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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0783

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772

Kopf.

(Gruppe A, Tab. S. 742, Nr. 10—19) sind weitaus am zahlreichsten; die Muskeln
der Lidspalte sind zwar geringer an Zahl, aber sehr gut ausgebildet (Gruppe B.
Nr. 20—23); mehr oder weniger rudimentär sind die Muskeln der Ohröffnung
und des Hinterkopfes (Gruppe C, Nr. 24—28).

Histori- Die Entstehung der mimischen Muskeln geht auf zwei Schichten zurück.

Funktio^ wel°he beide von der Muskulatur des II. Viszeralbogens abstammen (Fazialis-
nelles muskulatur S. 748). Am Hals ist von den beiden Schichten gewöhnlich nur die
oberflächliche als Platysma erhalten. Von diesem erstrecken sich Züge in das
Gesicht hinein und bilden einen großen Teil der mimischen Muskeln, welche beim
menschlichen Embryo stets, aber auch beim Erwachsenen noch zum Teil mit dem
Platysma zusammenhängen, zum Teil selbständig geworden sind. Sie sind in Abb. 375
mit roter Farbe angegeben (folgende Nummern der Tabelle: 10, 11, 18, 19 mit Aus-
nahme des Caput infraorbitale, 20—28). Die tiefe Schicht wird als Sphincter
colli profundus bezeichnet. Sie ist am Hals des Erwachsenen nur ausnahmsweise
in Kesten zu finden. Im Gesicht dagegen gehören zu ihr zahlreiche Muskeln, welche
zum Teil in ursprünglicher Weise von den Abkömmlingen des Platysma bedeckt
sind, zum Teil aber durch Lücken der oberflächlichen Schicht durchscheinen oder
durchgewandert und sogar ganz an die Oberfläche geraten sind. In Abb. 375 sind
die Abkömmlinge des Sphincter colli im Gesicht grau dargestellt (folgende Nummern
der Tabelle: 12—17 und das Caput infraorbitale von 19). Abb. 369 zeigt die tief-
liegenden Individuen des Sphinktersystems ohne Bedeckung durch die oberfläch-
lichen Muskeln; doch sind aus äußeren Gründen auch das Platysma und einzelne
seiner Abkömmlinge eingetragen. Der Unterschied zwischen der oberflächlichen
und tiefen Schicht ist der, daß wir bei der ersteren noch Muttersubstanz im Platysma
erhalten haben, bei der letzteren gewöhnlich nur abgewanderte Abkömmlinge der
eigentlichen Matrix finden (höchstens geringe Spuren der letzteren am Hals als
Varietät, S. 749).

Bei niederen und höheren Affen sind verschiedene Stufen des Wandern ngs-
prozesses der mimischen Muskeln festgehalten und noch heute kenntlich. Auch
die individuelle Verschiebung des Anlagematerials beim menschlichen Embryo,
welche zu Beginn des 2. Monats am 2. Viszeralbogen anhebt und von da aus den
Kopf überflutet, geht den gleichen Etappengang. Danach dringt die tiefe Schicht
(Sphincter colli) nur bis zum weiteren Umkreis der Mundspalte in die Höhe, weil
sie am frühesten Anheftungen am Knochen gewinnt. Ans ihr entsteht der Ring-
muskel in der Falte, welche den Mund umgibt: Sphincter oris. Die am weitesten
apikal reichenden Züge der Tiefenschicht befestigen sich am unteren Rande der Augen-
höhle. Die oberflächliche Schicht (Platysma) bleibt viel länger beweglich. Sie
bedeckt nicht nur den Hals, sondern auch den Nacken. Zwei zu ihr gehörige Ströme
dringen zum Kopf vor, der eine hinter dem Ohr, der andere vor dem Ohr. Der letztere,
der eigentliche Gesichtsteil, sondert sich in Züge, welche durch die Öffnungen des
Gesichtes voneinander getrennt werden. Sie formen, indem sie auf Nase und Mund
zuwachsen, die Wand eines Vorraumes, welcher vor den Zähnen besteht: Vesti-
bulum oris. Wir nennen diese Wand: Wange, Bucca. Man kann im einzelnen
unterscheiden: 1. einen Strom, der vom Ohr zur Unterlippe zieht. 2. einen Strom vom
Ohr zur Oberlippe, 3. einen Strom vom Ohr zur Stirn. Die in der Nähe der Ohr-
muschel liegenden Teile dieser oberflächlichen Ströme und auch diejenigen der
tieferen Schicht sind beim Menschen gewöhnlich versiegt und durch die Fascia
parotideomasseterica ersetzt. Ausnahmsweise können noch Muskelfasern an dieser
Stelle auftauchen. Um die Augenhöhle herum erheben Teile des Zuges zur Ober-
lippe die Haut zu Falten, Lider genannt, und formen in ihnen einen zusammen-
hängenden Kreismuskel: Sphincter oculi. Außerdem fassen die Züge an ver-
schiedenen Punkten des Skeletts Posto. So zerfällt die Matrix, das Platysma,
indem es am Kieferrand ansetzt, in einen Muskel am Halse, Platysma im engeren
Sinn, und den M. quadratus labii inferioris. welcher vom Unterkiefer zur Unter-
lippe zieht (Tab. Nr. 10). Auch die oben genannten drei Züge des Gesichtes zer-
fallen durch Anheftungen am Skelett in einzelne Muskeln. Die Abstände der Indi-
viduen werden um so größer, je mehr Schädel und Gesicht an Größe und Ober-
fläche gewinnen. Das erleichtert die Verwerfungen der Muskelschichten, welche
dazu führen, daß Abkömmlinge des tiefen Sphinktersystems oberflächlicher liegen
können als solche des oberflächlichen Platysma. Im M. triangularis des Menschen
hat diese Umkehr die höchste Stufe erreicht (Abb. 375).

Oft ist sehr schwer zu bestimmen, welche Lage ein Muskel ursprünglich ein-
nahm. Stellenweise können sogar Fasern der oberflächlichen und tiefen Schicht
identische Lage annehmen und sich so gegenseitig vertreten. Das wird uns
beim M. risorius besonders beschäftigen (Tab. Nr. 13). Für die biologische Er-
 
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