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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Brahm, Otto: Ein Pariser Kunstbrief von Stauffer, Bern
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Springer, Jaro: Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0414

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528

Lin pariser Kunstbrief von Stauffer-Bern — Die akademische Kunstausstellung in Berlin

Pose, da ist sie nun doch wahrhaftig nicht angebracht. Es gibt auch da nur wenige wirklich tüchtige Künstler,
die guten aber hatten ein paar herrliche Sachen da. Carliet heißt, glaube ich, einer, der einen toten Knaben
(Abel) in Marmor da hatte, allerersten Ranges, auch eine Bronze, lebensgroßes Bauernmädchen, welches dem
Federvieh sein Fressen vorschüttet, war ganz meisterhaft, auch sonst waren vorzügliche Arbeiten von Fremiet,
der die Ehrenmedaille für Plastik bekam, ein verwundeter Gorilla, der ein Weib raubt. Die graphische
Abteilung war gut, aber nicht so, daß ich für das eine oder andre Werk zu schwärmen Veranlassung gehabt
hätte. Chauvel hatte eine brillante Radierung nach Corot, auch Braquemont hatte eine gute, sogar vor-
zügliche Arbeit, aber ich mache mir aus der reproduzierenden Radierung überhaupt wenig, mich interessiert
diese Technik nur als selbständige künstlerische Sprache, Rembrandt, Dürer, Klinger, Herkomer, Van Dyck. —
Das ist, was mir etwa bei Betrachtung der 5318 Nummern im Salon durch den Kopf ging. Nun weiß ich
wahrhaftig nicht, soll ich fortfahren mit meinen Raisonnements. Ich werde es mal riskieren, trotzdem der
Brief schon über das Maß hinaus geht, was man sich an Weitläufigkeit sogar Freunden gegenüber erlauben
darf. — Eben bemerke ich beim Durchlesen des Skriptums das entsetzliche Deutsch und die schlechte Pfote, setzen
Sie sich bitte darüber hinweg, ich schreibe wie es mir in die Feder kommt.

Der Louvre macht den Eindruck einer Sammlung, die durchaus nicht gut im Stande gehalten wird,
die Bilder sehen alle aus als ob sie im Rauchfang gehangen hätten und das Gebäude ist das denkbar un-
geeignetste zur Aufstellung von Kunstsammlungen. Es sind herrliche Werke dort, aber ich muß gestehen, daß
mir die Dresdener Galerie doch noch lieber ist, sie ist viel genießbarer, weil nicht eine solche entsetzliche Menge
schlechtes und mittelmäßiges Zeug den Eindruck der guten Sachen abschwächt und das Auge ermüdet. Auch
die Millet-Ausstellung habe ich gesehen in der ecols ckes bsanx arls. Es sind famose Arbeiten dabei, aber
eine halbe Million für ein solches Bild wie »anZ-slus« zu zahlen, halte ich für Wahnsinn. Da wir gerade
bei Bilderpreisen angelangt sind, so will ich doch bemerken, daß in Paris alles mit Reklame „gegründet"
wird (wie im L'oeuvre). Immer wird wieder ein neuer Mensch gegründet, Sedelmeyer hat Munkacsy gegründet,
der jetzt nach Amerika verduftet ist auf eine zeitlang. Er war gezwungen zu leben wie ein Fürst. Das ist
jedenfalls das dümmste was ein Künstler thun kann, wenn er sich sein Leben nicht so einfach als überhaupt
möglich einrichtet. Wo soll bei einem solch üppigen Leben (auch die Berliner kranken daran) die Konzentration
und Schaffenslust Herkommen? Von einem Künstler verlangt niemand etwas anders als gute Arbeiten, was er
sonst treibt, geht niemand was an, sobald er sich anständig aufführt. Wie viele unter den modernen Größen
sind solche Aktienunternehmen, mir wird ganz stau, wenn ich daran denke. Eine Hauptweisheit ist jedenfalls,
wenig brauchen, dann muß man nicht immer verdienen und kann einen großen Teil seiner Zeit der Kunst
ohne Nebenzwecke leben. Das wäre mein Ideal.

Etwas haben die Pariser Männer und Frauen vor den Deutschen voraus, die Eleganz im Benehmen
und in der Kleidung, das ist mir diesmal viel mehr ausgefallen wie früher, die Französin kleidet sich äußerst
einfach auf der Straße, sowohl der deutsche Stutzer als die sogenannt feine deutsche Frau gehen viel auffallender
und affektierter gekleidet als der Franzose und die Französin. Auch in Brüssel ist es in der Beziehung besser
als in Berlin.

Für heute will ich doch Schluß machen, es ist schon spät. Leben Sie wohl und erhalten Sie Ihr
Wohlwollen

Ihrem treu ergebenen

Stauffer-Bern.

Die akademische jkrunstau^stellung in Berlin

von Jaro Springer (Berlin)

H'*) N chd uck v-rbolcn

on zwei Alt-Berlinern finden sich noch eine größere
Anzahl von Bildern vor, von Adolf Menzel
und von Gustav Spangenberg. In einem schlecht-
beleuchteten Zwischensaale, den nur der Ortskundige finden
kann, sind zwei Bilder und zahlreiche Studien von Menzel
untergebracht. In den großen lichten Sälen machen sich
die mittelmäßigsten Arbeiten breit, wie seltsam, daß man
da Menzel, doch unbestreitbar noch immer unsre erste
Nummer, in einem dunklen Nebensaal versteckt hat.

Neben einem älteren Bild Menzels, „Nach dem Ball",
ist ein neueres Bild, „Die Prozession in Gastein" (Heft 16),

ausgestellt, das die letzte reife Zeit gut kennen lehrt.
Mehr fesseln noch die zahlreichen Studien und Skizzen
Menzels aus verschiedenen Perioden, fleißige Naturstudien
des greisen, immer jungen Altmeisters noch aus den
letzten Jahren. Sie könnten andern lehren, daß der
künstlerische Ruhm um teuren Preis erworben, und wenn
einmal errungen, dann nur durch den eisernen Fleiß
während eines ganzen Lebens festgehalten werden kann.
Ob es aber gerade Aufgabe einer Jahresausstellnng ist,
Menzelsche Werke in größerer Anzahl, darunter viel
bekanntes, vorzuführen, ist fraglich, jedenfalls ist es aber
nicht Aufgabe des Ausstellungsberichtes, über die Größe
und Bedeutung Menzels zu unterrichten.

*) I. siehe Heft 18.
 
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