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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0135

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Rücken.

eines 4. Okzipitalwirbels, sondern als Manifestation des letzten (3.), normal ein-
verleibten Wirbels gedeutet. Diese Hypothese ist für die. meisten Fälle wenig
wahrscheinlich.

Bei den Verschiebungen der atlantookzipitalen Grenze in der Segmentreihe
kann jeder Wirbel die Charaktere seines jeweiligen Standortes annehmen. Der
Epistropheus, welcher zum 1. freien "Wirbel in der Reihe wird, ist gewöhnlich als
Epistropheus erhalten, kann sich aber in einen Atlas umwandeln (in einem Fall
waren zwei Atlanten vorhanden, ein dem Schädel inkorporierter und ein freier als
1. Wirbel). Der Atlas, welcher in dem Schädel darin steckt, kann Kondylen mit
Gelenkfacetten wie ein normales Okzipitale aufweisen (Fall von Kollmann).
Weniger zuverlässig sind die zahlreichen Fälle, in welchen am Okzipitale vermut-
liche Spuren eines in ihm steckenden Atlas zu sehen sind, und in welchen der erste
freie Wirbel ein Atlas der üblichen Form ist. Ist wirklich hier der Atlas der Norm
inkorporiert und der Epistropheus in einen Atlas umgewandelt, so ist in diesen
Fällen der Einfluß des Standortes auf die Form des an erster Stelle stehenden
freien Wirbels am deutlichsten.
Scheinbare Als Beweis für Wirbeleinschiebungen oder Verluste innerhalb der Reihe

tionimdEx- (Interkalation und Exkalation) werden vielfach Fälle angeführt, bei welchen ein
kalation Wirbel verdoppelt erscheint oder einseitig Fragmente von Wirbeln eingeschoben
von Wir- sind. Es ist wohl möglich, daß Stücke von Segmenten, die durch atypische Ent-
wicklungszufälligkeiten abgesprengt werden, Teile von Wirbeln produzieren und daß
ein ganz großer Segmentrest sich zu einem G-anzwirbel restituiert. Bei einseitigen
Defekten oder Einschiebungen von Wirbelfragmenten ist dies die wahrscheinliche
Erklärung. Auch wäre denkbar, daß das Oesamtmaterial der Wirbelsäule in ab-
normen Fällen von vornherein anders eingeteilt wird als gewöhnlich; dann wären
die Einzelwirbel nicht auf die Wirbel der Norm zu beziehen, so wenig wie die Seiten
eines Dreiecks mit denen eines Vierecks des gleichen Umfanges vergleichbar sind.
Da Anfang und Ende der Wirbelsäule schwanken und auch die Einzelabschnitte
inkonstante Grenzen haben (s. u.), so ist am fertigen Objekt schwerlich zu ermitteln,
Avelche Entwicklungsanomalien stattgehabt haben. Experimentell embryologische
Erfahrungen fehlen noch so gut wie ganz; wir wissen nur, daß die Zahl und Reihen-
folge der Ursegmente bei Amphibien bereits im Neurulastadium (S. 23) determiniert
sind, also bevor äußerlich oder mikroskopisch Ursegmente (Urwirbel) sichtbar
werden. Es wären also nur in der frühen Entwicklung (Gastrulation) Veränderungen
denkbar, welche Einflüsse auf die Ursegmente und Wirbelfolge gewinnen könnten.
Theoretisch kommt man mit der Annahme aus, daß alle Ex- oder Interkalationen nur
scheinbare sind und vorgetäuscht werden durch Verschiebungen der Grenzen ein-
zelner Abschnitte der Wirbelsäule, welche mit Vermehrung oder Verminderung der
Anfangs- und Endwirbel der Reihe kombiniert sein können. Diese Verschiebungen
sind zweifellose Tatsachen, wie die folgenden Beschreibungen lehren, und deshalb
zur Zeit die bedeutungsvolleren Erklärungen für Störungen der Wirbelfolge und -zahl.
Es bestehen auch große Schwierigkeiten, welche sich bei der Annahme einer Inber-
und Exkalation von Wirbeln für die Gesamtorganisation ergeben würden.

Mit einer Vermehrung oder Verminderung der Wirbelzahl ist nicht notwendig
eine Verlängerung oder Verkürzung der Wirbelsäule und des Körpers verknüpft.
Es hängt dies mehr von der Länge der einzelnen Wirbel ab. Die Giraffe hat nicht
mehr Halswirbel als der Mensch und alle anderen Säuger. Das ist ein deutlicher
Hinweis darauf, daß Interkalationen, falls sie überhaupt möglich sind, de facto
vermieden werden.

Wirbel Die häufigste Varietät der einzelnen Wirbelabschnitte ist die Vermehrung"

zähligen der Thorakalwirbel durch überzählige Rippen, die durchschnittlich bei 6% der
Haisrippen Menschen vorkommt. Dreizehn Rippen sollen nach einer russischen Statistik bei
jedem 12. oder sogar bei jedem 3.—4. Menschen (Dorpat, Petersburg) zu finden
sein. Da Rippenrudimente in allen Wirbeln stecken (S. 81), ist das Wieder-
auftreten von Rippen eine atavistische Varietät. Verminderungen gegen die
Normalzahl sind seltener. In dem einen Fall ist der Thorakalteil der Wirbel-
säule vergrößert, in dem anderen verkleinert. Die Wirbelzahl der angrenzenden
Abschnitte (Hals-, Lendenteil) kann entsprechend verringert oder vermehrt sein;
sie kann auch scheinbar unverändert bleiben, weil die Grenze gegen den Schädel
und speziell diejenige gegen das Becken variabel ist. In Abb. 76 ist bei einer
kindlichen Wirbelsäule die Höchstzahl präsakraler Wirbel abgebildet, die
bekannt ist. Es sind 26 statt 24. Davon haben 15 Wirbel Rippen (statt 12).
 
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