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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1905 - 31. Januar 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16473#0123

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Mittwoch, 18. Zanuar lW3. Erftes Blatt. 47. Zahrgang. — Nr. 15.

v» sch»i ir-t '-aGtich-, GormlagS avlgenoom«». P«i» mN NamiUeMAtter» inonat -.H Sü Pfg. in'Ä HauK geLracht, bei der Expedition rmb b»n Zweigstationen abgeholt 40 Bsg.
? Dnrch üi« Post bezogen vierteljehrlich 1,3b ML ausfchlietzlich LastÄlgsSühr.

d»r«ta»»p»«t»- 20 Ps«. für di« Ispaltitze PeMheile «d«r der«» Kaum. Rekiamezei« 40 Pfg. Fiir.chiefige Geschästs» u. PrivatauAetgni «rmäßitzt. — Kür di« Allfnahm« son An-eise«
E defttMmten Lagen wivd keine Be«mtw»rttichkett übetmomme». — Anschlag Ler Jnferate anf den Pl«!atias«!n der Heideweeger 8ett»ng u. den ftädt. Anschlagstellcn. Fernspr. M

Lum allgemeinen Ausstand im Ruhrkohlen-
flebiet.

^ Anr Samsiag hat oer Reichskanzlm: die^e^
vejrtzer nn Richrkohlengebiet ermahnt ^m MuMin

unL Bejchwerden. ihrer Arbeiter nnt Woh
Derständnis zn begegnen; dm Mcchnun-g h ^

völlig vergebtich erwiesen. Die Gruderchesitz 1 „nd
Diskusstcm der Forderungen der Arbmter adgelehnt
daraufhtn rst, wie zu erwarten war, der allgei
stand proklamiert worden. ... ^

U-eber das äutzere Schicksal dieses «trerkes rst
Welt im Klaren, nicht zum wemgsten dw Arbeiterfi.^,
die vom Aussta-nd abgemahnt haben- dre ^chl

Len schr bald nachgeben wüssen Rur der
der Streikenden ist organisiert. lWrrd es sch„ - E
Mühe kosten, ihn einige Zeit wirtschastUch u
Wasser zu hältcn, so werden die Nichtorgamsier - ^ s
dald von dem grotzen Bezwinger Hunger fugsam S"nE
werden. Man mutz wünschen, datz dieser 'E-krer seo
vorübsrgcht, che noch die Eisemndustrre mrt rh-
reichen Arbertern erheblrch rn Wfitleidenschafi ^

>vird. Schon jcht werden Hochöfen ausgeblafen, steue
E-rjenwerkr rhren Bchrieb ern. Ie länger er .
dauert, dejto grötzer wrrd auch rn drejer Krnjrch
Schaden. .. ^

Aber nüt dem Srege der Zechen kann diese ,
nrcht erledrgt jchn. Es lrogt ern drrngendes osje cyr
Interejse vor, datz beschedrgende, der nrodernen ' B >
entsprechende Zustände in den Ko'hlenrevreren herg 1
iverden. Dieses kann aber mrr geschehen, wemr °er »o
herrschenLe Zeudalismns Leseitigt wird. Es rft vor - .

dre Anfgabe der lrberal Denkenden, rn dcn ne , -

schweren Jndustrie kchne wichschajtlrä>en Mecklen^ cho
auskommen zn lajsen. Hat der Lrberalrsmus denn ^a >
chhnte lang für das polichsche Dersassnngsrechr ge w
nnd gelitten, damrt das Bolk nach kurzer Zeit ernein
wrrchchaftlrchen Despochsmns überlrefech /st' 7j.
Zechenbesitzer fagen, sre erkennten keme Avberterorgc ^ -
sachon an, sre hätterr es rmmer imr mrt dem l
Arberten zu tun. Da rst der Puni't. ber de>n erngeietzt
werden rnutz, denn von da nehnren dre Uebelstam
^lusgang. Schon praktisch rst jener Standpmrkt rmhalt-
dar. Nchmen wrr ernmal an, datz dre tauiend 'Arbeiier
einer Zeche, jeder ern-zeln. der Berwaltung ^0-°^
wünsche portragen wünde, das gäbe, anf icden - -

