit diesem
wirkt das gezierte Kaiserbild von Dielitz recht ungünstig.
V i lma Par lag Hy bringt ein sehr unglückliches Bismarck-
porträt, ein künstlerisch wenig genügendes Selbstbildnis,
dagegen aber ein ganz vortreffliches Bild des vr. Julius
Rodenberg, des bekannten Herausgebers der Deutschen
Rundschau. Dieses frappant ähnliche und technisch so
sicher ausgeführte Bild steht wieder ganz auf der Höhe
des Porträts von Windthorst, mit dem uns die reich
begabte Künstlerin vor zwei Jahren überraschte. Von
früheren Ausstellungen her ist mir Conrad Fehr durch
mehrere gute Porträts in Öl und Pastell in guter Er-
innerung. Die dargestellten Persönlichkeiten waren immer
einfach und ohne gezwungene Pose gegeben. Das große
Familienbild, das Fehr diesmal ausgestellt hat, ist aber
wohl das unglücklichste, was mir von dieser Sorte von
Porträtgruppen noch begegnet ist. Von jedem Photographen
verlangt man heute ein größeres Geschick im Gruppieren.
Von den bekannteren Berliner Porträtmalern, sei es,
daß sie den Ruhm ihrer Kunst oder anderen Umständen
verdanken, ist Graes auf dieser Ausstellung wieder reich
vertreten. Ein großes Geschick und eine meist glückliche
dekorative Wirkung ist den Graefschen Bildern unleugbar
nachzurühmen, die reife Schönheit der voll erblühten Frau
gelingt ihm am besten, sie steht seinem eignen Geschmack
wohl am nächsten. Seine jungen Mädchen sind immer süßlich.
Ter neuerdings in vornehmen Kreisen bevorzugte und
in der Wiedergabe feiner aristokratischer Schönheiten
meist sehr glückliche K iesel hat diesmal nur ein kleineres
Damenbildnis eingesaudt, das aber Kiesels beste Eigen-
schaften nicht zeigt. Ein gutes Damenporträt hat ferner
Erich Brunthal ausgestellt. Auch schon der Vergangen-
heit gehören die Bildnisse von Julius Schräder an.
Von den jüngeren Berliner Porträtmälern fällt Hanns
Fechner angenehm auf. Sein Bildnis von Rudolf
Virchow ist in mehr als einer Beziehung besser als
das von Hugo Vogel. Vogels von der Ausstellung
der „XI" her bekannte Porträt von Robert Dohme findet
sich auch auf der Ausstellung und macht hier in der
 
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