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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Brandes, Otto: Die Pariser Salons 1892, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0373

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von Gtto Brandes

2Y5

Das heilige Feuer. Von Vtto Sin ding

gute. Tie in dem früheren Stile errungene Technik ver-
stärkt heute die Mittel der Ausdrucksgabe. Hoffentlich
kommen wir unter solchen Verhältnissen wieder auf die
Zeiten der poetischen Intuition von Ruisdael und
Hobbema und wenn wir in Frankreich bleiben und
historisch nicht so tief steigen wollen auf Corot und
Dupre die Begründer der modernen Technik in der Land-
schaftsmalerei, zurück. Diese Künstler kopierten auch getreu
die Natur, aber sie spürten gewissenhaft den ewigen Ge-
setzen derselben nach, und indem sie sie ergründeten, ging
ihnen auch die Poesie derselben auf. Während es dem
modernen Landschafter nur darauf ankommt, den äußeren
Eindruck der Erscheinung in einer verblüffenden Technik
wiederzugeben. Alles geht bei ihm durchs Auge ohne
aus dem Wege in die Hand im Herzen Station zu
machen. Im Herzen? O In belle bwgue! Und doch be-
finden sich in dem Salon der Champs Elysees, der
turmhoch bezüglich der Landschaft den des Champ de
Mars überragt, verschiedene Landschaften, die ziemlich
weitgehenden Ansprüchen genügen. Ich nenne vor allem
Tanguys Waldsee, den eine stupide, voreingenommene
Jury geglaubt hat, mit einer ehrenvollen Erwähnung
abfertigen zu sollen. Spiegelglatt, hier und da mit
Entengrütze und Blättern der Nymphaea bedeckt, liegt die
vom Unterholz eingeschlossene Wasserfläche vor uns. Durch
den Mittelgrund dringt der Blick in das geheimnisvolle
Weben des Waldes. Nirgends ein Vogel, ein Tier, ab-

solute Stille und Einsamkeit. Der Künstler hat hier die
moderne Technik mit allen ihren Mitteln seiner scharfen
Beobachtung und seiner liebevollen Vertiefung bis zur
Virtuosität dienstbar gemacht. Die geschmackvolle Kom-
position ist groß und breit behandelt, das Herangehen
des Wassers im Vordergründe bis an den Rand des
Rahmens eine anerkennenswerte Kühnheit, die sich nur
wer die Luft vollständig beherrscht erlauben darf. An
diesem Bilde, aber noch mehr bei dem dekorativen Ge-
mälde Le Liepvres können wir die Wege voraussehen,
die die sich sammelnde moderne Landschaftsmalerei wandeln
wird. Sie kommt zur Stimmungsmalerei unter Benutzung
der breiten modernen, ich möchte fast sagen, impressio-
nistischen Technik zurück. Das Le Liepdresche Bild,
vier Panneaux, die für die Dekoration eines Treppen-
hauses bestimmt sind, stellt eine weite Wiesenlandschaft
dar, die von hochragenden Pappeln, in denen der Wind
leise spielt, durchsetzt ist, links ein schilfbestandenes Wasser,
im Hintergründe das ferne Dorf, in Abendstimmnng.
Leichte Nebel kriechen am Boden hin, die Rinder ziehen
vereinzelt den Ställen zu, hier und da einzelne Figuren,
die dem Landschaftlichen auch in der technischen Behand-
lung untergeordnet sind, et vollä tont. Aber welch' eine
feierlich friedliche Stimmung in diesem weiten von Lust
durchfluteten Bilde. Man atmet ordentlich die würzige
Luft der ihren Brodem aushauchenden Wiesen, man hört
d'en durch die Entfernung gedämpften Schrei des'sehn-
 
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