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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0204

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Innere Sehenkelpforte.

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hinabziehen und mit diesen zu einer Plombe vernähen, welche dem Druck gelockerter
und der Schwere folgender Eingeweideschlingen widersteht (bei Hochstand der Muskel-
ränder wird der bei Leistenbrüchen stark ausgebildete Kremaster benutzt um die Lücke
zu decken). Der Samenstrang liegt vor der Muskelplombe, welche jetzt das sonst
muskelfreie Dreieck zwischen dem Leistenband und dem Dach des Leistenkanals
ausfüllt; seine Lage zur Aponeurose des Musculus obliquus externus bleibt unver-
ändert. Durch diese künstliche Korrektur der Lage des Muskelfleisches wird die
wesentlichste Ursache des Punctum minoris resistentiae scharf beleuchtet. Es gibt
noch andere akzidentelle Momente für die Schwäche der Bauchwand und die Ent-
stehung der Brüche, welche hier nicht zu erörtern sind. Ausgelöst wird die Nach-
giebigkeit der Bauch wand durch die veränderte Belastung, welche diese Stelle beim
aufrechten Stehen des Menschen trifft (S. 189).

Die äußere Öffnung des Leistenkanals (Abb. 99) ist beim Mann durch ing^aiis
die Haut hindurch leicht zu fühlen, wenn man den Finger vor dem Samen-abdominalis
sträng nach oben führt, den Nagel an der richtigen Stelle eindrückt und mit
der Fingerspitze die Haut des Hodensackes einstülpt. Beim Manne hat
unter normalen Verhältnissen die Fingerspitze in der dreieckig schlitzartigen
Öffnung gerade Platz. Die Fingerkuppe drängt dabei den äußeren Faszien-
triehter (Faseia superficialis) in den Leistenkanal hinein. Trägt man die Fascia
superficialis und die Sehnenfasern ab, welche vom Musculus obliquus abdominis
externus auf den Faszientrichter übergehen, so wird künstlich der Anulus ingui-
nalis subcutane us als scharfer Faserrand geschaffen, der nach oben vom Crus
superras, nach unten vom Crus inferius begrenzt wird und innen unten, nach
dem Tuberculum pubicum zu verstreicht. Lateral oben ist der Anulus spitz-
winkelig zusammengekniffen, weil die beiden Krura hier durch die Fibrae
intercrurales fest aneinander geheftet sind (Abb. 105). Der Hiatus ist
deshalb dreieckig und steht mit der Basis nach innen unten; er wird deutlich,
wenn der Leistenkanal ganz ausgeräumt ist. Beim Lebenden ist der austretende
Samenstrang an dieser Stelle bei mageren Personen zu sehen (Abb. 106); auf
alle Fälle kann man den Ductus deferens über den Beckenknochen rollen
und dabei als stricknadeldicken, harten Zylinder durchtasten.

Bei der Frau ist der Leistenkanal (und ebenso die äußere Öffnung) sehr viel
enger. In ihm liegt das Ligamentum rotundum, ein Bindegewebsstrang,
welcher von der Gebärmutter zu den großen Schamlippen zieht. Leistenbrüche
sind wegen der Enge des Kanals viel seltener als beim Manne.

Die innere Schenk elpf orte, Anulus femoralis, führt in den Schenkel- Anulus

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kanal, .welcher unterhalb des Leistenbandes liegt (Abb. 110). Leisten- und schenkei-
Schenkelkanal sind aufs schärfste durch das PorrPABTsche Band getrennt und bruche
deshalb nie miteinander zu verwechseln. Es folgt aus dieser Lage, daß die
Schenkelpforte den Weg zur unteren Extremität öffnet, wenn sie aus den nor-
malen potentiellen in den abnormen reellen Zustand übergeführt wird. Denn
das Leistenband ist die äußere Grenze zwischen Rumpf und Schenkel. Diese
lineare Grenze ist nach dem Beckenknochen zu ideell durch eine Ebene zu ver-
vollständigen, welche man sich durch Leistenband und Schambeinrand gelegt
denkt (Abb. 107). Tatsächlich wird die Ebene nicht von einer abschließenden
Membran, sondern von der Lacuna musculorum und der Lacuna vasorum
eingenommen, d. h. zwei Pforten, von welchen die erstere zum Bein Muskel
und Nerven, die letztere wesentlich Gefäße passieren läßt (Abb. 110, Pfeile). ■
In der Gefäßlücke liegt zu innerst (medial) der Anulus femoralis. Die Begren-
zungen werden von Teilen der vorderen Bauchwand gebildet und deshalb hier
beschrieben. '

In pathologischen Fällen kann auch die Muskelpforte den Weg vom Bauch-
inneren zum Schenkel freigeben. Hauptsächlich Senkungsabszesse, die von.xler
Wirbelsäule ausgehen — bis zu deren Brustteil hinauf —, begeben sich bei aufrechter
Körperhaltung der Schwere folgend längs dem Musculus iliopsoas durch die Lacuna
musculorum hindurch und werden am Oberschenkel nächst dem Leistenband sicht-
bar; bis dahin liegen sie ganz versteckt. Sie können auch andere Wege gehen, z. B.

Braus, Lehrbuch der Anatomie. I. 13
 
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