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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die Ausstellung im Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0156

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Aus LÄ. Acibt's SIriuendnck

theilweise, der Bedeutung des vaterländischen Anlasses
entsprechend, recht Werthvolles beigestcuert haben, ist in
diesen Blättern bereits berichtet worden. Für den Wiener
Kunstfreund bilden diese Blätter eine willkommene Ge-
legenheit, um die Eigenart oder sagen wir: künstlerische
Handschrift einer Anzahl Münchener Künstler kennen zu
lernen, denen man auf unseren Ausstellungen seltener
begegnet. Die Cyclen, welche im Weiteren den Werth

der Ausstellung bilden, zeichnen sich vor Allem durch die

künstlerischen Individualitäten aus, welche uns vollbcredt
entgegentreten. Da ist das Bedeutendste das Aquarell-
werk des Hans v. Bartels, welches bei überreicher
Mannigfaltigkeit durch Geschlossenheit wirkt. Es sind
144 Blätter, welche einen Zeitraum von vierzehn Jahren
umfassen. Was der Künstler der Natur abgeschaut, was
er der Wasserfarbentechnik abgetrotzt, muß bisweilen mit
Staunen erfüllen. Das Skizzenhafte mit seinem unmittel-
baren Reiz herrscht ja Wohl vor und das fertige Bild
kommt seltener zur Geltung, aber gerade in diesem

Primakönnen offenbart sich oft am lichtesten die außer-

gewöhnliche Veranlagung dieses deutschen Aquarellmeisters.
Seine unerschöpfliche Palette schlägt mit gleicher Wahr-
heit das Dur des Wogenbrausen und Dünensturmes, des
harten Nordstrandlebens an, wie das Moll sonniger
Meere, blühender Südidyllen. Wir könnten uns freilich
bisweilen ein volleres Ausklingen dieser Motive denken
und wünschten es auch.

Nicht minder individuell spricht der Schotte John
Neid zum Beschauer. Wohl muß da das Gefühl der
Befremdung zuerst überwunden werden und dann auch
mögen in erster Linie Künstler und Kenner auf ihre
Rechnung kommen. Englische Gäste sind selten in den
Bildcrsälen der Lothringerstraße; München ist gewöhnlich
die östlichste Versuchsstation englischer Maler, die auf dem
Continente ausstellen. Um so willkommener ist uns an
der Donau dieser, wenn auch wunderliche Schotte.

Als Einer der Vielgefeierten und -Verlästerten der
Kunst vom Tage, verdient und reizt er als Colorist und
Menschenmaler unsere Neugierde, um dieselbe besonders
in letzterer Hinsicht zu befriedigen. So eigenartig
Reid's koloristische Ader sein mag, wir ziehen ihn als
Charakteristiker vor und halten seine Cornwall-Schmuggler
(um 1830) für ein sehr bedeutendes Werk, wenn auch
nicht frei von Manier. Die Technik, welche der auf
Eigenwegen gehende Schotte sich dafür zurecht gemacht
hat: Gouache, Oel, Firniß — entspricht da vollkommen
den künstlerischen Absichten. Alles ist breit, warm, dick,
satt und doch flüssig und leicht. Bei seinen mannigfachen
Naturstudieu wird Reid's Rücksichtslosigkeit nicht selten
unkünstlerisch; er begeht in der Farbengebung, Perspec-
tive und Formverachtung Wahrheiten, die künstlerisch
für alle Zeiten Jrrtümer bleiben werden, aber er bringt
dies mit so viel Eigenwahrheit vor, daß man ihn alle-
mal ernst nimmt, so verwegen auch seine alles ver-
schlingende Coloristik sein mag. Jedenfalls begreifen wir
das Aufsehen, das dieser Schotte in München und auch
in Wien, wenn auch letzterenorts den Umständen ange-
messen etwas abgedämpfter erregt hat.

Wahre, ungetrübte Freude machen die Lang- und
Alters-Cyclen, aus dem Kriegsleben der Eine, aus
dem Schauspieler- und Kunstreiterleben der Andere. Wir
brauchen Heinrich Lang, den allbeliebten „Schlachten-
bummler", nicht erst zu verlieren, um zu wissen, was
wir an ihm gehabt, dem das glücklichste Auge und die
sicherste Hand gegeben worden. Mit Wehmuth haben
wir Lang's letzte Arbeit, den Vionviller Husarenritt, be-
trachtet. Es ist so traurig spärlich bestellt, um unsere
doch so berechtigte Schlachtenmalerkunst, deren Leistungen
fast im umgekehrten Berhältniß zu den beispiellosen Er-
folgen unserer Kriegskunst stehen, daß man die lebens-
vollen bayerischen Kriegsbilder Lang's doppelt wert hält.
Wenn dieser Künstler großen Styl gehabt hätte! C. W.
 
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