-nrr 3 Mrnuten gerechnch eine Unterhaltung von MM g
Stunden über dre glerche Sache. Das geht ^'
Ber so grotzen Bchrreben rst eine Vertretung der
durchaus notwendig. Und wenn dieser
gefühch wird. wenn die Derwaltungen glercher Betrreve
nnd dre Arbeiter solcher Betriebe srch zrrsanmrenichireben
und durch solche grotzen Verbände die Arbertsbedrngunger
im ganzen Betriebszweig festgesetzt werden, io rst a
tvichschafilicher fsortschchtt, eine Wohltat sur aei ?
und fiir die gesamte Natron, dre sich alle unnotrg.r
'ikämvfe mit Fug und Recht verbitten kann, denn pe len er

darunter mit. Zndem haben wir ja rm deutjcher^w^

hente schon viele Dutzende von Tachfverchägen rn
grohen und kleinen Bechieben, And wo fte eingeführt wur-
den, sind beide Terle mit der Einrichchrng zufrieden. Und
ist es nicht eine schreiende Ungerechtrgkeit, wenn die Arbeit-
geber ihrerseits sich zu einem bergbaulichen Derein zu°
sammentun und dann von dreser Vereinigung aus er-
klären lassen: Eine Organisation der Arbeiter echennen
wi r nicht an?

Man nrutz rechtzeiüg dafür sorgen, datz unjere Gru-
benbesitzer und sonsiigen Grotzindustriellen sich nicht ,zu
Fendalh-erren auswachsen. Jeder Feudalismus erzeugt
ein bösachiges hochmütiges Beamtentum, das meisi noch
schkimmer ift, wie d«' Feudalherr selbft, der für feine Per-
fon ein sehr liebenswürdiger ja recht wohlmeinender Mann
sein kann, während daZ. System, dem er vorsteht, die
Leute zur Verzweiflung bringt. Man sehe auf das klas-
sifche Beispiel, das Ruhland in dieser Hinsicht gibt. Jm
Rirhchohlengebiet hat diese Bureaukratie — das Wort
im weitesten Sinn genommen — khre giftigen Blüten
schon vollständig entfaltet. Das lassen alle. Berichte, die
von dort herkommen, inrt voller Deutlichkert erkennen.
'Darum fort mit diesem System! Es müssen auch da ver-
fassungsmäßige Znständo hergestellt werden, wie wrr solche
rm Staatsleben haben. 'Anch der politrsche Absolutismus
glaubte einst, es müsse Alles zu Grunde gehen, alle Kraft
und Lebensenergie dos Staates müßte schwinden, das
Land wäre dem Unverstand preisgegeben, wenn Ler Kon-
sütutionalismus an seine Stelle trcte. Statt dessen hat
der Konstitutionalismus die Vöiker mächtig gehoben irnd
wegwerfend spricht nian heuto von Ländern, die rhn nicht
besitzen.

Sollten die Fendalherren der Industrie srch sträuben,
so 'isi der Gesetzgeber da, der sie zwingeu kann. Als letztes
Mittel bleibt ihm die Enteignung, für die gerade was
die Kohlengewinnung betrifft, auch sonst manches sprrcht,
sind die Kohlen doch die Grundlage rmseres ganzen heu-
tigeir wirtschaftlichen Lebens. Die schweren Qpfer, die
der jetzige Streik rm Ruhrkohlengebiet den beteiligten
Arbeitern rrnd darüber hinaus weiteu Kreisen des Volkes
arrferlegt, werden nicht vergeblich sein, wenn sie die ge-
setzgebenden Geivalten zu der Erkenntnis führen, daß mit
dem bisherigen System gebrochen werden mutz. Graf
Wllow, der so fchön zu sprechen vermag, möge uns einmal
Taten sehen lassen.

Deutfcher Reichstag.

Berlin, 17. Jan.

Das Haus ist schwach befetzt.

Auf der Tagesordnung steht der Etat des Reichs-
s ch a tz a m t s.

Abg. Dr. Hermcs (srels. Vollsp.) verlangt cine Aen-de-
rung des Sützstoffgesetzes, das nlcht n-ur den kleinen und kleln-
sten Händlern, sondcrn auch den Nebenge-werben geschaber hätre.

