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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0198

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V

Wirkung der Bauchwandmuskeln. 187

sammen, so unterstützen sie sich. Bei Drehungen des Körpers ist deshalb
meistens auf der einen Seite die oberflächliche schräge Muskulatur, auf der
anderen Seite die tiefe gespannt; die anderen Schichten bleiben schlaff. Am
Lebenden ist das durch aufmerksame Beobachtung mit Auge und Finger
deutlich feststellbar (man vergleiche für die Torsionswirkung der Obliqui die
beiden Abbildungen 103 und 120).

Die zweite Aufgabe der Bauchmuskeln, welche hier zu betrachten ist,
besteht im Ausgleich des intraabdominalen Druckes. Der von den Bauch- Rauch-
eingeweiden ausgehende Druck auf die Bauchwand hält gewöhnlich die Wage (^a'udt
dem von dem Tonus der Bauchdecken auf die Eingeweide geübten Gegendruck, presse)
Gewinnt die Kontraktion der Bauchmuskeln das Übergewicht, so nennen wir
das Bauchpresse (Prelum abdominis). Sie tritt in Tätigkeit beim Austreiben
von Kot und Urin und wirkt bei der Frau mit bei der Geburt des Kindes. Für
die Bauchpresse wirken diejenigen Abschnitte der weichen Bauchdecken, welche
in die Bauchausschnitte des Brustkorbes und Beckens hineingreifen, um so mehr,
je mehr sie dadurch an Fläche gewinnen. Die Reduktion der unteren Rippen
und des Brustbeines und die Form der ventralen Beckenabschnitte steht in
engster Beziehimg zur Länge der Muskelfasern in der Bauchdecke und dient
deren Doppelaufgabe (Bewegung des Körpers im allgemeinen und der Bauch-
presse im speziellen).

Bei der Wirkung der Bauchdecke als Bauekpresse kommt es darauf an, wie
sich die übrigen Wände der Bauchhöhle verhalten. Gibt die hintere Fläche der
zylindrischen Bauchwand nach oder tun dies die beiden Verschlußmembranen
(oberes and unteres Diaphragma), so ist die Wirkung der Bauchdecke ergebnislos.
Das obere Diaphragma (Zwerchfell) ist viel schwächer als die Bauchdeckenmuskeln.
Eine wirklich volle Ausnützung der Bauchpresse kommt deshalb erst zustande,
wenn die Atemluft durch Sperrung der Stimmritze in den Lungen zurückgehalten
wird. Die Lungen geben dann wie aufgeblasene Luftkissen dem Zwerchfell einen
zwar elastischen, aber ausreichenden Widerhalt. Sie sind am wirksamsten bei nicht
zu starker Füllung, weil das Moment der Bauchmuskeln dann geringer ist. Das untere
Diaphragma (Beckenboden, Abb. 235) wird besonders reguliert, indem die Muskeln
des Afters oder der Harn- und Geschlechtsorgane jedesmal diejenige Pforte öffnen
und offenhalten, durch welche der ausgetriebene Bauchinhalt passieren soll. Die
hintere B auch wand kann die Bauchpresse durch Vorwärtsbewegung der Lendenwirbel-
säule unterstützen (auch das Beugen des Rumpfes im ganzen befördert ihre Kraft).
Die Faktoren, welche zusammenarbeiten, um als ,, Bauch "presse zu wirken, sind
also oft über den Rumpf weit verstreut. Die Bezeichnung darf nur auf das Objekt
der Wirkung (Bauch), nicht auf den Sitz der wirkenden Kräfte bezogen werden.

Gibt das Zwerchfell nach, so können die Muskeln der Bauchdecken auf den
Inhalt der Brusthöhle wirken. Dies wird bei den Atmungsbewegungen beschrieben
werden. Mit der ,,Bauch "presse hat dies nach unserer Definition nichts zu tun.

Die Art von Druck und Gegendruck des Bauchinhalts und der Bauch- Ver-
decke bedarf noch einer Betrachtung. Da die Baucheingeweide verschieblich heiten bei
sind, so findet wie in Flüssigkeiten nach hydrostatischen Gesetzen eine gleich- p^fund
mäßige Verteilung des allgemeinen intraabdominalen Druckes innerhalb der Bipeden
Bauchhöhle statt. Es kommt hinzu, daß das Gewicht der Baucheingeweide
von der Bauchwand mit zu tragen ist. Deshalb ruht bei aufrechter Körper-
haltung auf allen Punkten eines jeden Horizontalniveaus die gleiche Last, aber
die verschiedenen Horizonte sind von oben nach unten zunehmend belastet.
Beim Vierfüßler und bei der Rumpfbeuge des Menschen nach vorn hat die weiche
Bauchdecke im ganzen eine erhöhte Belastung zu tragen. Die Bauchdecken
haben deshalb bei aufrechter Haltung die Tendenz, sich unterhalb des Nabels
stärker vorzuwölben als oberhalb. Bei vorgebeugtem Körper und beim Vier-
füßler sind sie gleichmäßiger beansprucht. Der Transversus abdominis wirkt
flieser Belastung'^ntgegen und überträgt sie auf den Brustkorb, das Leistenband
und das Becken. In der unteren Partie der Bauchwand sind die Fasern der
beiden schrägen Bauchmuskeln gleich gerichtet und fahren im schrägen Bogen
 
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