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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Pecht, Friedrich: Die Münchener internationale Ausstellung von 1892, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0349

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vom Herausgeber

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Bildende Jungen, von lv. 5 tott of Gldham

Aufmerksamkeit durch ein großes Bild fesselt, welches die Proklamation der Konstitution von 1791 in Warschau
darstellt. Immerhin ist von dem Meister, der uns einst durch Skargas Predigt so tief erschüttert, noch genug
geblieben, um sein Bild auch jetzt noch zu einem Glanzpunkt der Ausstellung zn machen. Neben ihm fesseln
zwei herrliche Frauenbilder des Frl. Bilinska, die nach und nach für ihr Geschlecht das werden zu wollen
scheint, was Lenbach für die Männer schon lange ist. — Auch bei den Engländern fallen zunächst einige
treffliche Bildnisse auf neben vielem Manierierten, was wenigstens unsre nachahmungslustigen Modernsten ent-
zücken wird. Die Franzosen waren vorläufig nur durch ein kolossales Feuerwerk von Rochegroße vertreten,
das uns, wie es scheint, beweisen soll, daß Belsazar ein sehr üppiger Herr gewesen, dem es schon recht
geschehen, wenn er verbrannt ward. — Im Grunde erinnert das riesige Bild am meisten an die Zerstörung
Jerusalems durch Kaulbach.

Sehr frisch und eigenartiger als alle andern muten die Italiener an, die drei Säle gefüllt, obwohl
man wenig neue unter ihnen findet. Dagegen ein wahrhaft ergreifendes Bild von Nono, eine Art Mutter
mit dem Kinde vor der Mater dolorosa aber herrlich ins Italienische übersetzt. Ebenso prächtige Marinen von
Ciardi und Fragiacomo und dabei alles erquicklich, selbständig und frei von Nachahmung andrer.

Es dürfte denn auch keinem Zweifel unterliegen, daß diese Ausstellung an Reichtum hinter keiner
ihrer Vorgängerinnen Zurückbleiben, aber an Vornehmheit der Ausstattung den meisten sich überlegen erweisen
wird. Das verdankt man dann nächst der glänzenden Erfindung der großen Galerie in der deutschen Abteilung
vor allem dem herrlichen Skulpturensaal, den der Architekt Gabr. Seidel zu einem Meisterstück jener Renaissance-
dekoration in farbigen Marmoren umzugestalten verstand, wie man sie sonst nur noch in Roms Palästen und
Kirchen findet. Ist er erst mit den in großer Zahl und Güte eingetroffenen Bildwerken gefüllt, so muß
er eine höchst imponierende Wirkung machen, wie sie das von Lenbach mit teilweise köstlichen Meisterwerken
alter Kunst versehene Kabinet jetzt schon macht, das durch seine entzückend reiche Harmonie freilich alles über-
trifft, was die moderne Kunst zu bieten hatte. Nichtsdestoweniger wird man auch bei dieser — wenigstens
bei den Deutschen — von Rückgang zu sprechen gewiß nicht versucht sein. Wo aber ihr unzweifelhaft vor-
handener Fortschritt liege, das soll uns im nächsten Bericht beschäftigen.

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