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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Brandes, Otto: Die Pariser Salons 1892, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0374

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2IS

Der Pariser Laien ^8Y2

süchtig nach dem Stalle verlangenden Viehs, man ist dem
Saale, der Gesellschaft, dem farbigen Getöne der um-
gebenden Bilder entrückt und steht mitten in der durch
das Bild hervorgezauberten Umgebung. Das ist eine
meisterhafte Leistung. Die Technik ist die denkbar mo-
dernste. Da ist mit mächtig großen Pinselschlägen über
die Leinwand gefahren, häufig steht diese, wo es einem
Lufteffekt dient, noch zu Tage, aber jeder Farbenfleck
ist da, wo er sein soll, jeder Ton hat das richtige Valeur,
wie Soldaten verteidigt jedes seine Position; und dann

die ausgezeichnete, flotte Komposition, in welcher mit
großer Kunst alles die Stimmung beeinträchtigende
Nebensächliche auch als solches behandelt ist. Da hat
man nicht erst lange zu überlegen, haben wir es mit
einer Abeudstimmung oder mit einer Morgenstimmung
zu thun, wie uns dies häufig, selbst mit den Dam Vre-
schen Bildern passiert, der auch dieses Mal wieder eine
Reihe recht gut beobachteter, aber das Interesse nur
mäßig in Anspruch nehmender Landschaften im Salon
Meissonicr ansstcllt. Neben diesem Bilde verschwinden
die übrigen Landschaften. Sie können auch bei dem uns
nur gering bemessenen Raume, den wir hauptsächlich
dieses Mal dazu benutzen, die neuen Ziele zu zeigen,

die sich die Malerei gesteckt hat, unsre Aufmerksamkeit
des längeren nicht fesseln. In der Marine-Malerei
knüpft Mesdag, der wie kein andrer die See und
die Ufer von Schcveningen kennt, an die glänzenden
Vorbilder seiner Landsleute an, wie denn die Holländer
immer noch berufen sind, auf die Traditionen sich stützend,
ihre vom Wasser umspülte Heimat am sichersten und
interessantesten zu schildern. Baertsons Ansicht einer
flämischen Stadt im Abendsonnenschein, ist in dieser
Richtung ein stimmungsvolles Beispiel. Aber auch der
Franzose Dauphin hat mit seiner im
Segelschmuck stolz daliegenden „Iphigenie"
ein imponierendes Seestück geschaffen. Die
Porträtmalerei sucht heute, insoferne es sich
nicht um ein historisches Denkmal handelt,
die Darzustellenden in der weniger an-
spruchsvollen Intimität des Hauses auf, sie
schildert den Schriftsteller in der Werkstätte
seines Geistes, die Frau in dem Froufrou
ihres Salons, das junge Ehepaar in der
Dämmerstunde ihres gemütlichen Heims,
wie Block in München, der sich hier na-
mentlich mit seinem eine so persönliche,
geistvolle Handschrift tragenden Violinspieler
mit einem Schlage eine schöne Stellung in
der Künstlerwelt gemacht hat. In dem Por-
trät als solchen vermag ich keinen Fort-
schritt gegen frühere Jahre zu konstatieren.
Die Farbensymbolik, wie sie der hochbe-
gabte Whistler treibt, schließt für mich
einen solchen Fortschritt nicht ein. Ich bin
sogar der Ansicht, daß das nur Krücken
der Charakteristik, ohne die die großen
Meister der Blütezeit der Kunst, die Frans
Hals, die Holbeiu recht gut fertig ge-
worden sind. Es ist viel richtiger, sich an
diese Meister unter Beibehaltung der per-
sönlichen Note anzulehnen, der Natur so
strikte wie möglich nachzugehen, sich liebevoll
in den Ausdruck des Kopfes zu vertiefen,
in demselben die Geschichte des Seelenlebens
zu studieren und das Fazit auf die Lein-
wand zu werfen. Das hat Roy bet, der
allzulange im Salon entbehrte Meister ge-
than. Er steht in seinem männlichen, wie
weiblichen so charakteristischen Porträt unter
dem Einfluß des Franz Halsscheu Genius,
aber er hat sich seine Modernität gewahrt.
Wie geistlos nehmen sich gegen diese Bild-
nisse die Porträts der in ihrer Koloristik
Roybet vielleicht ebenbürtigen Bonnat und Carolus
Durand aus. Über Bonnut schweigen wir in diesem
Jahre am besten aus Rücksicht auf die großen früheren
Leistungen, die dem Meister zur Seite stehen, aber
Carolus Durand können wir den Tadel nicht schenken,
daß er unter seiner vortrefflichen Stoffmalcrei immer mehr
versäumt, uns den geistigen Inhalt seiner Modelle zu
erzählen. Dagnan Bouveret, Courtois, Gervex
liefern nichts überraschendes, sie stehen eher eine Note
tiefer in ihren Arbeiten als in früheren Jahren. Dagnan
Bouverets Dame in Rosa ist zwar sein und geistreich
im Kolorit, aber etwas flau in der Behandlung des
unteren Teiles des Gesichtes. Recht bedeutend ist Rixens

Drüvrativrr Entwurf, von Ludwig v. lsofmanii

VI. Münchener Internationale Kunstausstellung I892
 
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