Staatssckretär Frhr. v. Stcngel: Dtc beklagtcn Um-
stände erklären sich vielsach daraus, datz noch kurz vor dem Jn-
krafttreten des Gesetzcs grotze Mcngen von Sützstoffen- elnge-
führt wordcn seien. Vntfti)ädigunyen, könnten nicht zugebilligt
werden.

Abg. Kirsch (Ztr.) wünscht eine Aenderung dcs Münzge-
setzes, namentlich hinfichtlich der bO-Pfennigstücke. Mit der
Resolution bezwecke seine Partei, den ctbgeändertcn Lcbensver-
hältnissen Rechnung zu tragen. Auch im Abgeordnetenhause
habe seine Partei einen entsprechenden Antrag elngebracht.

Abg. Arcnüt (Rp.) unterstätzt die Resolution Hitze un»
spricht seine Freude über die Tätichkeit Les ReichsschatzsekretärS
aus. Er hofst, datz es dem Schatzsckretär gelingen wird, in den
Relchsfinanzverhältnissen eine Befferung herbe'izuführeu. Red-
ner glaubt, datz durch den wirtschaftlichen Aufschwung, in dcm
wir uns befinden, die nötigen Mittel für dte Aufbefferung des
Wohnungsgeldzuschuffes sich evgoben werden. Redner regt die
Prägung einer Schillerdenkmünze an und wünscht
Vorlegung des Materials über die Talerfrage.

Staatssetretär Jrhr. v. Ste n ge l: Es sei nunurehr ein den
Bedürsniffen LeS Verbchrs möglichst cntsprecheudes F ü n fzig-
pfcnuigstück hergestellt worden, das in der nächsten Woche
in den Verkehr gebracht werden sollte, Die Einrührung eines
neuen Treimarkstückes sei cine Frage des praktischen Le'bens;
wenn dasselbe noch nicht eingeführt sei, so lag eben kein drui-
gendes Verkehrsbedürsnis vor. Die Neuregelung des Woh-
nungsgeldzuschuffes beabsichtige die Regierung mit Wirkung
vom 1. April 1906.

Abg. BIell (fr. Vp.) : Dem Bedürfnis LeS Verkehrs werde
mit dem Jwei- und Fünfmarkstück voll genügt,

Abg. Jtschcrt (Ztr.) spricht seine Geuugtuuug über die
Evhöhung des Fonds für hilfsbedürftige Kricgsteilnehmer aus
uud bittet um Auskunst, nach welchcn Grundsätzen die Bedürs»
tigkeit sestgestellt werde.

Abg. Müller-Sagan (fr. -Vp.) spricht sein Einvsrständ-
nis m'it b'r Resolution Hitze aus, aver mvn sollte nicht auf
Preuhen warten. Wenrr es sich um höhere Beamte 'handlc, gehe
es rasch, aber schon bei der Frage, welchc Kläffen von Unterbe-
amten und tvie fie berücksichtigt werde« sollen, wird der Streit
um die Berzögerung beginnen.

Abg. Singer (Soz.) mvint, «s sei ersreulich, datz das
Zentrum eine Schillerdenkmünze -wolle; hosfentlich sei das dem
Zen-trum ein Ansporn, im Sinne Schillers für dle Volksfreiheit
zu wirken. Die Jnval'idenbeihilfen würden lediglich nach der
politischen Gefinnung verteilt.

L-taatssekretär Frhr. v. Stengel: Der Relchsverwaltung
sci ntchts Lavon bekannt, datz die Beihilsen von der politischen
Gesinnung abhingen.

Abg. Frhr. v. Richthofen (kons.) legt dar, nachdem die
Münznovelle gescheitert sei, muffe abgtwartet werden, wie stch
das Land zur Talersrage stelle. Der Resolution Hitze könne er
nicht zustimmen.

Nach weiterer unerhcblich.'r Erörterung wird das Gehalt des
Staatssekretärs bewilligt, die Resolution Hihc angensmmen.
und der Rest -des Etats debattelos erledigt.

Morgeu Etat des Reichseisenbahucrmts.

Deutfches Reich.

— Die diesjährig-eii Kaisermanöver werden-
zwischen dem 6. und 9. September in der Nähe von
Koblenz stattsinden. Der Kaifer wohut abwechselnd
iu Koblenz und aus Schloß Sto-lzensels.

