Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Altes, ewig Neues
DOI Artikel:
Unsre Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0057

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40

Altes, ewig Neues, von Hermail Helferich — Unsre Bilder, vom Herausgeber

herein in die geöffnete Thür und auch in ihm sieht man
die Goldrahmen und wieder Goldrahmen und Damen
und Herren. Tie Art der Bilder selbst ist wohl süß-
licher als die des Pariser Salon und ein Zug zum
Familiären, sentimental oder wahr Zärtlichen ist selbst
da wahrzunehmen, wo die Gegenstände der Gemälde
großgedacht und historisch sein wollen. Auch hier eine
Uebereinstimmung zwischen Bildern und Publikum, wie
beim Pariser Schaumarkt: waren dort die Personen nicht
ohne einiges reges Armaufheben und Gestenmachen, so
daß man sie ihr klingendes Französisch sprechen zu hören
glaubte, so ist hier selbst der Prinz weniger dem heroischen
Stile geneigt als dem idyllischen und friedfertigen,
..iovcllv" scheinen die Damen, -nie«-- die Männer zu
sagen, und „srveet^ sind die Kinder. Nicht ganz fehlt
die Charge — man sieht sie an dem dicken Manu mit der
noch dickereu Brille, der seiner Nichte die Bilder ganz
ans der rechten Seite erklärt, doch Hogarth würde schärfer
sich mokiert haben. Das England dieses Bildes geht ohne
große Untugenden und sonder Häßlichkeit an den Historien,
Landschaften und zahlreichen Porträts entlang und freut
sich seiner Kunst, mit welcher es nicht zum Besten be-
stellt ist, in dem opulenten Saale seiner Royal Academy,
in dem sich Reichtum und Behagen spiegeln und durch
dessen Fensterscheiben man außen das königliche Wappen
gewahrt, mit dem dieser Kunstklub königlicherseits aner-
kannt und bestallt worden.

Und unsre Kunstausstellung von heute! Welche
Menschenmenge drängt sich in ihr! Und wie zahlreich
und dicht sind die Bilder an ihrer Waud, wie zahlreich
fallen die Bemerkungen — und nur einen Unterschied
möchte man konstatieren: in der heutigen Kunstausstel-
lung gewahrt man vielleicht mehr Maler. Namentlich

in den ersten Tagen, vor dem herausforderndsten Bilde
nach der Seite des technischen Geschickes hin, vor dem
Bilde, das eine Neuerung enthält, staut sich eine kom-
pakte Masse von Beschauern, deren Wesen etwas abweicht
von dem Typ des Bürgerlichen und deren Sprache etwas
andres enthält, weniger Worte, jedoch markantere, als
die Sprache, die allgemein vor den Bildern geredet wird.
Man sieht im Geist die Leute vor sich, schon ehe die
Ausstellung ihre Pforten geöffnet hat; der Gedanke
schweift zurück und streift die vielleicht hundert und mehr
als hundert Ausstellungen des letzten Säculums; und
nicht ganz frei von Schauder denkt man jener Unmengen
von Bildern, die hart aneinandergereiht und sich be-
kämpfend, so lang sie ausgestellt waren, nach der Aus-
stellung zum größten Teil so spurlos verschwinden
mußten, Jahr für Jahr einer Plejade anderer Arbeiten
Platz machend. Aber das ist das Leben; und so ist das
Verfahren überall in der Natur, welche, ach, wie Vielen
das Dasein schenkt, um doch nur die Besten und Lebens-
fähigsten zu beschützen und zu erhalten. Wer die Kunst-
ausstellungen, gerade unsrer Tage beschreibt, wird ge-
neigt sein, an Schopenhauers Wort zu denken von der
tragischen Kunstgeschichte, die geschrieben werden müsse,
von der Geschichte von Tausenden, die sich mühen, denen
nur so Wenige gegenübcrstcheu, die dauernden Ruhmes
sich freuen; ewig bleibt der Kontrast zwischen der ahnungs-
los die frischausgefülltcn Säle durchziehenden Menge
und den Malern, welche Werke an den Wänden dieser
Säle haben, und die sich quälen müssen die Gefühle zu
meistern, die ihnen die Gleichgültigkeit erregt; die De-
koration wechselt, das Ausstellungswesen bleibt dasselbe
und die Woge des Tages geht über den vergessenen
Maler oder die vergessenen Maler dahin.

Unsre Bilder

vom Herausgeber

ntcr unfern Münchener Malern nimmt Holmberg
insofern eine ganz einzige Stellung ein, als er, im
Gegensatz zu den meisten andern, bei der Auswahl seiner
Stoffe sich nie von der pikanten Handlung, sondern ledig-
lich von der Rücksicht auf rein malerischen Reiz oder der
Gegenüberstellung interessanter Charaktere leiten läßt.
Begünstigt von einem sehr glänzenden Farbensinn und
überaus feinem Geschmack, bringt er es, aber bei seinen
immer nur das Sein aber nie das Geschehen darstellen-
den Bildern, eben dieser freiwilligen Beschränkung halber,
zu einer merkwürdigen Vollendung der Bilderscheinung,
so daß seine in jedem Detail beseelten, ja mit wunder-
barer Vollendung ausgeführten Bilder schon ob der
Solidität des Tons, fast immer einen klassischen Ein-
druck machen. Das thut nun gerade unser „Sammler"
in ganz besonderein Maße. Nicht nur ist die Charakte-
ristik des Altertümlers selber vortrefflich, der Kopf jeden-
falls einer der bestgemalten der Schule, sondern auch alle
seine ihn umgebenden Schätze, in deren Mitte er so auf-
merksam eine alte Miniatur auf ihre Echtheit prüft,
sind, offenbar nach der Natur, mit einer so stupenden
Meisterschaft und feinen Empfindung gemalt, daß sie nach
dieser Seite hin schwerlich irgendwo überboten werden.

Man könnte das Bild in jeder Galerie unter die besten
alten Meister hängen, und es würde sich sicherlich be-
haupten. Dabei ist die Gesamtwirkung eine vollkommene,
trotz der wunderbaren Durchbildung alles Einzelnen, ja
man sieht dem Alten selber aus's genaueste an, daß er
sich als passionierter Sammler lediglich um die Außen-
seite der Dinge, ihre Echtheit und Seltenheit, und z. B.
viel weniger um das, was auf seiner Miniatur ge-
schrieben steht, bekümmert, als um das Jahrhundert und
den Ort, wo es geschrieben und von wem es gemalt
ward. Dabei ist das Bild in seiner ganzen liebevollen
Ausführung so echt deutsch, daß man den alten Herrn
wohl wie oft in der Maximilianstraße stehen gesehen zu
haben meint und schon darum seine Freude daran haben kann.

Verläugnet Holmbergs „Sammler" also seine deutsche
Herkunft keinen Augenblick, so zeigt Leslies „Nausikaa"
noch deutlicher ihre englische Erziehung. Denn selbst ihre
unbestreitbare Schönheit und ihr liebenswürdiges Wesen
sind mit einem guten Teil jener Unnahbarkeit gemischt,
welche sie von Vorneherein abgehalten hätte, sich mit dem,
obwohl seine Blöße hinter einem Strauch versteckenden
Odysseus auf nähere Unterhandlungen einzulassen, gleich
der phäakischen Prinzessin. Diese Übersetzung derselben
 
Annotationen