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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Ein kunstgeschichtlicher Brief von Sulpiz Boisserée
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0210

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^62 Ein kunstgeschichtlicher Brief non Zulpiz Boifseree

aus dm aufgehobenen Klöstern und Kirchen der Rheingegenden, der Niederlande und andrer Teile Deutschlands
zusammengebracht hat, welche 1827 von König Ludwig um den Preis von 120,000 Thalern für die Pinakothek
in München, für Schleißheim und die Nürnberger St. Moritzkapelle erworben wurde. Kurz vorher, im
Sommer 1826, war der junge Kaulbach mit Boisserse zum erstenmale zusammen gekommen. Bekanntlich hatten
die beiden Boisserses mit ihrem Freunde Bertram ihre Schätze anfangs in Heidelberg untergebracht und waren
dann, da die Räumlichkeiten nicht ausreichten, mit der ganzen Kunstsammlung nach Stuttgart übergesiedelt, wo
der König von Württemberg ihnen ein angemessenes Gebäude überließ. Hierhin kam Kaulbach, als er seinem
Lehrer Cornelius von Düsseldorf nach München folgte, um die damals schon weltberühmte Bildergalerie zu
sehen, ein ernster, strebsamer Jüngling, von trostlosen Jugendschicksalen bedrückt, aber von vertrauensvollem,
hoffnungsvollem Mut für die Zukunft beseelt. Er war so arm, daß er die weite Reise von Düsseldorf bis
Stuttgart mit seinem jüngeren Bruder Karl, der sich später unter Schwanthaler der Bildhauerei widmete, zu

Fuß gewandert war, und häufig hatten die beiden, um
die Gasthofrechnung zu sparen, im freien Felde übernachtet
und an den Feldfrüchten ihren Hunger gestillt. Der alte
Jacobi in Düsseldorf hatte ein Empfehlungsschreiben an
Boisserse mitgegeben. Das lautet so: „Pempelfort,
18. Juni 1826. Der junge Maler Kaulbach, welcher
Ihnen, mein werter Freund, diese Zeilen überbringt, ist
einer der hoffnungsvollsten Schüler unsrer Akademie, und
mir durch sein reines, unbefangenes Streben bei ausge-
zeichneten Anlagen lieb geworden. Von Cornelius zu
einer Arbeit nach München berufen, wird er auf seiner
Reise Stuttgart berühren, und da er das natürliche Ver-
langen hat, Ihre Schätze mit Muße zu betrachten, so habe
ich ihm die Bitte nicht abschlagen können, als ein Be
kannter, den unbekannten und zum erstenmal in die Welt
tretenden jungen Mann bei Ihnen einzuführen, mit der
Bitte, ihm die Erfüllung seines Wunsches werden zu
lassen. Obgleich er keine Erziehung gehabt, die ihm den
Vorteil einer ordentlichen wissenschaftlichen Vorbildung
hätte gewähren können, so glaube ich doch, daß Sie Ge-
fallen an ihm finden werden. Leben Sie wohl. Jacobi."
Das Schreiben wird gewiß seine guten Folgen gehabt
haben. Jeder Sammler zeigt gern seine Schätze, beson-
ders wenn er wahrhafte Teilnahme bei dem Beschauer
voraussetzen kann. Boisserse öffnete jedenfalls dem jungen
Kaulbach auch sein gastliches Haus, und wir wissen, daß
dieser die Reise von Stuttgart nach München endlich in
einem Wagen unternommen hat.

Bald darauf trafen sich der Knnstgelehrte und der
Künstler, der so schnell zu Ruhm und Ansehen kommen
sollte, in München wieder. Boisserse, der mit seinem
Bruder der Sammlung in die bayerische Residenz folgte,
wurde Mitglied der Münchner Akademie, bayrischer Oberbaurat und Generalkonservator der plastischen Denkmale
des Reichs, sah sich aber schon nach einiger Zeit wegen angegriffener Gesundheit veranlaßt, seine Stelle nieder-
zulegen und nach dem südlichen Frankreich und Italien zu reisen.

In Rom führte das Schicksal Kaulbach und Boisserse im Winter 1838 wiederum zusammen, und
zwar traf es sich zufällig, daß beide mit ihrer Familie mehrere Monate zusammen in demselben Hause via
Tritone 9, in der Nähe der Piazza Barbarini, wohnten und dadurch von selbst zu freundschaftlichem Verkehr
aufeinander angewiesen waren. In derselben Behausung, Casa Lazzarini, wohnten auch die Maler Ernst Deger
mit Frau und Andreas Müller, die damals mit den Vorarbeiten für ihre Fresken in der Apollinariuskirche
bei Remagen am Rhein für den Grafen von Fürstenberg beschäftigt waren. Kaulbach, den einige Schüler
begleitet hatten, schloß eine besondere Freundschaft mit dem frommen gemütvollen Deger, trotz der Verschiedenheit
ihrer künstlerischen Richtung, und ist lebenslang mit ihm in Verbindung geblieben, hat auch später als Akademie-
Direktor mehrfach vergeblich versucht, den Freund als Professor an die Münchener Akademie zu ziehen. Durch
Boisserse lernte Kaulbach, der in Rom sonst außerordentlich zurückgezogen lebte und sozusagen hinter Schloß
und Riegel Studien in der Ölmalerei und nach dem lebenden Modell machte, was früher nur zu sehr verab-

Nus F. Vrütts Skivenbuch
 
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