Badeu.

— Das Argentinische Konsulat in Mannhei nr ch<
dnrch 'Versügung der ArgenttnisckMi Republik zur Ein-
ziehun-g gelangt.

— Ob ivohl die badischen k o n s e r v a t i v e »
Wähler nnter Umständen fiir >ein taktisches Zusam-
mengehen mit deni Zentrum zu haben wären?
Das Zentrnm bemüht sich fchr um die Konservativen;
nnd andererseits gab es eine Zeit, da ein konfervativep
Führer sich Herrn Wacker förmlich an den Hal.s warf.

Die Ruperto-Carola vor 50 Zahren.

P ^nfzig Jahre liegeu rmtten auf dem W<ge, der von der
fieubtzgründung uiverer Uuiverfttät uudcr bcrdischem Szepter
^ur unmittelbaren Gegenwart fiihrt. Es hat seinen Reiz und i
--s.sslcht ohne Wert sür die Erkenntnis der Entwicklungsge- ^
des Jnstituts, einmal rückschauend fich in die Hcidelbcr- >
»er Gclehrtenwelt vor hundcrt Senrestern zu vcrsetzen.

Lehrkörper unserer Hochschule bestand im Winter- j
lewester 1864/55 aus 7b Dozenten. Heut«, im Winter,cmester ,
^/05, find es deren die doMüte Zahl: 151. Doch -
n das Wachstumsverhältnis der einzelnen Fakultäten autzer-
^wllch vcrschieden. Jn- diösen Verschiebungen, welche vor-
ssLhmtich Medizin unid dcn- Naturwisscnschaften zugute kom-
spricht sich das grotzartige Aufsteigen dicser Diszipnnen
el.^-heorie und Praxis in der letztvergangenen Jahrhundert-
'Mn« cnis, Während die j u r i st i s che Fakultät gegen damals
einen zahlenmätzigen Rückgang ausweist, ist die Zahl
Of Dozenten der 'Medizin- z. B. von 14 aus 47 gestiegen Die
yeologischr Fakultät hatte im Wtntersemester 1854/55 4

? e u t e 6) ordentliche Profefforen, 1 (2) autzerordentliche
Mute dazu 1 Puivatdozenten). Die jurisfische: 6 (7) orü.,

L G) auherordenll 8 (2) Privatdozenten (heuie firner 1 ord.
vonorarproseffor). Die medizinische: 7 (11) ord., (1 Honorar-
w°l«ffor), 8 (21) autzerord. Profefforen und 4 (14) Prrvat-
Aenten. Die philosophische war damals noch mcht gespalten;
s,7 b-tze deshalb die heutigen Zahlen beider, der Phüos. und i
. s natuvwiff.-math., Falultäten zum Vergleich in Klammern >
1? (24) ord.. 4 (9) Honorarpros., 5 (29) autzerord. Pro- >
!s!>°ren und 17 (14) Privatdozenten. Em Uebcrblick über vor- -
nehende Zechlcn lehrt zugleich, datz das Gros der Vermehrung
ststi die Kategoric der „auherordentlichen Profefforen" entsällt,
heutzuta-ge allermetst nur titulierte Privatüozenten ohne

Die tzeKÜge

Gehcllt sind. Jhrc Zahl hat sich in diesen 100 -Semestern von
12 auf 58 erhöht, während im gleicheu Zeitraum dic Ordina-
riate uur von 34 auf 48 bezw. 49 vcrmehrt wurden.

Von den 75 Dozenten des Wintcrseinesters 1854/55 strch nur
noch 3 am Leben; und 2 derselben, dic damaligen- Privatdogenten
Dr. Moritz Cantor und Dr. August Bornträgcr, ge°
hörc'n noch heute dem Lehrkörper unserer Universität an. Geh.
Hofrat Honorarprofessor Dr. Cantor, der einzige, dcr
auS jener illustren Schar noch heute seine Lehrtätigkeit an üer
Llupcrto Carola ausübt, hatte vor 100 Semestern Elementar-
mathenmtik, Analytische Geometrie und Disfercnticll- und
Jntegrcllreckniung angezeigt. Der dritte noch Lebende ist der
bcrühmte Pandektift Helnrich Dernburg, uoch heute eine
Zierde üer Berliner Universität und unermüdlich in- seinen
Vorlesungen, damals Heldelberger Privatdozent.

