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Kopf.
können. Aus den beiden schwarzen Pfeilen in Abb. 373 b ist zu ersehen, wie
der Pterygoideus externus das Köpfchen unmittelbar nach vorn zu ziehen
vermag, und wie die Mundbodenmuskeln, indem sie das Kinn rückwärts und
abwärts ziehen, mittelbar das Köpfchen in die gleiche Richtung drehen, welche
ihm der Pterygoideus externus gibt. Man kann für zwei ganz bestimmte Stel-
lungen, z. B. die Ausgangs- und Schlußstellung einer beliebigen Öffnungsbewe-
gung, den Punkt ermitteln, welcher beiderseits im Kiefer unbewegt geblieben
ist. Er ist für die blau und rot (mit ausgezogener Linie) gezeichneten beiden
Kieferstellungen in Abb. 373 b mit A (schwarz) markiert. Er würde in unserem
Fall ungefähr in der Höhe des Foramen mandibulare liegen. Es ist am an-
schaulichsten sich vorzustellen, daß der Kiefer beim lebenden Menschen um
eine durch die beiderseitigen Punkte A gelegte Querachse wie ein doppelarmi-
ger Hebel bewegt werden kann. Der obere Hebelarm mit dem Köpfchen geht
nach vorn, der untere Hebelarm mit dem Kieferwinkel geht nach hinten und
nimmt dabei den Kieferkörper und die Zähne mit. Das Kiefergelenk ist also
ein transportables Gelenk. Daß das Kieferköpfchen bei jeder Öffnungs-
bewegung nach vorn verschoben wird, schreibt uns die Innervation unserer
Muskulatur vor, ohne daß wir darum Avissen oder absichtlich etwas dazu tun.
Durch diesen rein nervös vermittelten Zwangslauf wird der Kieferast nicht
wie beim Raubtiertypus um so stärker gegen den Warzenfortsatz gedrängt,
je mehr sich der Kiefer öffnet, sondern der Raum zwischen Warzenfortsatz
und Kieferast, Fossa retromandibularis, bleibt ungefähr gleich groß. Da
hier sehr wichtige Gebilde untergebracht sind, z. B. der Nervus facialis für die
gesamte mimische Muskulatur und große Gefäße, so werden diese nicht unter
Druck gesetzt. Auch liegt die Eintrittspforte des Nervus alveolaris inferior
in den Unterkiefer, das Foramen mandibulare, an der ruhigsten und geschütz-
testen Stelle des Knochens. Dagegen wird die Ohrspeicheldrüse (Glandula
parotis), welche in den retromandibulären Raum hineinragt und hier ihre größte
Massenausclehiiung gefunden hat, beim Kauen durch die Schaukelbewegung
des Kieferastes um die imaginäre Achse A gleichsam massiert, weil bald das
obere, bald das untere Hebelende auf die Drüse drückt, ohne daß sie im ganzen
gequetscht wird. Der Abfluß des Sekrets auf dem langen Weg zur Mundhöhle
wird dadurch erleichtert.
Vergleich Betrachtet man das Kieferköpfchen allein, so macht es eine Schlitten-
&6S 111 t_*I 1 seil- ••
liehen Uni- bewegung; es geht beim Öffnen nach vorn, beim Schließen des Kiefers nach
^ate^mit hinten. Die Bewegung nach hinten liegt in der Richtung der hinteren Fasern
Speziai- des Temporalis, des Antagonisten für den Pterygoideus externus (Abb. 373 b,
roter Pfeil). Der Schlittentypus ist in extremer Weise bei den Nagetieren aus-
gebildet; durch ihn wird ein sagittales Gleiten des Kieferköpfchens nach vorn
und hinten erleichtert. Der Kiefer kann wohl in jeder Stellung geöffnet werden,
aber er muß nicht geöffnet sein. Auch der Mensch kann das Kinn vorstrecken
und dabei das Kieferköpfchen nach vorn bewegen, ohne den Kiefer zu senken.
Wir nennen die extreme Schlittenbewegung: Nagertypus. Eine dritte extreme
Spezialisation treffen wir bei den Wiederkäuern, bei welchen die seitlichen
Verschiebungen des Unterkiefers gegen den Oberkiefer am höchsten ausgebildet
sind: Mahlbewegung (Motus molitorius). Man stelle sich vor, daß der Trans-
port des Kief er köpf chens nicht beiderseitig, sondern nur einseitig, und zwar
abwechselnd rechts und links geschieht. Dadurch kommt der Unterkiefer in
eine schaukelnde Bewegung, bei welcher abwechselnd das Köpfchen, welches
stehen bleibt, um eine senkrechte Achse gedreht wird, welche man sich durch
dieses Köpfchen gelegt denkt. Das nach vorn transportierte Köpfchen geht
um die senkrechte Achse des stehenbleibenden Köpfchens in einem Kreisbogen
herum. Die Unterkieferzähne reiben wie Mühlsteine über die Ober kief er zähne,
Kopf.
