Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Die Münchener internationale Ausstellung von 1892, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0348

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
274

!Die Münchener internationale Ausstellung

aber ganz umgestoßen werden. Wenigstens das gewiß nicht, was einem am andern Tage noch davon im
Gedächtnis geblieben ist. Damit aber wollen wir jetzt unsre Leser bewirten.

Zunächst fällt einem sehr angenehm die Veränderung der Dekoration und Einteilung der Säle auf.
Schon das grandiose Vestibül hat wenigstens an Licht gewonnen. Dort empfängt einen gleich die Reiterfigur
unseres Prinz-Regenten, die Rümann für Landau in der Pfalz modelliert und die ich anfangs für einen
Tilly oder Pappenheim nahm, weil der hohe Herr da im Kostüm des Hubertusordens erscheint. Dann
schwenken wir links in die deutschen Säle ein, welche die ganze östliche Hälfte des Glaspalastes füllen und
auch schon am meisten vorgeschritten erscheinen. Erst kommt man da wiederum in einen Elitesaal, der vorläufig
mit Lenbachschen Bildnissen gefüllt ist, unter denen zwei Männerporträts direkt an Titian erinnern, während
man das den verschiedenen Damen durchaus nicht nachsagen kann, da sie alle mehr oder weniger geziert und
keineswegs unbefangen aussehen. Lenbach ist offenbar noch viel weniger ein Damenmaler als sein Vorbild
Velasquez es war. Dagegen finden wir in einer Ecke bescheiden und anspruchslos versteckt eine Perle ersten
Ranges, die sich zum Kirchgang anschickende alte Frau von Löfftz. Da ist nun keine Spur von affektierter
Genialität, aber alles schlechtweg klassisch. Wenn irgend eines, so gehörte dies Bild in unsre Pinakothek!

Von diesem erst halb gefüllten Saal aus öffnet sich nun höchst angenehm überraschend eine lange
säulengetragene Galerie, von der aus man dann links und rechts die Bilder im allerbesten Licht sieht und wo
einem alles durch gewaltigen Ernst überstrahlend sofort Wengleins berühmtes „Jsarthal im Spätherbst"
auffällt, das wohl die schönste Landschaft der Ausstellung bleiben dürfte. Daneben köstliche Baischs und
gegenüber Bokelmanns erschütternder „Dorfbrand". Eine musikalische Matinee aus der Zopfzeit wird dann
von Meyer, Mainz, mit viel Humor und Brillanz geschildert. Weiterhin fesselt ein zweites Konzert aus der
Empirezeit, die Simm ganz prächtig charakterisiert. In der feinen Durchbildung wetteifert damit ein Bild
von Frithiof Smith „Mädchen aus der Kirche von der ersten Kommunion kommend". Die sind aber mit
solcher Unschuld und Frische und zugleich mit solchem Glanz der Farbe dargestellt, daß dies in Weimar ent-
standene Meisterwerk erst recht beweist, wie ein echtes Talent eigentlich am besten in der Isolierung gedeiht.
Dergleichen Pleinairmalerei läßt sich freilich jeder gefallen, da sie das gerade Gegenteil der Schmiererei ist,
die sich so oft und auch diesmal wieder dafür ansgibt. — Weiterhin fesselt uns dann eine grandiose Gebirgs-
landschaft, am Albulapaß von Ludwig in Berlin und ein merkwürdig kühnes Winterbild von Andersen
Lundby. Unter den sehr seltenen Schlachtenbildern ist das bedeutendste wohl Rocholls Kaiser Wilhelm I.
umringt von jubelnden Soldaten nach der Siege von Sedan- Von religiösen Stoffen frappieren durch die
Originalität der Auffassung Räubers St. Hubertus vor dem Hirsche kniend und Stucks Kreuzigung, sowie
seine Pieta, beide von merkwürdiger Energie. Rührend und ergreifend wirkt dann Walter Firles Mutter
mit der sterbenden Tochter. Unter den Bildnissen frappieren am meisten das einer Frau von Hugo Vogel,
und zwei köstliche Männerköpfe von Brütt. Ebenso ein Frauenbild von Papperitz. — Damit wäre ich
mit meinen speziellen Erinnerungen aus den deutschen Sälen zu Ende und kann nur noch hinzufügen, daß sie
sowohl in Bezug auf den großen Reichtum der Erfindung, als auch durch die durchschnittliche Solidität der
Mache einen besseren Eindruck hinterlassen, als die fast aller fremden Nationen. Das ist nun freilich großen-
teils das Verdienst der Jury, die ihres dornenvollen Amtes gerade diesmal mit größerer Strenge gewaltet
haben soll als je zuvor, wofür man ihr nur aufrichtigen Dank sagen kann; daß einzelne ihrer Entscheidungen
immerhin angreifbar bleiben, das kann da nichts verschlagen und wird keiner Jnry der Welt erspart werden.

Besser zu große Strenge als zu viel Nachsicht, wie sie die weitaus meisten fremden Juroren ihren
Landsleuten gegenüber offenbar gezeigt und uns dadurch eine große Zahl sehr überflüssiger Meisterwerke auf
den Hals gezogen haben, wie man alsbald sieht, wenn man das Gebiet der fremden Nationen betritt, und
zwar zunächst das der Nordamerikaner, die zwei Kabinette mit zum Teil recht interessanten weil allerhand
Versuche fast immer mit Talent machenden Arbeiten anfüllen, bei denen der Münchener Marr aber doch am
glänzendsten auftritt. Eröffnen sie uns eine neue Welt oft in des Wortes verwegenster Bedeutung, so thun das
in andrer Weise auch die Russen, von deren Bildern einem zunächst ein auf weiter Schneefläche nach Beute
suchender hungriger Wolf auffällt. Imponierender als ihre Malerei wirkt ihre Skulptur durch eine große Anzahl
von eine Art besonderer Genialität entwickelnden Werken Antokolskis. Von ihnen kommt man in den diesmal
eine sehr gemischte Gesellschaft enthaltenden belgischen Saal, wo uns zwar viele Bekannte aber meistens weniger
glänzend als früher begrüßen. Um so interessanter und durch seine vollendete Harmonie wohlthuender mutet
dann ein ganz mit holländischen Aquarellen gefülltes Kabinet an, dem ein großer Saal mit Ölbildern folgt,
welche, obwohl viele neue Namen zeigend, wiederum die alte technische Meisterschaft offenbaren, die freilich einen
etwas handwerklichen Anstrich nicht verläugnet und de Haas mit seinen Bildern ihr vornehmster Repräsentant
ist. Den Holländern folgt ein Saal mit den immer sehr gesund und frisch, bisweilen auch ein wenig barbarisch
aussehenden Werken der Ungarn, die freilich fast alle in München erzogen und oft auch gemalt sind und wo
der einstige Pilotyschüler Benczur die erste Rolle spielt. Gleich den Ungarn die Münchener Erziehung oft
verratend, erscheinen die Polen, wo neben dem gut vertretenen Münchener Brandt, Mateijko sofort die
 
Annotationen