Nicht weniger als 8 Privatdozenten zählte vor cincm halben
Jahrhundert die Heidelberger juristische Fakultät. Drei
von ihnen haben sich nachmals einen Weltruf verschasfi: Jolly,
Dernbuvg und Marquardsen (der spätere nationalltberatz:
Politiker und Erlanger Publizist). Das Gedächtn-is eines
vierten lebt nur noch im Liede, „Pumpus von Perufia", Lud-
wig Knapp; in dieser Gestalt hat ihm ststn -Genoffe auS dem
„En-gercn" Joseph Sch-csfel die Unsterblichkeit auf Deutschlands
höhen Schulen verliehen. Er, der gar seltsame persönliche
Schicksale erlebt und in der Blüte seiner Jahre cin den Folgen
eines Sturzes vom Pferde sterbeu mutzte, verdient nicht blotz
ein Gederllblatt im Kominersbuch, sondern eine Ehrentafel in
der — Geschichte dcr Philosophiel Er Ivar cin begeisterter
Archängcr Ludwtg Feuerbachs, deffen Heidelberger Rathaus-
Vorlesun-gen ein reinigendes Gewitter waron auch sür die rat-
lose Poetenscele Goitsried Kcllers, deS Heid-'lberger Siudenten.
Gedanken des Mcisters mit originaler Krcrft ausdenkend hat
Ludwig Knapp etn „Shstem- der Rechtsphilosophie" (Erlangen

NttMMeZ! NMfaht drei Mätter, zasaMMen 14

1855) geschrieben, 'hente fast verschollen; wem aber der schinale,
prachtvoll gedvuckte Band zufällig einmal in die Hände geriet,
verstaubt in einer Bibliotheksecke, dcn lätzt seine fein geschwittene
Antiqua so bald ntcht wieder los. Von. den- zünstigcn Philo-
sophen hat nur ciner des Vergeffenen gcdacht, Wilhelm W i n --
dclband — als 32 Jahre cllter Ordinarius der Philosophi«
an der Universität Freiburg — in seiner „Geschichte der neue-
ren Philosophie", woselbst er (II, 366) Knapp's „System" elnes
„der merkwürdigsten und wunderlichsten Bücher" nenni, „Sie
je geschriebcn worden sind", „cin Buch, welches den Materia-
lismus nfit dcr feinfien Dialektik, oft in hohem poettschem
Schwungc und mit jener hin und wieder ans Barocke strchsen-
den Kombinattonsfähigkcit darstellt, ohne welche die dialektische
Methode nicht gchandhabt werden kann. Es ist vielleicht die
spiritualifiischste Form, iu tvelchcr der Materialismus je gedacht
worden ist, und während die Sprache sich in die feinsten Ab-
straktionen verflüchtigt, soll darin der gröbste Stofi als daS
Wesen aller Dinge und Verhältnisse gclehrt wcrden". Wer sich
sür den sciltsamen Kopf näher interessiert, fin-det weitere Hand-
haüen in den- Feuerbach-Büchern von Albrecht Rau und Wilhelm
Bolin. Jn jenem Wintersemester hatte er angeiündigti „Rechts-
philosophie, mit Verweisung auf scin Lehrbuch" (3sttindig>
und „Gerichtliche Medizin, mit anatomischen- Dcmonstrattonen,
nebst philosophischen und chemischen Vcrsuchen auf der Anato-
mie" (ebenfalls 8stündig), eine Fächerkombination, die, uner-
'hört, heutzutage kein Dozent mehr wagen würde.

Die Ordinarii der Heiüelbcrger Juristenfakultüt waren öa-
mals: Mitterniaier, Rotzhirt, v. Mohl, v. Vangerow, Zöpfl,
Renaud; die Extraordinarii: Röder, Sachffe, Brackenhöfit.

Jn der theolvgischen Fakultät dogierte Richard Rothe
„Leben Jesu" (5stün-drg), „Allgemeine Geschichte dex christlichen
Kirche" (täglich) und lcitete Uebungcn im Jnterpretieren auS-
gewählter Stücke des Neuen Testaments im Predigerseminar.

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