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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Unsre Bilder
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Weihnachtsbücherschau
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Unsre Bilder, vom Herausgeber — kveihuackstsbücherschau. vom Herausgeber.

sr

Gegensatz bildet. Denn statt der Prinzessin erblicken wir
hier ein Dutzend Bauernmädeln von sehr zweifelhafter
Eleganz aber mit um so umfangreicheren Füßen vor uns,
welche, die Figur der heiligen Mutter Gottes tragend,
jetzt eben niedergekniet sind, während der Priester vorne
am Feldaltar die Monstranz in die Höhe hebt. Links
sieht man dann die Prozession mit Kreuz und Fahnen
aus dem Dorfe herauskommen, dessen niedrige Häuser
den Hintergrund abschlicßen. So wenig nun diese frommen
Jungfrauen geeignet sind, sündhafte Gefühle in uns zu
erregen, da sie offenbar an Tugend weit reicher sind als
an Schönheit, vielmehr sich als die echten Töchter ihrer
vorne knienden handfesten Herren Väter erweisen, so
inacht einem doch das Ganze dieser Komposition einen
überaus echten und wahren Eindruck. Ja die Frömmig-
keit und Ehrlichkeit, die schlichte Demut dieser so un-
schönen aber braven und tüchtigen Menschen ist so über-
zeugend und ergreifend wiedergegeben, daß man das Bild
urdeutsch und die Begabung des Künstlers trotz der un-
erfreulich grauen Malerei und mangelhaften Zeichnung
eine keineswegs unbedeutende nennen muß. Denn diese
Fehler kann man leicht verbessern, eine falsche und gezierte
Auffassung aber nur sehr schwer oder gar nicht. Unser
Bild aber, dessen Schwächen auf der Hand liegen, wird
dennoch niemand ansehen, ohne die Macht einer echten
Poesie, einer tiefen und wahren Empfindung zu fühlen.
— Etwas von den Fehlern und noch mehr von den

Tugenden des vorigen Bildes finden wir auch in Andersen-
Lundbys „Spätwinter" getauftem Waldbild. Dasselbe
hat nnläugbar eine überraschende Wahrheit und auch ein
wohlthuendes Naturgefühl, soweit davon bei einem Bild
die Rede sein kann, bei dessen Anblick man unwillkürlich
fröstelt. Andersen ist unstreitig ein geborener Maler, der
nur etwas weniger und dafür sorgfältiger durchgebildet
zu produzieren brauchte, um unfern Besten zugezählt
werden zu müssen. Denn seine Anordnung ist immer
malerisch und seine Details charakteristisch, wie man hier
bei einem seiner besten Bilder mit Vergnügen bezeugen muß.

Sollte man den Kunstwerken immer ihre Herkunft
ansehen und thut es auch bei den guten, so läßt uns
die Büste der Königin-Regentin Marie Christine von
Spanien wenigstens deren habsburgische Abstammung
augenblicklich erkenen und dabei auch die traditionelle Be-
harrlichkeit und Festigkeit jenes Geschlechtes. Ja selbst
ein gewisser Trotz ist auf der Unterlippe der hohen Frau
nicht zu verkennen, obwohl Querols Arbeit sonst nicht
au die feine Individualismus und das tiefe Lebensgefühl
Hildebrandscher und Begasscher Büsten hinanreicht, vielmehr
sich mit der charakteristischen Auffassung im Großen und
Ganzen begnügt. Diese hier läßt uns aber die Rück-
wirkung ihrer schwierigen und vereinsamten Stellung aus
die Gemütsart der mutigen Fürstin jedenfalls sehr deut-
lich ahnen, uad das ist auch ein Verdienst dieses hervor-
ragenden Künstlers.

WeihnachtMich orschau

vom Herausgeber

^ieht man die Flut von mehr oder weniger glänzenden Erzeug-
nissen des Kunst- nnd Buchhandels, die sich im Spätherbst auf
den RedaktionStischen anfzutürmen Pflegt, um „ besprochen", d. h. ge-

Postordonnanr. von L. w. Allers

Aus „L. lv. Allers, Marine". (Verlag von L. T. wiskott in Breslau)
Die Kunst für Alle VII.

lobt, bewundert, aber beileibe nicht unparteiisch nach ihrem Wert
gewürdigt zu werden, so überläuft einen zunächst immer ein
gelinder Schrecken. Denn die Kartelle sind ja bei der Bücher-
kritik noch weit mehr in der Mode als bei Kohlen und Eisen.
Und da soll nun ein ehrlicher Berichterstatter dem verehrungs-
würdigen Publikum seine lautere Meinung über die Produkte
der graphischen Industrien und Künste sagen? Zur Erleichterung
unsres Gewissens wollen wir hier doch gleich gestehen, daß das
nur mit gewissen unvermeidlichen Einschränkungen möglich ist.
So wäre es z. B. jetzt im Oktober ganz unthunlich schon ein
Urteil über den Gesamtcharakter der heurigen litterarischen Ernte
abzugeben, wenn wir auch einstweilen wissen, daß Heu und Stroh
sehr gut geraten sind, während aber Kartoffeln und Rüben,
saure Äpfel und vollends, das Beste von allem, der Allerwelts-
tröster Wein noch gar nicht eingeheimst sind. Denn das Wertvollste
in der Litteratur und Kunst wie auf den Feldern reift langsam
und kommt darum gewöhnlich zuletzt auf den Weihnachtstisch!
Noch eine weitere Einschränkung hätten wir zu machen: Unsre
Verantwortlichkeit für die hier ausgesprochenen Urteile müssen
wir in der Regel auf den künstlerischen Gehalt der be-
sprochenen Werke beschränken, da die „Kunst für Alle" nicht den
Anspruch macht, eine Litteraturzeitschrift, sondern nur den, ein
Kunstblatt zu sein. Sollte daher etwa ein neuer Homer, Goethe
oder Schiller im Text unsrer A-B-C-Bücher, Backfischalbums oder
„Jugendblätter" verborgen sein, so hat er um so sicherere Aus-
sicht von uns übersehen zu werden, je mehr Seilen er mit seinen
unsterblichen Inspirationen bedeckt hat, da wir schon gar keine
Zeit haben dicke Bücher vor Weihnachten und keine Lust sie
nachher zu studieren.

Dies vorausgeschickt, beginnen wir nun gleich mit einer
besonders schönen, wenn auch nicht vollkommen ausgereiften
Frucht, mit C. W. Allers „Unsre Marine", SO Original-
zeichnungen. Breslau, Wiskott. (Preis 30 M.) Wie das vorige
Jahr mit der „silbernen Hochzeit", so können wir auch die
heurige Revue mit einem neuen Werke des so rasch berühmt

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