können. Aus den beiden schwarzen Pfeilen in Abb. 373 b ist zu ersehen, wie
der Pterygoideus externus das Köpfchen unmittelbar nach vorn zu ziehen
vermag, und wie die Mundbodenmuskeln, indem sie das Kinn rückwärts und
abwärts ziehen, mittelbar das Köpfchen in die gleiche Richtung drehen, welche
ihm der Pterygoideus externus gibt. Man kann für zwei ganz bestimmte Stel-
lungen, z. B. die Ausgangs- und Schlußstellung einer beliebigen Öffnungsbewe-
gung, den Punkt ermitteln, welcher beiderseits im Kiefer unbewegt geblieben
ist. Er ist für die blau und rot (mit ausgezogener Linie) gezeichneten beiden
Kieferstellungen in Abb. 373 b mit A (schwarz) markiert. Er würde in unserem
Fall ungefähr in der Höhe des Foramen mandibulare liegen. Es ist am an-
schaulichsten sich vorzustellen, daß der Kiefer beim lebenden Menschen um
eine durch die beiderseitigen Punkte A gelegte Querachse wie ein doppelarmi-
ger Hebel bewegt werden kann. Der obere Hebelarm mit dem Köpfchen geht
nach vorn, der untere Hebelarm mit dem Kieferwinkel geht nach hinten und
nimmt dabei den Kieferkörper und die Zähne mit. Das Kiefergelenk ist also
ein transportables Gelenk. Daß das Kieferköpfchen bei jeder Öffnungs-
bewegung nach vorn verschoben wird, schreibt uns die Innervation unserer
Muskulatur vor, ohne daß wir darum Avissen oder absichtlich etwas dazu tun.
Durch diesen rein nervös vermittelten Zwangslauf wird der Kieferast nicht
wie beim Raubtiertypus um so stärker gegen den Warzenfortsatz gedrängt,
je mehr sich der Kiefer öffnet, sondern der Raum zwischen Warzenfortsatz
und Kieferast, Fossa retromandibularis, bleibt ungefähr gleich groß. Da
hier sehr wichtige Gebilde untergebracht sind, z. B. der Nervus facialis für die
gesamte mimische Muskulatur und große Gefäße, so werden diese nicht unter
Druck gesetzt. Auch liegt die Eintrittspforte des Nervus alveolaris inferior
in den Unterkiefer, das Foramen mandibulare, an der ruhigsten und geschütz-
testen Stelle des Knochens. Dagegen wird die Ohrspeicheldrüse (Glandula
parotis), welche in den retromandibulären Raum hineinragt und hier ihre größte
Massenausclehiiung gefunden hat, beim Kauen durch die Schaukelbewegung
des Kieferastes um die imaginäre Achse A gleichsam massiert, weil bald das
obere, bald das untere Hebelende auf die Drüse drückt, ohne daß sie im ganzen
gequetscht wird. Der Abfluß des Sekrets auf dem langen Weg zur Mundhöhle
wird dadurch erleichtert.
Vergleich Betrachtet man das Kieferköpfchen allein, so macht es eine Schlitten-
&6S 111 t_*I 1 seil- ••
liehen Uni- bewegung; es geht beim Öffnen nach vorn, beim Schließen des Kiefers nach
^ate^mit hinten. Die Bewegung nach hinten liegt in der Richtung der hinteren Fasern
Speziai- des Temporalis, des Antagonisten für den Pterygoideus externus (Abb. 373 b,
roter Pfeil). Der Schlittentypus ist in extremer Weise bei den Nagetieren aus-
gebildet; durch ihn wird ein sagittales Gleiten des Kieferköpfchens nach vorn
und hinten erleichtert. Der Kiefer kann wohl in jeder Stellung geöffnet werden,
aber er muß nicht geöffnet sein. Auch der Mensch kann das Kinn vorstrecken
und dabei das Kieferköpfchen nach vorn bewegen, ohne den Kiefer zu senken.
Wir nennen die extreme Schlittenbewegung: Nagertypus. Eine dritte extreme
Spezialisation treffen wir bei den Wiederkäuern, bei welchen die seitlichen
Verschiebungen des Unterkiefers gegen den Oberkiefer am höchsten ausgebildet
sind: Mahlbewegung (Motus molitorius). Man stelle sich vor, daß der Trans-
port des Kief er köpf chens nicht beiderseitig, sondern nur einseitig, und zwar
abwechselnd rechts und links geschieht. Dadurch kommt der Unterkiefer in
eine schaukelnde Bewegung, bei welcher abwechselnd das Köpfchen, welches
stehen bleibt, um eine senkrechte Achse gedreht wird, welche man sich durch
dieses Köpfchen gelegt denkt. Das nach vorn transportierte Köpfchen geht
um die senkrechte Achse des stehenbleibenden Köpfchens in einem Kreisbogen
herum. Die Unterkieferzähne reiben wie Mühlsteine über die Ober kief er zähne,