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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [2]: eine Atelier-Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0186

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Maria Stuart. Eine Ätelierstudie von S. v. Adelung


Kameraden zu sein; nie schlief ich besser, träumte ich so
goldene Träume, als ans dem zu schmalen und zu kurzen,
wie mit harten Kartoffeln angefüllten Bett der braven
Wittwe Äckerle, bei der ich mich eingemietet hatte. Und erst
unsere Ausflüge des Sonntags!

Aber ich werde weitschweifig und kehre daher zur
Sache zurück.

Ein paar Tage nach jenem Abend ging ich in das
Atelier zu meinem Freunde. Wolkow hatte bereits eine
Skizze zu seinem Ausstellungsgemälde entworfen.

Trotz des trüben Novembertages leuchtete mir das
Bild schon beim Eingang entgegen, eine wahre
Bacchanalie von Farben: schimmernde weiße Glieder,
blutrote Stoffe, ein satter tiefer Vordergrund, golddurch-
flutete Ferne. Ich habe vergessen, was das Bild vor-
stellte, — ich glaube Nymphen auf der Flucht vor irgend
etwas oder irgend wem. Es war eine wahrhaft berau-
schende Farbenfülle über das Ganze ausgegossen und ich
drückte dem Freunde mein Erstaunen und meine Be-
wunderung in warmen Worten aus.

„Aber es wird ein großes Bild," bemerkte ich.

„Die Leinwand mißt drei Meter fünfunddreißig zu
zwei Meter fünfzig."

„Du wirst sehr fleißig sein müssen."

„Ich habe ein ganzes Jahr vor mir und du weißt,
ich arbeite schnell."

Wölkow schabte mit seinem Kratzer an einer
der Nymphen-Nasen herum und fuhr dann fort: „Und
du, mein Freund, wie weit bist du? Du siehst mir
heute Abend mißmutig und müde aus —"

„Das mag wohl sein; ich bin noch keinen Schritt
weiter als zuvor."

„Immer noch nicht gefunden?"

„Immer noch nicht."

„Na, höre," sagte Wolkow und warf den Kratzer
auf den Tisch zu den dort befindlichen Pinseln, Messern,
Lappen und Siccativfläschchen, „komm' mal mit mir und
lasse dir die Grillen vertreiben. Für heute habe ich
genug geschmiert und unterwegs erzähle ich dir, was ich
gefunden."

Ich folgte wortlos. Meine wochenlangen fruchtlosen
Bemühungen, hatten mich so herabgestimmt, daß es mir
einerlei war, wohin mich Leo führte.

Wir schritten durch mehrere Straßen und bogen
dann in die Thorstraße ein.

„Siehst du," begann Wolkow, „gefunden ist sie
längst; wie sie heißt und wer sie ist, habe ich jedoch erst
gestern herausbringen können. Hier in dieser Straße
wohnt sie, und sie ist die Tochter des reichen Bankiers
Richter. Es wird dir nicht ganz leicht werden, sie zum
sitzen zu bekommen, aber Richters haben ein offenes Haus
und sind eitel auf die Tochter. Du mußt dich einführen,
dich vorstellen lassen. Die Alten werden sich geschmeichelt
fühlen, wenn ein Baron der Tochter den Hof macht —
und ehe du dichs versiehst, sitzt sie dir für deine
.Maria."

„Ja, du würdest so etwas gewiß zustande bringen,
daran zweifle ich nicht, aber ich ... und dann die Tochter

^Die Fortsetzung

eines Geld-Aristokraten? — Kann sie wirklich zu der
schönen, unglücklichen..."

„Sch—t!" machte da Wolkow, „da ist sie — das
nenne ich Glück! Aufgepaßt und — Augen links!"
flüsterte er mir noch rasch zu. Zwei Damen in Sammet
und Pelze gehüllt gingen an uns vorüber, Wolkow grüßte
ehrerbietig und tief, wie man Fürstinnen grüßt. Beide
Damen antworteten mit leichtem Kopfnicken, doch wollte
es mir scheinen, als sähen sie etwas verdutzt drein —
dann waren sie um die Straßenecke verschwunden.

Ich war entzückt. — „Leo, Prachtkerl, wie soll ich
dir danken! Wenn ich die . . . malen könnte .... sie ist
ja wie für mein Bild geschaffen! Und du kennst sie?"

„Bewahre, mein Junge, kennen thue ich sie nicht."

„Aber du hast sie doch soeben gegrüßt?"

„Nur damit du sie besser sehen konntest."

Sie war wirklich entzückend: von mittlerer Größe,
fast überschlank und schmiegsam, eine jede Bewegung aus-
nehmend anmutig. Ein etwas blasses, längliches Gesicht
mit sinnenden, dunklen Augen, der blütenrote Mund, der
nur zum Küssen gemacht schien, die ganze Erscheinung,
alles fein und zierlich bis zu dem winzigen rosigen Ohr,
das ans der dunklen Umrahmung hervorschaute.

Ich war wie elektrisiert. Den ganzen Abend-, ver-
brachte ich mit Aufspannen von Leinwand, Träumen und
Plänen.

im nächsten Hefte)
 
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